Der Esel hieß Geronimo: Weg von der Insel

Beinahe traumhaft versponnen nähert sich die essayistische Doku „Der Esel hieß Geronimo“ einer kleinen Inselgruppe, die zum Sehnsuchtsort für eine Gruppe von Freunden geworden war. Man möchte meinen, da klopft das Fernweh an, wenn es um vermeintliche Paradiese und Utopias geht, aber weit gefehlt: Die Ochseninseln, um die es in der Doku geht, liegen in der Flensburger Förde und schlicht in der Ostsee. Doch wie schon die Deutschrocker Ton Steine Scherben einst sangen: „Der Traum ist aus“.

Der Off-Erzähler erzählt vom Traum, auf einer einsamen Insel zu leben, während sich die Kamera den Weg durch ein grünes Dickicht bahnt und dabei die Perspektive eines Suchenden, eines Forschers einnimmt. Doch dann wird klar, dass es in „der Esel hieß Geronimo“ nicht um tropische Eilande und ein sorgenfreies Leben geht, sondern um einen alternativen Lebensentwurf.

Allerdings – und das ist das große Manko der rund 80miütigen Doku – es geht den Filmemachern eher um eine diffuse Stimmung als darum, die harten Fakten einer alternativen Existenz auszuloten. Dabei haben die Ko-Regisseure Bigna Tomschin & Arjun Talwar ihre Protagonisten eher zufällig getroffen. Nach dem Filmmaterial zu urteilen auch erst nachdem deren Lebens- und Wohnprojekt in die Brüche gegangen war und sich die ehemaligen Freunde ganz gehörig zerstritten haben.

Nun hängen die ehemaligen „Insulaner“ gefangen in ihren rostigen Kähnen im Hafen fest wie die stinkenden Landratten, die der betrunkene Hans Albers in „Große Freiheit Nr. 7“ mahnend heraufbeschwört. Noch immer hängt der Frust des Scheiterns in der Luft, lähmt die Protagonisten, verhindert Neuanfang und Aufarbeitung. Wie auf einem herumdümpelnden Geisterschiff warten die ehemaligen Pächter der Ochseninseln auf die Geisterstunde, um bei fauchenden Petroleumlampen und dem nächsten Humpen Bier noch einmal das Seemannsgarn von früher zu spinnen.

Nur kommt dabei für den Zuschauer wenig anderes herum als nöhligen alten Kerlen dabei zuzusehen, wie sie abhängen. Einzig Bimsara, der als Gasto-Arbeiter auf den Ochseninseln gestrandet war und noch immer in der Fördestadt aushält, scheint sein Leben aktiv in die Hand zu nehmen. Er, der nicht als Initiator an dem Projekt beteiligt war, hat auch keine Vision verloren. Er arbeitet als Koch und irgendwann im Laufe des Films packt er seine Sachen. Es wird Zeit, weiterzuziehen.

Absurderweise liefert der Film absolut keine Fakten, kaum etwas Fassbares und außer einer derben Karte der Flensburger Förde, in der die Ochseninseln eingezeichnet sind, gibt es keine Eckpunkte, keine Fakten, keine Fixpunkte. Alles erschließt sich – oder eben nicht – aus dem Seemannsgarn der Beteiligten. So tun die Regisseure alles, um eine zeitlose Fabel zu schaffen, arbeiten mit antik anmutenden Fernglas-Tricks und verschwommenen Hafenkonturen, um jede Orientierung im Nebel unmöglich zu machen. Nur ist das nicht wirklich fesselnd und hätte auch direkt für einen Kurzfilm gereicht.

Dass ein finaler Trip auf besagtes Eiland dann tatsächlich noch stattfindet, ist nicht einmal kathartisch, da auch hier nur eine oberflächliche Betrachtung erfolgt. Kein Bemühen um Tiefgang, in diesem Fall vielleicht sogar Zugang zu den Gebäuden und den Hinterlassenschaften. Wer nicht wie ich aus der Gegend stammt, eigenfüßig auf den Ochseninsel spazierte und noch Bezüge zur Rumstadt an der dänischen Grenze hat, kann wohl kaum etwas mit dem Filmmaterial anfangen und wird sich auch kaum die Mühe machen, Hintergründe selbst zu recherchieren.

Dabei liefern sogar die zitierten Zeitungsartikel im Wikipedia-Artikel über die dänischen Ochseninseln mehr Infos über das gescheiterte Projekt als diese Doku. Die Lähmung des Scheiterns freilich fängt die Doku besser ein und irgendwie fühlt man sich an die absurde Suche nach jenem legendären Colonel Kurtz erinnert und gerät selbst in einen weniger spektakulären aber ebenso finsteren Strudel wie auf dem Weg ins Herz der Finsternis.

Letztlich ist die Doku „Der Esel hieß Geronimo“ eher ein filmischer Essay-Versuch als eine Doku im engeren Sinne. Trotz eines interessanten Themas und einer starken Idee verspielt der Film zuviel Potential und plätschert vor sich hin wie die brackigen Wasser im Flensburger Hafen.

Film-Wertung: 4 out of 10 stars (4 / 10)

Der Esel Hieß Geronimo
Genre: Doku, Essay
Länge. 80 Minuten, D, 2018
Regie & Script: Bigna Tomschin & Arjun Talwar
Mitwirkende Bimsara Pasqual, Olaf Kienke, Lars Lieberich, Rüdiger Fleck, Tonco Sander
Vertrieb: GM Films, Lo-Fi Films,
Kinostart: 19.09.2019

Offizielle Film-Homepage

Ochseninseln bei Wikipedia