Huhn mit Pflaumen: Die zerbrochene Geige

Mehr Musik und mehr Fantasie im #Partysommer24. Die französische Tragikomödie „Huhn mit Pflaumen“ von 2011 entführt den Zuschauer in die sehnsuchtsvolle Welt des iranischen Geigers Nasser Ali, der allen Lebensmut verloren hat und sich auf eine verzauberte Reise in die Vergangenheit begibt. Mit magisch surrealen Bildern entwickelt „Huhn mit Pflaumen“ einen märchenhaften Sog und erzählt von der unerfüllten Liebe.

Der iranische Geiger Nasser-Ali Khan (Mathieu Amalric) verzaubert in den 1950ern seine Zuhörer weltweit mit großem Können und großem Gefühl auf dem Instrument. Doch als seine Frau Faringuisse (Maria de Medeiros) im Streit sein geliebtes Instrument zerbricht, verliert Nasser-Ali allen Lebensmut.

Verzweifelt versucht er, ein anderes, ebenso perfektes Instrument zu finden, und reist durch das ganze Land, um sich eine Stradivari anzusehen, die einst Mozart gehört haben soll. Doch der Zauber, der die Musik des Geigers ausmachte, scheint untrennbar mit dem zerstörten Instrument verbunden zu sein.

Der Familienvater Nasser-Ali beschließt zu sterben und verlässt das Bett nicht mehr. Selbst sein Leibgericht Huhn mit Pflaumen bringt ihn nicht mehr dazu aufzustehen. Doch seine Gedanken fliegen durch Raum und Zeit. Zurück zu seinem großen Lehrer, der ihn einst die Meisterschaft auf der Geige beibrachte und zurück zu seiner großen Liebe: der reichen Kaufmannstochter Irane (Golshifte Farahani, „My Sweet Pepperland“).

Die verzweifelte Suche nach einem perfekten Instrument

„Huhn mit Pflaumen“ beruht auf dem gleichnamigen Graphic Novel der „Persepolis“-Autorin Marjane Satrapi („Der Seufzer“) und bildet den zweiten Teil ihrer erzählerischen Iran-Trilogie, in der sich die Künstlerin mit der Vergangenheit ihrer Familie im Iran auseinandersetzt. Satrapi übernahm die Verfilmung ihres Comics, wie schon bei „Persepolis“, gleich selbst.

Im kongenialen Duo mit ihrem Regiepartner Vincent Paronnaud, der ebenfalls Comiczeichner ist, entstand eine wunderbare Leinwandversion der Geschichte um den iranischen Musiker von Weltruf. Der Film feierte seine Deutschland-Premiere beim Filmfest Hamburg 2011. Seinerzeit entstand auch ein Interview mit Marjane Satrapi und eine kurze Filmvorstellung.

Anders als bei „Persepolis“ setzten die Regisseure in „Huhn mit Pflaumen“ auf eine Realverfilmung, die in den Babelsberger Studios bei Berlin gedreht wurde. Und es gelingt dem Film eine traumhafte Stimmung auf die Leinwand zu zaubern, die es gekonnt und geschickt schafft zwischen großer Sehnsucht und märchenhaftem Humor zu pendeln, ohne dass die Geschichte, der großen unerfüllten Liebe, die Nasser-Ali noch immer als Inspiration dient, an Tiefgang verlieren würde.

Die Reise in Gedanken an Orte der Vergangenheit

Mathieu Amalric („Tournee“, 007 – „Ein Quantum Trost“ ) beweist erneut eindrucksvoll, dass er einer der größten Mimen Frankreichs ist, und überzeugt in der Rolle des lebensmüden Melancholikers, der als Familienmensch gänzlich versagt und nur noch für seine Kunst sterben will. Daneben ist auch die übrige Besetzung durchaus sehenswert. Doch der eigentliche Reiz des Filmes liegt in seiner unglaublichen und wunderbar gelungenen Atmosphäre.

Obwohl das Teheran der 1950er mondän und weltgewandt ist, lassen sich die Märchen aus 1001 Nacht nicht aus dem Orient wegdenken. Nicht nur Nasser-Ali, sondern auch der Zuschauer driften ein ums andere Mal mit süßem Schmerz in die Welt der Fantasie.

Vordergründig können die Filmwelten des Jean-Pierre Jeunet („Die Stadt der verlorenen Kinder“, „Delicatessen“, „Die fabelhafte Welt der Amelie“) am ehesten als Orientierungspunkt dienen. „Huhn mit Pflaumen“ ist aber nicht nur optisch ein Leckerbissen, sondern überzeugt auch mit einer zeitlosen Geschichte, viel Herzschmerz und augenzwinkerndem Humor.

Mit „Huhn mit Pflaumen“ kommt der erste cineastische Höhepunkt des Jahres in die Kinos und die verzauberte Filmwelt zeigt uns einmal mehr, welch wunderbare Kraft die bewegten Bilder auf der Leinwand entfalten können. In der Tat eine Traumfabrik.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Huhn mit Pflaumen
OT: Poulet aux Prunes
Genre: Drama, Romanze
Länge: 91 Minuten, F/D, 2011
Regie: Marjane Satrapi, Vincent Paronnaud
vborlage: Gleichnamige Graphic Novel von Marjane Satrapi
Darsteller:innen: Mathieu Amalric, Maria de Medeiros, Golshifteh Farahani
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Prokino /Eurovideo (später Leonine)
Kinostart: 05.01.2012
DVD-VÖ: 08.11.2012