Das Wunderbare an den ganzen modernen Comic-Verfilmungen ist, das sie die großen Geschichten, die Meilensteine und die herausragenden Künstler der neunten Kunst wieder ins rechte Licht rücken. So auch im Fall der neuen Mutantengeneration, die 20th Century Fox auf die Leinwand schicken wollte; dazu später mehr. Das für den Rezensenten Schlimme an der Wiederveröffentlichung eines Genre-Klassikers ist, erklären zu müssen, was damals revolutionär oder heraustragend war, heute – in der Nachschau – aber ganz normal aussieht. Gerade weil die früheren Meilensteine das Medium Comic und die Sehgewohnheiten nachhaltig umgekrempelt haben. Zuallererst ist „Höllenbiest“ aber eine großartige Geschichte.
An Charles X. Xaviers Institut für Übersinnlich Begabte hat sich ein neues Team junger Mutanten gebildet, die „New Mutants“, neben Danielle Moonstar alias Psyche, die mit ihrem indianischen Wurzeln Gedankenkräfte entfaltet, gehören noch Cannonball, Sunspot, Karma, Magma und Magik zum Team, das sich in dem Trainingsraum der X-Men vergnügt.
Während aus den Tiefen des Alls eine technoide Lebensform auf dem Weg zur Erde ist, wird Danielle Moonstar von einem dämonischen Bären heimgesucht. Das „Höllenbiest“ hat bereits ihre Eltern getötet und nun schickt sich das finstere Totemtier an, Danielle in die ewigen Jagdgründe zu befördern. Für das junge Team ist das eine echte Bewährungsprobe, vor allem weil Kampf auf den öden, tödlichen Ebenen des Geistes stattfindet.
Eigentlich sollte ich an dieser Stelle aufhören zu schreiben und jedem X-Men Fan nur noch raten, sich die großartige Story mit dem bahnbrechenden Artwork zuzulegen und so lange in den Seiten zu wühlen, bis es klickt. Manchmal dauert es eine Weile, bis man den Geistesblitz oder die Schönheit hinter dieser seinerzeit neuen Art und Weis des grafischen Erzählens erkennt. Dazu äußert sich auch Zeichner Bill Sienkiewicz in dem Youtube-Video.
Ich kann tatsächlich nicht sagen, ob die Geschichte hierzulande in den 1980ern schon mal veröffentlicht wurde, lange bevor Panini die Rechte für Marvel Comics übernommen hat, Fakt ist aber, dass der Storybogen „Höllenbiest“, der sich über diese vier US-Hefte erstreckt, bislang nicht in einem Sammelband erschienen ist, daher mag auch die Übersetzung von Marc-Oliver Frisch aktuell sein.
Anders als die Comic-Reihe seinerzeit, 1982 bei Marvel Comics, scheint die Verfilmung der Geschichte nicht gerade groß einzuschlagen. Die Einführung einer neuen Comic-Generation Mutanten aus dem „X-Men“-Umfeld wurde seinerzeit von den Lesern positiv aufgenommen und aus den New Mutants wurde dann später die X-Force, die das Marvel-Universum noch immer in wechselnder Besetzung aufmischt. Auf der Leinwand leiden die „New Mutants“ gerade darunter, dass Fox und Disney ihre Marvel-Filmrechte zusammenführen, weshalb die X-Men zwar auf absehbare Zeit noch lange nicht Teil des Marvel Cinematic Universe werden, die „New Mutants“ mit ihrem Debut beim großen Ball nun doch wieder um ein knappes Jahr verschoben wurden. Statt wie angekündigt 2019 zu laufen, wird’s nun doch April 2020.
Nach Aussage einiger Schauspieler sei das auch ganz gut, da noch erheblich nachgedreht werden solle und 2018 sei das nicht wie geplant passiert. Für mich als Filmkritiker hört sich „Nachdreh“ schon mal negativ an und das abgenudelte Sprichwort von den Brei verderbenden Köchen kommt mir in den Sinn. Aber sowohl die X-Men als auch die DC-Konkurrenz haben ja schon mal Filme „nachgebessert“. Nu je, Film ist Film und Comic ist Comic.
Das Artwork in „Höllenbiest“ ist zunächst verstörend und hebt sich ganz klar ab von den definierten, muskulösen Spandex-tragenden Superhelden der Zeit. Statt dessen Abstraktes, Verwischtes, eine Bedrohung die psychologisch quasi einen inneren Konflikt darstellt und das in einem Teenie-Comic. Angeblich soll Sienkiewicz seinen Stil radikal umgestellt haben. Das kann ich zwar nicht beurteilen, auffällig aber ist, dass das Artwork mit seinem Schraffuren, seinem Erzählfluss und seinen eher intuitiv zugänglichen Panels viel näher am Erwachsenen-Comic ist als an der jugendlichen Superhelden-Abteilung. Stilistische Ähnlichkeiten zeigen sich etwa zu dem „Hellblazer“-Zeichner William Simpson („Schlechte Gewohnheiten“) oder auch zu Howard Chaykins leicht anstößiger, jazziger Crime Noir-Story „Black Kiss“.
Man spürt förmlich die Energie hinter diesen Bildern. Bilder, die hinauswollen aus der Enge der Panelbegrenzung, der Seite, der Geschichte, des Heftes. „New Mutants: Höllenbiest“ ist auf jeden Fall eine der Geburtsstunden des modernen Superhelden-Comics. Ein Moment , in dem aus Pulp, aus Billiger Unterhaltung, kraftvolle Kunst wird.
Comic-Wertung: (9 / 10)
New Mutants: Höllenbiest
OT: New Mutants (Vol. 1) 18-21, 1984, Marvel Comics,
Genre: Comic, Superhelden,
Autor: Chris Claremont
Zeichner: Bill Sienkiewicz
Farben: Glynis Wein
Übersetzung: Marc-Oliver Frisch
Verlag: Panini Comics,
VÖ: 11.06.2019
New Mutants: Höllenbiest bei Panini Comics
Copyright der Abbildungen bei Marvel Comics / Panini Comics