Samavayo – Payan: Album Review

So wird nun also in schöner Eintracht das Ende gefeiert. Auf ihrer dritten Zusammenkunft als Trio rocken die Berliner Stoner Rock Urgesteine Samavayo, dass die Wüste bebt. Wie seit seligen Kyuss-Zeiten habe ich nicht mehr so unbeschwert die schütter werdenden Haare zu Heavy Fuzz Sounds kreisen lassen. „Payan“ so der Titel des insgesamt siebenten Samavayo Albums ist alles andere als das Ende, welches das persische Wort beschwört. Wobei die Zeiten echt mies sind und der Rezensent schon gelegentlich in Weltuntergangs-Blues ausbrechen könnte; umso tröstlicher, dass Samavayo nach eigener Aussage zu neuen Höhen gefunden haben.

Je länger Künstler im Geschäft sind, desto schwerer ist es über neues Output zu berichten. Was soll man (also ich) noch schreiben, was Fans nicht schon längst wissen und schon immer wussten? Wie eine Szene-Institution einer neuen Hörerschaft nahebringen, die bislang woanders zugehört hat? Ich gestehe, die Band ist bislang komplett an mir vorbeigegangen. Das mag daran liegen, dass ich im Jahr 2000 als Samavayo in Quartettform an den Start gingen, mit dem Thema Wüstenrock gerade durch war und musikalisch eher in Hardcore- und Grindcore-Gewässern gefischt habe und eher angetestet habe, was mir spontan oder second hand über den Weg lief.

Inzwischen kann ich mit den Lücken in meiner musikalischen Weltkarte leben. Das ist hier schließlich keine Leistungsschau, sondern artikulierte Freude. Terra incognita ist keine Bedrohung, sondern die immerwährende Chance auf Neuentdeckungen – wie Samavayo.

Wüstenrock der zweiten Welle

Tatsächlich fühlte ich mich auf der Stelle zu Hause als ich die Scheibe erstmals in den Player meines Autos schob. Etliche Revolutionen später kann ich nur bestätigen, dass „Payan“ eine echte Wuchtbrumme von einem harten Rockalbum ist, sofern die geneigte Hörerschaft auf tiefergestimmte und derb verzerrte Sounds steht. Und selbst wenn es Spötter und Ignoranten nie glauben wollen, es gibt (wie bei Bad Religion, Motörhead und den Ramones) Abwechslung innerhalb der Sounds und Songs.

„Payan“ ist ein großartiges, reifes Album geworden, dass die soundmäßigen Trademarks der Wüstenrock-Gemeinde immer noch zielsicher trifft, dabei aber klar und stark produziert ist und dem Bass berechtigter Weise viel Soundraum lässt. Dass die Gebrüder Voland, die seit 22 Jahren mit Gitarrist und Sänger Behrang Alavi musizieren, eine herausragende, traumhaft beatsichere Rhythmustruppe von internationalem Rang sind, muss hier doch nochmal betont werden.

Selbstredend sind wieder alle auf die Gitarre fixiert, das gehört zur musikalischen Definition von hartem Rock dazu, ist aber auch kein Problem, denn Saitenmeister Alavi beherrscht sein Metier und erweist sich des fliegenden Rhythmusteppichs mehr als würdig. Sofern ich das an dieser Stelle so formulieren darf, ohne wegen kultureller Aneignung als Rezensent wieder ausgeladen zu werden. Es gibt auch persische Texte, eine starke Coverversion und orientalische Melodien bei Samavayo.

Ohne mich nun über Gebühr mit den Texten auseinandergesetzt zu haben, merkt der lauschende Mensch schon, dass der Berliner Dreier keine apolitische Unterhaltungsmusik fabriziert, sondern durchaus Attitude und Stimme hat. Kein Wunder, immerhin ist Herr Alavi gebürtiger Iraner. Die Band sympathisierte in der Vergangenheit mit der Grünen Revolution und zeigt politisch immer wieder Gesicht. Also alles frisch in der Samavayo Kommune? Leider nicht ganz: die anstehende Tour mit Stoned Jesus musste aufgrund des Ukrainekriegs verschoben werden. Hoffentlich rettet die heutige Album-Veröffentlichung Behrang Alavi zumindest ein bisschen den Geburtstag.

