Samavayo – Death.March.Melodies! (2024): Album Review

Die Berliner Stoner Rock Institution Samavayo veröffentlicht ihr Debutalbum “Death.March.Melodies!“ von 2005 runderneuert und remastert aktuell noch einmal beim freundlichen Kreuzberger Indielabel Noisolution. Das ist weit mehr als nur Fanservice im März 2024, weil der Tonträger seit Ewigkeiten nicht mehr zu kriegen war. „Death. March.Melodies!“ hat in seiner Härte, Intensität und Dringlichkeit in den letzten zwei Dekaden wenig eingebüßt. Freue sich, wer das Album bislang noch nicht kannte.

Schwierig, schwierig für den Rezensenten. Wiederauflage eines lange vergriffenen Klassikers. Was und für wen schreibst du denn da? Es sollte doch bereits genug Info vorhanden sein. Also Fan-Modus einschalten und einfach abfeiern. Bereits dem aktuelle Album von Samavayo, „Payan“, wurde bei brutstatt.de gehörig gehuldigt. Und auch „Death.March.Melodies!“ überzeugen auf ganzer Linie.

Tatsächlich hört sich das Album keineswegs an, als wäre es bereits fast 20 Jahre alt. Im Gegenteil mit dem irrwitzigen Punk Spirit und dem Uptempo-Ansatz im Stoner Rock haben Samavayo seinerzeit dafür gesorgt, dass die Songs den nagenden Zahn der Zeit überstehen. Das Remastern hat sicher geholfen, aber ich gehe (ungehört) davon aus, dass die Power auch auf dem Original Release zu spüren war. Sonst hätte das Fan-Genöhle nach einer Wiederauflage irgendwann nachgelassen.

Bandgeschichte und Debutalbum

Als Samavayo sich im Jahr 2000 im Berlin zusammentaten, waren sie zu viert. Neben der aktuellen (und gelichgebliebenen Besetzung mit den Gebrüdern Voland und Gitarrist Alavi) war noch Gitarrist Marco Wirth mit an Bord. Als Trio sind Samavayo erst nach „Soul Invictus“ unterwegs, weil Wirth 2013 ausstieg. Klanglich ist zwischen den alten und neuen Sachen durchaus ein Unterschied zu bemerken. Das bedeutet keinesfalls ein besser oder schlechter, nur anders. Von der Intensität Samavayos als Trio kann sich die geneigte Hörerschaft auf den Bühnen der Republik bei Gelegenheit selbst überzeugen. Die Band ist quasi ununterbrochen, oder auch: ist immer mal wieder auf Tour. Dates finden sich bei Bandcamp oder auf der Homepage.

„Death.March.Melodies!“: Sofern mensch in Deutschland aufgewachsen ist, kommt er oder sie nicht umhin eine gedankliche Brücke zu schlagen zu den Greultaten und Vernichtungslagern der Nazis. Und zu den Gesängen der Opfer. „Die Moorsoldaten“ sind zwar ein Arbeitslied der Inhaftierten, ebenso wie die Work Songs der afroamerikanischen Sklaven. Aber Todesmärsche gab auch in anderen Kulturen, Zeiten und politischen Zusammenhängen. Gesänge der Verdammten also.

Und dann wäre da noch die eigenwillige Schreibweise zu beachten. Kein zusammengesetztes Wort, sondern drei Einzelbegriffe. Während der oder die im Heavy Metal sozialisierte Musikfan mit solcherlei Wortklauberei um den grimmen Schnitter aufgewachsen ist, gehört das erst zugezogen in die Harcore Begrifflichkeit. „S.O.D.“ haben wohl ihren Anteil dran. Stoner und Psychedelic Rock hat mit Tod und Marschieren deutlich weniger am Hut.

Und doch haben sich „Samavayo“, was im Sanskrit ein Begriff für Einheit ist, dem so genannten Stoner Rock verschreiben. Auch schon auf dem Debut, für das sich die Band immerhin fünf Jahre Zeit nahm. Auf „Death.March.Melodies!“ sind neun Songs in 48 Minuten zu hören. Das Spektrum des Dargebotenen ist vielfältig, aber die Band hat bereits ihren eigenen Sound entwickelt. Der Gesang von Behrang Alavi ist markant, die Rhythmustruppe tight, als wäre sie zusammen aufgewachsen. Und die Gitarrenleads fliegen nur so durch die Luft wie in einem guten Western die Kugeln.

Stoner Punk Rock Super Highway

„Heavy Song“ eröffnet das Album mit einem verzerrt orientalischen Lick und einer kriechenden Spannung, die sich mit einem Knall entlädt, der sich gewaschen hat. Hier wird vom Start an aufs Gaspedal gedrückt. Augen auf beim Plattenkauf. Schwer und wuchtig wird der „Heavy Song“ zuende gerifft.

„Lovesick“ fegt in Hochgeschwindigkeits-Punk-Manier durch die Strophe, um dann zum Refrain hin kurz abzubremsen. Ist aber nur angetäuscht. Kein Wunder, dass der Song der Band seinerzeit In Berlin Radio Airplay verschaffte. Ich bin liebeskrank. Spätestes das wahnwitzige „Yi-Ha!“ hat mich vollends gerissen.

