Grantchester – Staffel 1: Briefe aus der Kriminalprovinz

Herzlich willkommen, lieber Besucher unserer kleinen beschaulichen Ortschaft Grantchester. Wir hier in Cambridgeshire stehen schon beinahe traditionell im Schatten der nahegelegenen weltberühmten Universitätsstadt, aber unser beschaulicher Flecken hat auch so seine Sehenswürdigkeiten. Das glauben sie nicht? Besonders in den 1950er Jahren hat es unser Pfarrer Sidney Chambers hier in der Gegend zu einiger Berühmtheit gebracht; wenn auch nicht mit seinen Predigten. Aber kommen Sie, kommen Sie, dann will ich Ihnen von unserem Jazz liebenden Geistlichen erzählen.

Man war sich seinerzeit nicht ganz sicher, was den wirklich gutaussehenden Vikar Sidney Chambers in die Arme der Kirche getrieben hat? Eventuell haben die traumatisierenden Erlebnisse während des Zweiten Weltkrieges den Ausschlag gegeben, sich so intensiv dem Glauben zuzuwenden. Dabei hätte der gute Pfarrer seine großstädtische Freundin Amanda Hopkins wohl einfach mal zu fragen brauchen, ob sie Interesse hätte?

Nun, nicht jede Dame ist für das Leben als Pfarrersfrau geeignet. Und sie wissen ja, die Leute reden – gerade auf dem Lande. Dabei weiß nicht zuletzt des Pfarrers herzensgute Haushälterin Mrs. Maguire, man soll sich hüten, falsch Zeugnis abzulegen. Das macht so schnell die Runde wie des Pfarrers herumtollender Vierbeiner Dickens und schon ist der Ruf ruiniert.

So etwa auch bei der deutschen Witwe im Ort. Deren rothaarigem Charme konnte unser Pfarrer ja kaum standhalten. So kam es denn letzlich auch, dass unser kleines Städtchen weithin etwas bekannter wurde. Denn auf der Beerdigung des Gatten der Deutschen wurden Gerüchte laut, dieser sei wohl ermordet worden. Nun schlägt unserem Vikar Chambers die große Stunde. Wie weiland Father Brown –Gott hab ihn selig – wird der Pastor neugierig. Doch der erste Kontakt mit unserem hiesigen Kommissar Geordie Keating verläuft nicht gerade ermutigend. Und dennoch entwickelt Pastor Chambers ein gewisses Gespür dafür, wo vielleicht noch ein kriminalistisches Geheimnis zu lüften ist.

Um es kurz zu machen, der Kommissar und der Vikar werden gute Freunde je länger sie zusammen Verbrechen aufklären können. Und so kam unsere beschauliche Ortschaft auch auf die Landkarte jener Besucher und Touristen, die sich eher von abseitigeren und sündhafteren Attraktionen angezogen fühlen als den wunderbaren Auen und Wiesen entlang des Flusses Cam. Die eignen sich geradezu perfekt für sonntägliche Picknicks und Gänge mit dem Hund. Aber das kann den kriminalistischen Fachbesucher sicher kaum zum Verweilen und zum Müßiggang einladen. Entschleunigen nennt man das ja modernerweise nun, oder etwa nicht, my dear?

Nu je, ich weiß, warum Sie hier sind: Sie wollen mehr von diesen schändlichen Morden und hinterlistigen Totschlägen, wollen mehr von den Verwicklungen des Herzens, die unseren so edlen Pastor gelegentlich über Gebühr verwirren und womöglich wollen sie auch mehr von dieser rastlosen Jazz-Musik. Wahrscheinlich jener von Herr Bechet, der sich zwar vorne auch Sidney nennt, hinten aber etwas hochnäsig französisch betont zu werden wünscht. Kann ja keiner ahnen, dass das „Beschei“-mäßig ausgesprochen wird. Wie auch immer. Kommen Sie weiter.

Falls sie an meiner kleinen Führung durch die Gemeinde „Grantchester“ gefallen gefunden haben, kann ich Ihnen versichern, Sie haben mit den sechs kurzen Stationen, an denen wir jeweils nur eine Dreiviertel-Stunde verweilt haben, noch längst nicht alle Sehenswürdigkeiten unseres Dorfes gesehen. Eventuell ließe es sich ja einrichten, im Herbst noch einmal auf eine zweiten Runde vorbeizuschauen.

Wir könnten bis dahin sicher ein paar mörderisch schöne Ausflugsziele auftun, mein Freund. Mal ganz im Vertrauen gesagt: wir haben hier so einen kauzigen Herrn, der ist zwar in Cambridge geboren, gehört aber quasi ehrenhalber nach Grantchester. James Runcie heißt der alte Kamerad. Haben sie vielleicht schon mal gehört? Nicht? Na ja, macht nichts. Runcie-Boy jedenfall ist eigentlich der Auslöser dieser ganzen Besucherflut. Wenn ich mich richtig entsinne, hat er so kleine Schriften verfasst, in denen er die fünfziger Jahre in Grantchester und ihre damaligen Verbrechen festgehalten hat. Sollten Sie mal lesen, gibt es bestimmt auch in Ihrer Sprache.

So, machen Sie es gut. Ich muss mich nun leider verabschieden. Habe einen regelmäßigen Termin mit dem alten Röhrenfernseher. Die von ITV zeigen da regelmäßig so eine Krimi-Serie mit James Norton und Robson Green, die angeblich hier in der Gegend spielen soll. Ich sag mal so viel: Cambridge ist nicht Oxford und Morse und Lewis haben auch nicht jeden Tag nur Verbrecher gejagt, spielten aber irgendwie doch noch in einer anderen Liga. Na ja, „Grantchester“ ist mir dennoch ans Herz gewachsen. Ist aber ganz unterhaltsam, was die sich da so ausgedacht haben. Also, auf Wiedersehen. Beim nächsten Mal nehmen Sie sich aber auch Zeit für eine Runde im Pub. See you, old chap!

Serien_Wertung 7 out of 10 stars (7 / 10)

Grantchester – Staffel 1
OT: Grantchester Season 1, UK, 2014
Genre: Krimi, TV-Serie
Länge: ca 270 Minuten (6 x 45 Minuten)
Serienidee: Daisy Coulam
Vorlage: Kurzgeschichtensammlung „Sidney Chambers and the Shadow of Death“ by James Runcie
Regie: Harry Bradbeer, Jill Robertson, et al
Darsteller: James Norton, Morven Christie, Tessa Peake-Jones, Robson Green
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion
DVD-VÖ: 31.05.2019

Copyright der Bilder: Edel Motion, Kudos for ITV