Das Album „Payan“

Nun aber endlich zu „Payan“ (…und ja, ich weiß, dass da Striche über die a‘s gehören). Das siebente Album der 22jährigen Bandhistorie ist das dritte in Triobesetzung. Zuvor veröffentlichte die Band 2018 ihr Noisolution-Debüt „Vatan“. Vier Jahre also, um an den sieben Songs in 43 Minuten Spielzeit zu arbeiten. Im Studio hat die Band auch Besuch von diversen mitmusizierenden Freunden bekommen.

„Afghan Sky“ ist ein perfekter Opener. Schweres Geriffe mit psychedelischen Elementen im Gesang und dann einem angeschobenen Part, der die aufgestaute Wut kanalisiert. Der Gesang erinnerte mich kurz an die Berliner von Pothead auf ihrem ‚97 „Learn to Hypnotize“-Album, das ich sehr schätze. „Afghan Sky“ ist auch die erste Video-/Single-Auskoppelung gewesen und hat angesichts von Russlands aktuellem Angriffskrieg schon wieder eine abgefuckte Aktualität.

Weiter geht es mit dem straighten, flotten Rocker „Shot Shot Shot Shot“. Wer den Song hört, weiß warum es vier Schüsse sein müssen. Der Refrain setzt dann auf einen verlangsamten Gesang und sorgt für rhythmische Komplexität, ohne verkopft zu sein. Titelsong „Payan“ kommt dann erstmals mit persischen Lyrics daher, nach einem Gedicht von Hossein Alavi. Der Song baut um einen Akkord herum eine Soundwand auf, die proggig und etwas psychedelisch klingt. Der Refrain ist dann ein fetter Mitgröhler. Nicht nur „The Doors“ wissen wie ein Ende zu besingen ist.

Gipfelstürmer

„Transcend! Exceed“ wurde ebenfalls vorab ausgekoppelt, ist vielleicht die Nummer auf der Scheibe, die am ehesten zugänglich ist. Da schimmert in der Uptempo-Nummer auch ein bisschen Punk-Spirit mit Hang zur Melodie durch. Knackig und keinesfalls aus dem musikalischen Gesamtkonzept gefallen. „Prophecy“ ist dann mit knappen 9 Minuten das längste Stück auf dem Album. Ein ruhiger, getragener Anfang geht in sphärische Vocals über und Eruptionen bauen sich spannend auf. Abwechslungsreich und eingängig zugleich. Vielleicht eine meiner Lieblingsnummern auf dieser Scheibe ohne Ausfälle.

Wobei: „Talagh“! Die Coverversion eines mir unbekannten persischen „Pop?“-Songs von Googoosh und noch eine Lieblingsnummer. Erneut in Persisch gesungen und mit vielen ornamentalen orientalischen Melodie-Schnipseln. Es ist nur auf den ersten Eindruck erstaunlich, dass sich die Melodik so perfekt mit dem Stoner Rhythmus-Brett verträgt. Wer jemals die rockenden Tuareq (die sich selbst Kel Tamachek nennen) Tinariwen, Ali Farka Tures „Radio Mali“ oder Konsorten gehört hat, weiß, dass der Blues aus dieser Wüste kommt und mit schwebenden Melodien ein perfektes Match bildet. „Talagh“ ist ein Knaller, der unbedingt auf den Dancefloor der nächsten Alternative-Disco gehört.

Abschließend geht es mit einem feisten Riff auf „The Mission“. Ein Wechselbad aus Uptempo-Parts und langsamen Passagen macht zum album-Ende noch mal ordentlich mobil zweigt, wo Samavayo den groove holen. Mission erfüllt würde ich mal sagen.

Auch nach Jahrzehnten kann sich eine Band noch neu definieren. „Unser Sound war von Grund auf noch nie so klar wie auf diesem Album“, lässt sich das Trio zitieren. Wenn dann noch ein traumhaftes Zusammenspiel und eine druckvolle Produktion in eine zielstrebige musikalische Vision münden, kann eigentlich nur ein großartiges Album dabei herauskommen. Die Wüste lebt.

Album-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Samavayo: Payan
Genre: Stoner Rock, Psychedelic Rock,
Interpret: Samavayo
Label: Noisolution
Vertrieb: Edel
Album-VÖ: 25.03.2022

Webseite der Band

Samavayo bei noisolution

Bandcamp von samavayo

Samavayo bei Facebook