Auf den Fantasy Filmfest 2019 feierte der opulente Animations-Knaller aus China seine Deutschlandpremiere. Die Geschichte greift zurück auf den reichhaltigen Fundus historischer Sagen aus dem Reich der Mitte. „White Snake“ ist ausdrücklich als Zeichentrickfilm für Erwachsene angelegt und betört vor allem mit einer aufwändigen Produktion. Nun erscheint das Fantasy-Spektakel bei Eurovideo auf DVD und Blu-Ray für das Home-Entertainment.
Die Ereignisse von „White Snake“ tragen sich, eingebettet in eine Rahmenhandlung, zur Zeit der Tang-Dynastie zu. Zwischen 617 bis 907 nach Christi. In dieser Zeit ist Magie noch etwas Alltägliches. Ein machthungriger General hat sich mit bösen Kräften eingelassen. Um seine Magie zu stärken hat er ganze Dörfer dazu gepresst, Schlagen zu fangen. Denn diese sind magische Wesen. Nun schickt die Herrin der Schlangen eine Kämpferin in Menschengestalt, die mit Hilfe einer magischen Haarnadel aus Jade den General töten soll.
Doch der Anschlag misslingt und Blanca, die menschgewordene Schlange, wacht ohne Erinnerung ausgerechnet in einem Dorf der Schlangenfänger auf. Glücklicherweise hat Ah Xuan die Fremde gefunden. Der junge Mann taugt wenig zum Tierfänger und erfindet lieber Dinge oder lernt etwas über die Sternbilder.
Allgegenwärtige Magie
Der General schickt seinen Handlanger um die mächtige Attentäterin zu fangen. Eine Schlange solcher Macht würde seine Position ein für alle Mal festigen. Die Schlangen wittern derweil Verrat von Blanka und gewähren ihrer Schwester, der grünen Schlange, eine Galgenfrist, um ihre weiße Schwester zurückzuholen.
Die Story des Animationsfilms „White Snake“, den man ruhig auch „Die weiße Schlange“ hätte betiteln können, ist ebenso schlicht wie verworren. Schlicht, was die Grundhandlung angeht, verworren, was den mystischen und kulturellen Hintergrund angeht.
Da wird aus einem sagenhaften Figurenschatz geschöpft, der sich dem westlichen Zuschauer ohne Vorbildung nur bedingt erschließt. Das kommt auch bei japanischen Fantasy-Werken vor. Rühmliches Gegenbeispiel ist der Fantasy-Krimi „Detective Dee und das Geheimnis der Phantomflammen“. Auch hier fehlen gelegentlich kulturelle Bezüge, aber die mysteriöse Geschichte funktioniert spannend und exotisch zugleich.
Aber zurück zu „White Snake“: ähnlich wie in „Bigfish und Begonia“, der 2019 als Event-Movie in die Kinos kam sind die Bezüge der Figuren ebenso verwirrend wie verworren und man kann sich des Gefühls nicht erwehren, der Großteil des Budgets sei in die Schauwerte geflossen. Die grundsätzliche Love Story zwischen einem Zauberwesen und einem Menschen funktioniert kulturübergreifend und ihre idealisierte Überhöhung ist ein Kunstgriff, der der großen Leinwand angemessen ist. Ein (tierischer) Side-Kick, in diesem Fall ein sprechender Hund, kommt immer wieder zum Einsatz um zwischendurch humoristische Erleichterung (comic relief) zu besorgen.
Östlicher Figurenschatz und westliche Verwirrung
In diesem Falls wirkt aber gerade die Optik des Hundes kontraproduktiv, denn so filigran und realistisch die anderen Charaktere gezeichnet sind, so cartoonesque ist der Hund geworden, der ebenso gut aus „Pets“ (2018) stammen könnte. Einem früheren Film der noch jungen Produktionsfirma Lightchaser Animation Studios. Der Vorwurf einer eher schlichten Handlung und Figurenzeichnung lässt sich übrigens auf viele Realfilme mit Blockbuster-Ambitionen übertragen. Insofern sollte man das Thema nicht allzu hoch hängen. Passend dazu gibt es auch noch eine Szene nach dem Abspann, die zumindest andeutet, es könnte eine Fortsetzung geben.
Regisseur Ji Zhao erzählt im Q& A, das dem umfangreichen Bonusmaterial beigefügt ist, eigentlich gäbe es gar keinen chinesischen Animationsfilm. Dort würde man, anders als etwa in Japan, vor allem Kinderfilme drehen. Insofern hatte der Regisseur nie zu träumen gewagt, einmal Animationsabenteuer zu realisieren. Seine filmischen Sporen verdiente sich Ji Zhao als Editor, unter anderem bei der Neuverfilmung von „Karate Kid“ und „The Grandmaster“. Insofern ist vielleicht auch die Actionlastigkeit mit den Vorlieben des Regisseurs erklärbar.
Optisch hat „White Snake“ Einiges zu bieten. Angefangen mit Landschaften und Hintergründen die historisch recherchiert wurden und von betörender Schönheit sind, über die lebensechte Charakter-und Bewegungs-Animation nach real gefilmten Vorbildern bis hin zu wunderbar fantastischen Special Effects und fantastischen Fabelwesen.
Das alles ist so bärenstark und in seiner Farbigkeit und seinem Schillern derart wunderschön, dass man darüber auch die turbulenten Action-Sequenzen in Kauf nimmt, die zwar gut choreografiert sind, dem Film aber eine Adrenalin-Dosis bescheren, die die Schlangen überhaupt nicht abbauen können.
Hätte man die Action reduziert und stärker auf die Liebesgeschichte gesetzt, das filmische Ergebnis hätte deutlich an Emotion und Tiefe gewonnen. Den fantastischen Bildwelten wäre das zu Gute gekommen. So bleibt der erfolgreichste chinesische Animationsfilm aller Zeiten ein Schaulaufen,das vor allem die Grenzen des Technisch Machbaren ausloten. Imposant, beeindruckend und sehenswert ist das aber allemal.
Film-Wertung: (7 / 10)
White Snake
OT: Baishe: Yuanki
Genre: Animation, Fantasy,
Länge: 98 Minuten, CH/USA, 2019
Regie: Ji Zhao, Amp Wong
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Eurovideo
DVD- & BD-BÖ: 19.05.2020