Krimis mit Detektivinnen sind nach wie vor Ausnahmeerscheinungen, im Comic ohnehin. Als der französische Zeichner André Taymans seine moderne Heldin Caroline Baldwin erfand, geschah das zwar eher zufällig, wusste aber zu gefallen und gilt heute in der franko-belgischen Comic-Szene als Klassiker der Ligne claire. In diesem Jahr wird Caroline 25 und der Comic-Verlag „Schreiber & Leser“ hat die charmante Detektivin für den deutschen Markt reaktiviert. Der 17. Band der Reihe, „Narco-Tango“, ist auch für die Heldin so etwas wie ein Neuanfang und ein guter Einstieg in die Reihe. Wenn Chemiker verschwinden, können auch mal Drogen im Spiel sein.
In der kanadischen Metropole in der Provinz Quebec ist einem Pharmakonzern ein führenden Wissenschaftler verlustig gegangen. Caroline Baldwin, ihres Zeichens Detektivin, soll Juan Zalamea aufspüren, denn sein Arbeitgeber vermutet, Zalameda könnte mit Betriebsgeheimnissen zur Konkurrenz abgewandert sein.
Ihrer frechen Art entsprechend, fragt Caroline Baldwin dort einfach mal direkt nach, kommt aber nicht weit. Da scheint die Spur schon zielführender, dass der Forscher begeisterter Tango-Tänzer ist. Bei der Tangostunde trifft Caroline jedoch erst einmal auf einen alten Bekannten, mit dem sie die Schulbank gedrückt hat. Nun ist Victor Polizist bei der Drogenfahndung. Als Caroline kurz darauf den toten Wissenschaftler in dessen Wohnung findet, hat es der Pharmakonzern extrem eilig, die neugierige Detektivin loszuwerden.
Mit „nur“ 48 statt der gewohnten 64 Seiten langen Comic-Alben ist die Geschichte in „Narco –Tango“ eher knackig und auf den Punkt ausgefallen. Das hat sich historisch so entwickelt, mag aber auch daran liegen, dass die Geschichte ursprünglich für ein Filmprojekt mit seiner Detektivin gedacht war, aus dem dann aber doch nichts wurde. So jedenfalls äußert sich Autor und Zeichner André Taymans im Nachwort. Den deutschen Leser:innen wird das eventuell spanisch vorkommen, ist Caroline Baldwin hierzulande doch wenig bekannt.
Die kesse Detektivin, die in diesem Jahr ihren 25. Geburtstag feiert gilt in Belgien und Frankreich längst als Klassiker der Comic-Kunst. Das hat auch damit zu tun, dass Caroline absichtlich untypisch konzipiert wurde und in ihren jungen, frühen Jahren auch gegen das ein oder andere „Tabu“ verstoßen hat. Soll heißen, dass die Heldin häufig wechselnden Verehrern nicht abgeneigt ist – wie weiland der britische Top-Spion mit der Kennziffer 007. Aber dazu mehr in der Vorstellung des ersten Sammelbandes von „Caroline Baldwin“, der ebenfalls Anfang des Jahres bei Schreiber & Leser erschienen ist.
Zeichnerisch steht André Taymans mit der „Caroline Baldwin“-Reihe ganz in der franko-belgischen Tradition der klaren Linie, so wie „Tim und Struppi“-Erschaffer Hergé, „Nestor Burma“-Erneuerer Jaques Tardi, aber eigentlich auch „Asterix“-Vater Uderzo. Konturen und flächige Farben sind ja nun im Comic weit verbreitet. Allein an den drei Altmeistern und ihren Werken sehen die geneigten Comic-Leser:innen, dass innerhalb der „Ligne Claire“ durchaus stilistischer Spielraum ist.
Die Seitengestaltung ist bei „Caroline Baldwin“ eher statisch und sehr aufgeräumt. Aber Taymans arbeitet zumindest in den neueren Werken nach fünfjähriger Pause durchaus mit mehr Schraffuren und Effekten und sein Kolorist Wesel sorgt in „Narco Tango“ für filigran ausgeleuchteten Schattenwurf. Da kommt schon mehr Dynamik ins Spiel als in den frühen Zeichnungen von 1996. Dr klassische Look der klaren Linie bleibt aber selbstredend erhalten.
„Narco-Tango“ ist einerseits eine typische Story der Reihe, weil Caroline sehr eigene Ermittlungsmethoden hat, wirkt andererseits aber auch moderner, vielleicht emanzipierter, weil weniger unmotivierte Barbusigkeit gezeigt wird und stattdessen deutlich mehr thrillerartige Spannungssequenzen. Dem Album kommt das nur zugute; und ist nicht der Tango an sich schon zelebrierte Verführung? Hinzu kommt ein ziemlich aktuelles, vielschichtiges Thema.
Caroline Baldwin war eine Weile vom der deutschen Comic-Bühne verschwunden, starte nun aber bei Schreiber & Leser erneut durch. Anders als die Stories im ersten Sammelband ist Band 17 eine deutsche Erstveröffentlichung, die das bebilderte Krimi-Genre belebt und um eine charmante Sommersprosse bereichert. Willkommen zurück, Caroline.
Comic-Wertung: (7,5 / 10)
Caroline Baldwin – Band 17: Narco-Tango
OT: Caroline Baldwin 17 – Narco-Tango, Edition Paquet, 2017
Genre: Comic, Krimi,
Autor & Zeichner: André Taymans
Kolorist: Thierry Wesel
Übersetzung: Harald Sachse, Omür Gül,
ISBN: 978-3965820548
Verlag: Schreiber & Leser, Hardcover, 48 Seiten
VÖ: 02.02.2021
Andrè Taymans Webseite (französisch)