Grantchester – Staffel 4: Profanes und Heiliges

Der Kirchengemeinde Grantchester stehen in der vierten Staffel der erfolgreichen britischen Krimi-Serie Veränderungen ins Haus. Der charmante Pastor Sidney Chambers nimmt seinen Abschied und hinterlässt auch bei der Polizei eine Lücke. Inspektor Geordie Keating muss zukünftig ohne seinen geistlichen Hilfspolizisten auskommen. Aber keine Bange, die Pfarrei bleibt nicht lange unbesetzt. Edel-Motion veröffentlicht die vierte Staffel von „Grantchester“, das bei Sat1 Gold im Free-TV ausgestrahlt wird, nun als DVD für das Home–Entertainment.

Das ärgerliche an der Serie nach Geschichten von James Runcie ist, dass sie so schnell vorbei ist. Nicht nur, sind die einzelnen Episoden mit 45 Minuten nicht gerade übermäßig lang, auch gibt es pro Staffel nur sechs Folgen. Die für den Sender ITV produzierte nostalgische Krimiserie geizt muss also die Episoden entsprechend gehaltvoll gestalten, was dazu führt, dass es mitunter ein wenig holterdipolter geht und sich Entwicklungen nur kurz ankündigen, bevor es dann auch schon passiert ist und Dinge geschehen sind.

In „Grantchester“, das in der Nähe zur Universitätsstadt Cambridge angesiedelt ist, geschieht mit schöner Regelmäßigkeit in jeder Folge ein Verbrechen, Serienfans wissen das. Serienfans wissen aber auch, dass die Morde und Ermittlungen längst nicht den gesamten Charme der Serie ausmachen, die Charaktere entwickeln sich im Lauf der einzelnen Staffeln und an deren Schicksalen Teilzunehmen ist eine mindestens ebenso große Freude wie die oftmals kauzigen Kriminalfälle. Wer also ein bisschen besser in die Welt dieses fiktiven englischen Dorfes in den 1950er eintauchen will, mache sich mit den Vorstellungen der vorangegangenen Staffeln ans Werk. Angefangen von Staffel eins sind alle bisherigen „Grantchester“-Veröffentlichungen bei brutstatt.de vorgestellt worden.

In der Tradition detektivisch interessierter Geistlicher (wie etwa Pater Brown) hat auch der Jazz- liebende Pastor Sidney Chambers (James Norton) ein Gespür für Verbrechen und deren Aufklärung. Zwischen dem Pastor und dem örtlichen Inspektor Geordie Keationg („Robson Green) herrscht inzwischen eine tiefe Freundschaft. So dass es dem Polizisten nicht entgeht, wie unglücklich sein Freund ist. Der scheint sich mit geradezu halsbrecherischem Elan auf Verbrecherjagd zu machen und übertreibt es mit dem Alkohol, seit sich die On/Off-Beziehung zur verheirateten Amanda Hopkins scheinbar endgültig erledigt hat.

Doch auch in Good Ole England ändern sich die Zeiten wie nicht nur Zuschauer der empfehlenswerten Krimi-Serie „Der junge Inspektor Morse“ wissen. In „Grantchester“ schreibt man zu Beginn von Staffel 4 das Jahr 1956. Der Rock’n‘Roll hält Einzug in die Tanzsäle und die Jugendkultur entwickelt eigenwillige Strömungen – wie etwa die Teddy-Boys. Zudem werden soziale Missstände immer häufiger zum Thema.

In der Auftaktfolge lädt ein Universitätsprofessor den farbigen Prediger und Bürgerrechtler Nathaniel Todd aus den USA ein, der soll in der Kirche sprechen. Doch die Veranstaltung wird gestört und der Sohn des afroamerikanischen Geistlichen wird im Gewirr ermordet. Während die Polizei nun um die Sicherheit der Amerikaner fürchtet, kommen sich Sidney und dessen Tochter Violett (Simona Brown) näher. Doch auch in einer weiteren Begegnung ist die Veranstaltung zukunftsweisend für die Serie Grantchester. Vikar Leonard (Al Weaver) trifft dort auf seinen ehemaligen Studienkollegen Will Davenport (Tom Brittney).

