In den vergangenen Jahren hat sich Marvels eigenwilliger Anti-Held „Moon Knight“ zu einem Geheimtipp für etwas abseitigere aber niveauvolle Superhelden-Comics herauskristallisiert. Der von dem ägyptischen Mondgott Konshu besessene Beschützer all jener Reisenden der Nacht wurde vor allem durch innovatives Storytelling und entsprechend experimentelles Artwork zu einer herausragenden Serie. Nun tritt auch „Moon Knight“ in die Marvel Legacy“-Phase ein und Autor Max Bemis und Zeichner Jacen Burrows setzen mit einem neuen Storyauftakt dort an, wo Jeff Lemire die Figur hingeführt hat: In die Weiten einer multiplen Persönlichkeit.
Die Psychologin Doktor Emmet, die auch Marc Spector wegen seiner dissoziativen Persönlichkeitsstörung behandelte, arbeitet nun in der Ravencroft Heilanstalt. Einer ihrer Patienten ist ein Pyromane und ein traumatisierter Ex-Soldat. Nach der Erfahrung, die Dr. Emmet mit Marc Spector machte, schlägt sie dem Patienten vor, er solle seine Störung doch auch auf eine Gottheit projizieren. Spetor hatte seine Probleme nach Ansicht der Psychologin in den Griff bekommen, indem er sich eines einigenden Elementes bediente. Durch die Personifizierung in Gestalt des altägyptischen Mondgottes gelang es Spector, seine unterschiedlichen Persönlichkeiten derart zu kontrollieren, dass er im „gesellschaftlichen Sinne zu funktionieren“ scheint.
Doch Dr. Emmet ahnt nicht, was sie entfesselt, denn der pyromanische Patient entpuppt sich als Inkarnation des altägyptischen Sonnengottes Ra und damit als schlimmster Widersacher seines Gott-Sohnes Konshu. Sobald der Psychopath seine Kräfte entfesselt hat, macht er sich auf die Suche nach Mark Spector alias Moon Knight. Das Aufeinanderprallen der alten Gottheiten verspricht ebenso drastisch zu werden wie der interne Widerstreit von Spektors anderen Persönlichkeiten Steven Grant und Jake Lockley, denn nicht alle von Spektors Persönlichkeiten wissen auch, was die anderen tun oder getan haben. Angesichts eines übermächtigen Feuer- und Lichtgottes ist es vielleicht an der Zeit, jemand anderem die Kontrolle über Moon Knight zu überlassen als Marc Spector…
Wie bei allen Geschichten, die in der „Marvel Legacy“-Phase beginnen, hat der Autor Robbie Thompson eine extrakurze Origin-Story des jeweiligen Helden beigesteuert, damit neue Leser auch wissen, was Sache ist. Bei Moon Knight fallt das ein bisschen „Indiana Jones“-mäßig aus. Anschließend übernimmt das Kreativ-Team aus Max Remis (Autor) und Jacen Burrows (Zeichner) das Heft.
Zeichner Jacen Burrows („Providence“) hat ein Händchen für Horrorstoffe und hat auch mit dem Altmeister des diabolischen Comics, Garth Ennis, zusammen an „Die Chroniken von Wormwood“ gearbeitet. Stilistisch verzichtet Burrows zumeist auf übertriebenes Actiongehabe und auffällige Effekte, sondern konzentriert sich bei „Moon Knight“ darauf, in bester Horror und Psychothriller-Manier das Grauen in den Alltag kriechen zu lassen. Bisweilen konnte man das oberflächlich für stilistisch etwas hölzern halten, aber die Zeichungen, das Artwork und die ruhige unaufgeregte Farbgebung von Mat Lopes haben schon eine Faszination, die fast an Understatement grenzt.
Die Story von Max Bemis, der vor allem als Sänger von Say Anything bekannt ist, hält sich ziemlich an die Sorte Psychospielchen, die Jeff Lemire vormals etwas zu stark aufgedreht hat. Aber in allerbester Marvel-Manier bekommt der neue Bösewicht eine ähnliche Entstehungsgeschichte wie der Held und es geht recht derbe und nicht nur jugendfreundlich zur Sache. Ein gewisses Maß an Brutalität kann man der Geschichte nicht absprechen und auch das hat bei „Moon Knight“ Tradition, macht aber erzählerisch noch keine interessantere Geschichte.
Es verwundert eigentlich kaum, dass „Moon Knight: Der ewige Kampf“ meine zugegeben hohen Erwartungen nicht erfüllen kann. An den großartigen Run, den Warren Ellis und Declan Shelvey 2014 losgetreten haben, kommt „Der ewige Kampf“ längst nicht heran. Die Geschichte liefert solide, harte Psychothriller-Action und weiß in dem Genre zu unterhalten. Ein bisschen erinnert das an den alten Aerosmith-Song „Same Old Song And Dance“.
Comic-Wertung: (7 / 10)
Moon Knight 4 (2018) – Der ewige Kampf
OT: Moon Knight (2018) 188 – 193 Marvel Comics, 2018
Genre: Superhelden, Comic
Autor: Max Bemis
Zeichner: Jacen Burrows
Farben: Matt Lopes
Übersetzung: Bernd Kronsbein
Verlag: Panini Comics, Softcover, 148 Seiten
VÖ: 11.09.2018