„Red End“ hat Ohrwurmcharakter. „Come Dance with Daddy“ mag eine zweideutige Anspielung sein, aber das ist der Rhythmus, bei dem ich mitmuss. Das Riff bohrt ins Gehirn und der Refrain ins Ohr. Was wohl auch daran liegt, dass ich mich an einen meiner ewigen Lieblingssongs erinnert fühle. „Punk Song“ von Black Rebel Motorcycle Club hat ne ähnlich knarzige Basslinie aufzubieten, ähnliche Songdynamik und besingt die „Süße Sensation des Rock and Roll“. Wahrscheinlich hatten die Jungs wie Samavayo einfach nix zu verlieren. Ich bin nach einem Drittel des Albums bereits verhaftet. Drei von Drei ist einfach eine irre Trefferquote, wenn es um Musik geht.

Das Schlagzeug von Stephan Voland eröffnet „Let ‚em c“ mit einer doomigen Wuchtigkeit, die dem Schlagwerker von „The Obsessed“ alle Ehre machen würde, Growls beseitigt dann alle Zweifel, dass es in metallische Sphären geht. Selbstredend ist der Teufel im Spiel. Mit 9 Minuten ist der Song schon arg lang, aber die Dringlichkeit des Musizierens lässt die Zeit schmelzen. Der Groovepart ab Minuten 7 funktioniert bei mir immer. Knaller.

„That Light“ (Akoustic Version) kommt dann daher wie Kyuss zu seligen “Sky Valley“-Zeiten. Erinnert sich jemand an den Nackenbrecher „Demon Cleaner“ und das vorgeschaltete akustische „Space Cadet“? There you go! Und quasi als Hochgeschwindigkeitsversion von Kyuss geht es beim dreiminütigen „Nutso“ weiter. Das ist schon sehr sehr einnehmend und macht erheblichen Spaß.

„Uneva“ ist dann eine elfminütige Hymne, die melodisch im Midtempobereich schwimmt, mit diversen Instrumentalparts aufwarten kann und zu rocken weiß. Es ist absolut stimmig wie sich der Song entwickelt. Möglicherweise hätte es keine fünf Minuten gebraucht, um die Energie runterzufahren und ausklingen zu lassen. Aber ich bin auch nur der Schreiberling.

Outro und Epilog

Irgendwie fühlt sich „Uneva“ aber auch nach Album-Rausschmeißer an. Die beiden folgenden Songs „Keep on Rolling“ und „Monster“ müssen also wieder auf Betriebstemperatur beschleunigen. „Keep on Rolling“ gelingt das mit schönem Mitsing-Refrain und rollendem Groove. Mir fehlt ein wenig die Wucht der vorangegangenen Nummern. Dennoch ein feiner Song.

„Monster“ startet mit Klavierintro und kommt dann mit ruppigem Riff und gutem Gitarrenlauf zu stoner rockiger Kraft. Mit dem Einsatz der erzählenden Lyrics wird das instrumentale Tempo gedrosselt um sich zum Refrain wieder zu steigern. Gleichfalls ein gelungener Song, aber erneut vermisse ich die Dringlichkeit des bisherigen Albums.

Möglicherweise hätte es bei der Wahrnehmung des Albums geholfen, die Reihenfolge gegen Ende zu ändern? Andererseits ist der Gig, der mit „Heavy Song“ beginnt und mit „Uneva“ endet, derart intensiv und wie aus einem Guß, dass es schön ist, darin keine Abfälle der Spannung zu haben. Insofern sollte die geneigte Hörerschaft die letzten beiden Songs vielleicht als Bonus verstehen, der ebenfalls derbe rockt.

Wenn ich nun die früheren Samavayo als Quartett vergleiche mit dem aktuellen Trio bemerke ich schon Unterschiede. Was seinerzeit an Punk Einflüssen da war ist inzwischen vielleicht einer folkloristischen Musikalität gewichten. Einem Besinnen auf die eigenen Einflüsse, die in jungen Jahren unter Trotz und Wut verborgen lagen. Das führt nicht dazu, dass Samavayo aktuell weniger heavy wären oder nicht bisweilen auf die Tube drücken könnten. Aber die Songs sind gereifter und filigraner geworden, ohne dabei den Spirit und das Genre abzuschenken. Mag sein, dass das mit der zweiten Gitarre eine Klangfarbe verloren ging, aber der Druck ist geblieben, die Band auch. Auf das Maximum reduziert, um mal eine Werbefloskel zu gebrauchen.

Ja, ich bin liebeskrank. von den ersten Takten an, hat mich der hochenergetische Ritt auf der verzerrten Gitarrenseite gepackt und zum so gar nicht altersgerechten Headbangen getrieben. Wer Samavayo bislang nur von den letzten – ebenfalls sehr zu empfehlenden – Tonträgern kannte, hat nun die Chance die ausgefeilten, zeitlosen Songs des Debuts neu zu erleben. Sound und Outfit wurden „tiefergelegt und aufgeporscht“ (Labelinfo), die Musik spricht für sich selbst. Samavayo haben längst den Status eines Insidertipps verlassen und gehören zu den Eckpfeilern der Szene. Und im kommenden Jahr ist dann Bandjubiläum, das hoffentlich mit neuen Songs gefeiert wird.

Album-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Samavayo: Death.March.Melodies!
Genre: Stoner, Heavy Rock
Länge: 48 Minuten, D, 2005/2024
Interpret: Samavayo
Label: Noisolution
Vertrieb: Edel
Format: Vinyl, Digital,
VÖ: 22.03.2024

Samavayo Webseite
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Samavayo bei Noisolution