Während sich Sidney in seinem geistlichen Amt immer unwohler fühlt, trifft er in der zweiten Folge unerwartet auf Violet, die er bereits wieder in den USA wähnt. Dann wird eine Prostituierte tot aufgefunden und die noblen Herren des kleinen Örtchens treffen sich nicht nur auf dem Golfplatz. Während Geordie versucht, den Mord aufzuklären und der Hinterleute der Prostitution habhaft zu werden, kümmert sich Sindney seelsorgerisch um die jungen Frauen, die in einer schäbigen Unterkunft ihr Dasein fristen. Violet unterstützt den Geistlichen dabei und Sidney bemerkt, das er verliebt ist.

Grantchester braucht somit einen neuen Pastor. Während die Haushälterin (Tessa Peake-Jones) die seit ihrer Hochzeit nicht mehr Maguire sondern Chapman heißt, Vikar Leonard für den Job vorschlägt, hat der Diakon schon längst Will Davenport zum neuen Pastor in Grantchester bestellt. Das führt zu einigen Problemen wie auch der Umstand, dass Leonard es sich mit der Haushälterin verscherzt.

Der Neue, Will Davenport, fährt Motorrad und ist dem neumodischen Rock’n’Roll eher zugetan als beschaulicheren Klängen, zudem boxt der junge Geistliche und hat nicht vor für Inspektor Keating den Hilfssheriff zu spielen. Das Geordie in der Folge doch mal beim neuen Pastor anfragt, versteht sich von selbst.

Mit dem „Neuen“ entfernt sich die TV-Serie von Autorin Daisy Coulam nun endgültig von den literarischen Vorlagen. Das ist allerdings keineswegs von Nachteil, denn das Ermitteln turbulente Ermitteln geht weiter und in die Seriendynamik fließen neue Aspekte ein. Für Will wird es in dieser Staffel ganz schnell auch persönlich und er braucht Geordies Unterstützung. Spannend ist auch, wie der neue Pastor seine Wut auf die Gesellschaft, Ungerechtigkeit und Missstände zu kontrollieren versucht. Dieses impulsive Moment tut der Serie gut und wie es scheint, kommt der Inspektor auch mit dem Neuen gut klar.

Nachdem die dritte Staffel mit James Norton zu Hochform aufgelaufen war, wird es nun wieder etwas bodenständiger. Gerade der Ausstieg des beliebten Pastors kommt storytechnisch und seriendynamisch doch etwas arg überraschend. Hals über Kopf taucht da eine neue Liebe auf und nun funktioniert, was drei Staffeln lang nicht machbar war, den Talar an den Nagel zu hängen.

Wie auch immer, der neue ist ein würdiger Ersatz. In „Grantchester“ kann noch Einiges passieren, wenn sich die gesellschaftliche Veränderung weiter ihren Platz in der Serie sichert. Immerhin muss Geordie nun akzeptieren, dass seine Ehefrau arbeiten geht. Das hat auch seine Schattenseiten, aber in dieser Staffel der Krimi-Serie müssen sich etliche Charaktere mit veränderten Umständen zurechtfinden. Gerade das macht den Reiz eines lebendigen Serienformates auch aus.

Die vierte Staffel der Erfolgsserie „Grantchester“ bringt Veränderungen mit sich. Viele Umstellungen gelingen und insgesamt hält das Format seine Qualität. So fulminant wie in der vorangegangenen Saison wird es allerdings nicht. James Nortons Ausstieg ist etwas überhastet geraten, aber sein Nachfolger füllt die Lücke ambitioniert und charmant aus. „Grantchester“ hat – wie’s aussieht – ein neues Dream Team auf den Straßen: Robson Green und Tom Brittney.

Serien-Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

Grantchester – Staffel 4
OT: Grantchester Season 4, UK, 2019
Genre: Krimi, TV-Serie
Länge: ca 270 Minuten (6 x 45 Minuten), + Bonusmaterial
Idee: Daisy Coulam
Vorlage: „Sidney Chambers” Erzählungen von James Runcie (Deutsch seit 2017 im Atlantik Verlag erschienen)
Regie: Tim Fywell, Stewart Svaarsabnd, Rob Evans
Darsteller: James Norton, Tessa Peake-Jones, Robson Green, Al Weaver, tom Brittney
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion
DVD-VÖ: 14.05.2020