Hamilton – Staffel 1: Die Kosten der Ausbildung

Skandinavische Thrillerserien sind am späten Sonntagabend immer ein Quotengarant für das ZDF. Nachdem dort jüngst die von Jan Guillous schwedischen Agentenromanen der „Coq Rouge“-Serie inspirierte Spionage-Serie „Hamilton – Undercover in Stockholm“ ausgestrahlt wurde, hat Edel Motion die schwedisch-deutsch-litauische Koproduktion für das klassische Home-Entertainment auf DVD und Blu-ray veröffentlicht. Ein Blick in den Kalten Krieg 2.0.

Der norwegische Schauspieler Jakob Oftebro hat schon mehrfach Skandinavier anderer Herkunft dargestellt, etwa in dem dänischen Horror-Drama „When Animals Dream“ oder in der sehenswerten, aber in Dänemark komplett durchgefallenen Historienserie „1864“. Nun darf Oftebro an eine schwedische Thrillerinstitution heran: Agent Carl Hamilton. In „Hamilton – Undercover in Stockholm“ muss der Geheimagent einer islamischen Terrorzelle auf die Spur kommen, die in Stockholm Attentate plant und durchführt.

Die TV-Serie basiert lose auf den Romanen der „Coq Rouge“-Reihe des schwedischen Bestsellerautors Jan Guillou, der selbst eine Zeit lang Geheimagent war. Allerdings ist „Hamilton“ eine Originalstory für das TV und Oftebro ist nicht der erste Film-Hamilton. Neben den schwedischen Schauspielinstitutionen Peter Stormare und Stellan Skarsgard musste zuletzt Mikael Persbrandt ran („Agent Hamilton“), um Schweden zu beschützen.

Ein moderner Geheimagent

In der Serie „Hamilton – Undercover in Stockholm“ taucht Carl Hamilton ansatzlos in Stockholm auf, macht eine vermeintliche Bombenlegerin unschädlich und wird dabei zufällig von der Polizistin Kristin Ek (Nina Zanjadi) beobachtet. Carl Hamilton wurde von den Schweden zur Ausbildung in die USA geschickt, um mit den Navy Seals zu trainieren. Doch das schwedische Programm wurde abgebrochen, Hamilton machte aus eigener Tasche weiter und verschwand anschließend spurlos.

Während Hamiltons eigentlicher Förderer, der Geheimdienstchef DG (Krister Hendrickson) den „verschollenen Sohn“ ansatzlos aber skeptisch wieder in schwedische Dienste nimmt, forscht Kristin Ek selbst nach, wer der Unbekannte ist, der den Tatort verlassen hat.

Hamilton wird im Zuge der Zusammenarbeit zur schwedischen Sicherheitspolizei, der SÄPO, versetzt und versucht dort dem IT-Spezialisten Birger Hartman (Jörgen Thorson) Infos zu entlocken. Die Mitglieder der Terrorzelle setzen sich nach Hamburg ab. Während Ek und Hamilton ihnen auf der Spur sind, werden die Terroristen von anderer Seite ausgeschaltet. Nicht nur Ek und DG vermuten, dass Carl Hamilton noch für eine dritte Partei aktiv ist. Für Hamilton wird es brenzlig.

Verjüngungskur für Schwedens James Bond

Rund sieben Stunden verfolgt das Publikum die moderne Spionage-Serie, die sich wendungsreich mit modernem Terrorismus und komplizierter Geheimdiensttätigkeit beschäftigt. An etlichen bildstarken Schauplätzen wird ein Szenario aufgebaut, das weit verzweigt vielschichtige Netzwerke und Bedrohungsszenarien thematisiert. Mitten hinein setzt sich ein junger Agenten, der gerade am Anfang seiner Karriere steht und selbst nicht immer den Durchblick hat.

Das erinnert im Ansatz schon ein bisschen an „Der junge Wallander“ oder auch „Der junge Inspektor Morse“. Allerdings ohne den nostalgischen Charme, denn „Hamilton –Undercover in Stockholm“ will explizit zeitgemäß, modern und aktuell sein. Bisweilen wirkt das auch ein bisschen plakativ, weil digitale Bedrohungen einfach auf dem Bildschirm nicht gut zu inszenieren sind. Aber das nur am Rande.

Die Optik der Serie ist ebenso stimmig wie die Besetzung. Jakob Oftebro kommt als wortkarger Geheimagent ganz glaubwürdig rüber. Auch seine verbissen agierende Partnerin beziehungsweise Nemesis Kristin Ek ist als Charakter stimmig angelegt. Schwer zu erkennen ist allerdings die persönliche und soziale Tiefe der Figuren, die von den Machern so betont wird. Sicher, Kristin Ek hat Eheprobleme, ist keine sonderlich fürsorgliche Mutter und hat eine lesbische Affäre. Carl Hamilton hat ein kindliches Trauma zu überwinden, eine demente Mutter zu pflegen, die ihn zu hassen scheint, und versucht eine Liebesbeziehung zu einer Schulfreundin zu pflegen.

Hamilton basiert nur lose auf den „Coq Rouge-Romanen von Jan Gillou“

Allerdings verkommen all diese Aspekte zur Staffage, da die Inszenierung keinerlei emotionale Bindung zu diesen Aspekten der Persönlichkeit aufbaut. Kristin Eks Gatte wird auf einem Anruf reduziert, der immer wieder unbeantwortet bleibt, Carls Mutter ist so abwesend, dass keine Mutter-Sohn-Beziehung vorhanden ist. Da die Serie aber derart handlungsgetrieben ist, kann das Publikum über diese Aspekte hinwegsehen.

Das wird bei Merkwürdigkeiten in der Kontinuität oder Plattheiten in den Dialogen schon schwieriger. Der Chef der SÄPO verkommt zu einer klischeehaften Nebenfigur, die einfach nur an der Falllösung interessiert ist. Die Terroristen können mit einer Fähre direkt vom Ostseehafen Trelleborg nach Hamburg an der Elbe fahren und die deutsche Polizei lässt die schwedischen Kollegen einfach so durch die Stadt ziehen, während eigentlich extra Meetings angesetzt sind.

Im einen Moment bemerkt Kristin Ek noch, dass sie Hamilton verfolgen will, im nächsten ist sie mit ihm gemeinsam unterwegs. Gelegentlich wirkt das Geschehen in „Hamilton – Undercover in Stockholm“ wenig sorgfältig zusammengeschustert. Da wird Informationstiefe dem Erzähltempo untergeordnet. Das ist legitim und kurzweilig, aber eben auch nicht das Niveau einer Spitzenserie.

„Hamilton – Undercover in Stockholm“ ist vor allem temporeich und handlungsgetrieben. Nicht alles wirkt grundsolide gescripted, nicht alle Figuren überzeugen, aber die Schauwerte und die Spannung stimmen. Dabei gehört die vom ZDF koproduzierte Spionageserie keineswegs in das beliebte Scandic Noir- Genre, sondern ist ein modern interpretierter Spionage-Thriller.

Serien-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Hamilton – Undercover in Stockholm Staffel 1

OT: Hamilton (S1)
Länge:433 Minuten, D/S/LT, 2020
Regie: Lisa Farzaneh, Per Hanefjord, et al.
Literaturvorlage: „Coq Rouge“ Romanreihe von Jan Guillou
Darsteller: Jakob Oftebro, Annika Hallin, Krister Hendrikson, Nina Zanjani
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion, ZDF Enterprises
DVD- & BD-VÖ: 10.09.2021