Grantchester – Staffel 2: Grundsätze und Glaubensfragen

Die britische Retro-Krimiserie “Grantchester” scheint sich auch hierzulande wachsender Beliebtheit zu erfreuen. Gerade einmal ein halbes Jahr nach der ersten Staffel mit den kriminalistischen Ausflügen des Geistlichen Sidney Chambers erscheint nun schon die zweite Staffel für das Home-Entertainment. Das Erfolgsrezept der Serie nach Motiven und Geschichten von James Runcie bleibt sich treu, schafft es aber auch, neue Aspekte in die kurzweilige Serie einzuführen.

Bei Serienformaten ist es häufig so, dass die Charaktere zunächst etabliert werden müssen, bevor man beginnt, ihre Beziehung zueinander dynamischer zu gestalten. Auch im Serien-Personal von „Grantchester“ verändern sich die Verhältnisse der Figuren zueinander ziemlich dramatisch und sorgen so für mehr als nur einen episodenübergreifenden roten Faden.

Tatsächlich ist es vor allem die Dynamik in der Beziehung von Pfarrer Sidney Chambers (James Norton) zu seinem Freund Detective Inspector Gordie Keating (Robson Green), die die zweite Staffel der Krimis im ländlichen England der 1950er ausmacht.

Doch der Reihe nach. Eine erste Verortung der Auftaktstaffel der Krimi-Serie ist hier zu lesen. Notwendige Vorkenntnis für diese Staffel ist sie dank der abgeschossenen Episoden nicht. Gleichwohl gibt es wiederkehrende Motive und Personen. In der Auftaktfolge der zweiten „Grantchester“- Staffel, die im Original 2016 ausgestrahlt wurde, muss sich Sidney Chambers gegen schwere Anschuldigungen verteidigen. Ein junges Mädchen aus seiner Gemeinde beschuldigt den Geistlichen, sie missbraucht zu haben. Kurz darauf wird das Mädchen tot aufgefunden und Sidney hat alle Hände voll zu tun, seinen Ruf zu Retten. Vor allem, da er als quasi Verdächtiger seinem Freund Geordie bei den Ermittlungen kaum helfen darf.

Neu ist in der zweiten Staffel von „Grantchester“ auch, dass die Folgen der Ereignisse und Ermittlungen des ersten Falles sich als Handlungsmotive durch die gesamte Staffel ziehen. Da haben nicht nur Geordie und Sidney ihre moralischen Differenzen, auch der homosexuelle Vikar Leonard (Al Weaver) bekommt einige verwirrende Impulse.

Selbstredend spielt im Leben des begehrten geistlichen Junggesellen auch die Damenwelt in und um das Örtchen Grantchester eine Rolle. Geordie hat sich in den Kopf gesetzt, für Sidney eine Frau zu finden. Da bietet sich die Polizei-Sekretärin Margret (Seline Hizli) doch direkt mal selbst an. Doch auch Sidneys Freundin Amanda taucht wieder auf. Vernachlässigt in ihrer standesgemäßen Ehe, sucht sie die Nähe ihres Freundes. Das wird nicht nur von ihrem Gatten mit Argusaugen verfolgt, sondern auch von Missis Maguire (Tessa Peake-Jones).

Das in der Grafschaft Cambridgeshire gelegene Örtchen Grantchester ist vom Autor James Runcie bewusst dort verortet, wo sich eine Nähe zur Universitätsstadt Cambridge finden lässt und damit eine geistige Nähe zu den klassischen Oxford-Ermittlern aus der Feder des Krimiautoren Sir Colin Dexter, aus dessen Feder die Fälle von Inspector Morse stammen, dessen TV-Nachfolge zunächst „Lewis – Der Oxford-Krimi“ und dann „Endeavour – Der junge Inspector Morse“ angetreten haben. Sicher in ein Kleriker mit kriminalistischem Spürsinn auch immer ein Geistesverwandter zu G. K. Chestertons „Pater Brown“, aber das führt nun alles zu weit.

Insgesamt ist die kriminalistische Ausprägung der zweiten „Grantchester“-Staffel etwas schwächer als die vorausgegangenen Staffel. Das mag daran liegen, dass vor allem in den ersten Folgen die großen Themen aufgerufen werden und in der Kürze der Serienepisoden nicht ansprechend vertieft werden. So entsteht der Eindruck einer recht modernen Schilderung der moralischen Eckdaten der spießigen Fünfziger. Auch scheinen die Spionage-Verwicklungen des zweiten Falls ein wenig abstrus und überambitioniert.

Wer dem Retro-Charme der britischen Krimi-Serie bereits in der ersten Staffel erlegen ist, den erwartet eine würdige Weiterführung. Wer die Bekanntschaft des ermittelnden Pastors bislang noch nicht gemacht hat, darf sich auf eine historische Krimiserie freuen, die gut ausgestattet und großartig besetzt ist. Zwar hat es das ungleiche Ermittler-Duo mit düsteren Fällen zu tun, aber das Format kommt ohne reißerische und blutige Inszenierung aus.

Serien-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Grantchester – Staffel 2
OT: Grantchester Season 2, UK, 2016
Genre: Krimi, TV-Serie
Länge: ca 270 Minuten (6 x 45 Minuten)
Serienidee: Daisy Coulam
Vorlage: Kurzgeschichtensammlung „SidneyChambers and the Perils of the Night“ by James Runcie
Regie: Tim Fywell, David O’Neill, Edward Bennett
Darsteller: James Norton, Morven Christie, Tessa Peake-Jones, Robson Green
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion
DVD-VÖ: 19.09.2019

Copyright der Bilder: Edel Motion, Kudos for ITV