Deaf Wolf – Not Today, Satan: Album Review

Möglicherweise hat das Berliner Trio Deaf Wolf einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Nun ist das Album fertig und der Gehörnte mag seine Schulden einfordern wollen. Tut uns leid, keine Zeit. „Not today, Satan“ ist am 5. April 2024 im Selbstverlag mit solider DIY Attitüde erschienen und zelebriert melodischen Heavy Rock in all seiner Spielbreite. Das Debutalbum von Deaf Wolf ist und bleibt auch eins, aber ganz neu in der Szene ist die Band nicht, die als Deaf Flow startete. Kollege Höllenfürst, wir müssen unser Date vertagen, es gibt Musik zu hören. Heute nicht, Satan.

Schlagzeuger Alex, Bassist Hagen und Gitarrist Christian machen schon ziemlich lange zusammen Musik und mögen harten Rock und auch ein bisschen Punk’n’Roll. 2011 fand sich das Trio in Berlin zusammen, nannte sich fortan Deaf Flow und brachte 2012 in Eigenregie und Selbstvertrieb eine erste EP heraus. Bis zur Covid 19- Pandemie folgten weitere Tonträger und einige szeneinterne Achtungserfolge. Auch Gigs mit anderen Bands können Deaf Flow aka Deaf Wolf vorweisen.

Nach der Pandemie waren die drei Freunde irgendwie unzufrieden mit dem Bandnamen und benannten sich in Deaf Wolf um. Bei Wild at Heart TV gibt’s unter dem alten Bandnamen einen Gig mit Interview von 2022 zu sehen. Da sind bereits einige Songs vom neuen Album in frühen Versionen zu hören und im Q&A-Teil ist wird auch von Umbenennung gesprochen. Ansonsten sind Deaf Wolf demnächst auch auf Tour. Gegen Ende April 2024 sogar bei einem Gig mit Szene-Legende Samavayo, die ebenfalls gerade neu-aufgelegtes Material am Start haben.

Zurück zu dem gehörlosen Wolf. Soweit ich das mitbekommen habe, haben die Drei von Musik über Produktion, von Webseite, FB, Insta & Co bis hin zum Artwork, dem eigenen Label und dem Eigenvertrieb alles selbst in der Hand. Das ist aufwändig und aller Ehren wert. Dass die Band immer noch aktiv ist, zeugt von echter Hingabe, gesunder Einstellung zum Kommerz und Spaß an der Sache. Und den nehmen Deaf Wolf für sich in Anspruch.

„Devil in Disguise“

Auf dem Album „Not Today, Satan“ sind ein Dutzend Songs zu hören, die vor allem Spaß machen sollen und großteils im modernen Heavy Rock Bereich angesiedelt sind. Ich bin kein großer Freund davon immer mit ohnehin überkommenen Genrebegriffen herumzuschmeißen. Wer‘s braucht: Hörbar ist ein Faible für Mastodons jüngeren melodischen Sludge und die poppig groovige Queens of the Stone Age zur „Villains“-Phase. Aber das bleiben nur Anhaltspunkte für die Tauben, die diese Lieder hören.

„Not Today, Satan“ hat auch eine gesunde Portion musikalischen Humor zu bieten, das lässt sich schon auf dem Cover entdecken und spiegelt sich auch in der Musik. Wer sein Album mit einer Kuhglocke beginnt, kann eigentlich nicht mehr verlieren. Pretty fly, wer da was reinhört. Die Uptempo Punk-Hymne „Mad Wolf Fever“ gemahnt also nur im Titel an Ted Nugents Klassiker „Cat Scratch Fever“. Der hallige Effekt auf den Gesang, das hohe Tempo und die Beach Boys artigen Backing Vocals im Refrain geben dem Song einen punkigen Rock’n’Roll Touch, der sehr einnehmend ist.

Mit „Sulphur“ geht’s feist riffend und mit mächtig Druck weiter. Im Titel setzt der Deibel seine erste Duftmarke. Selbstredend darf die Floskel „Sold my Soul for Rock and Roll“ nicht fehlen und die Backing Vox haben wieder diese melodische Qualität. Frag mich nicht warum, aber der Song erinnert mich an sehr frühe Daily Thompson. Mit denen haben Deaf Flow immerhin auch mal die Bühne geteilt.

„I got myself a Megaphon. I got myself a holy Stone“

„Knüppel aus dem Sack“ hat dann wieder so ein markantes Riff, bei dem sich aber auch der Gedanke einstellt, das andernorts schon mal gehört zu haben. Wer kann heut noch Originalität für sich proklamieren? Der stampfende Rocker hat diese QotSA-Rhythmik im Moshpart und einen feinen Refrain. Keine Ahnung warum der Song einen deutschen Titel hat. (Möglicherweise als Wutbürger-Anspielung?) Ein Highlight der Platte.

Das erste Viertel des Albums rockt. „One“ nimmt dann etwas Tempo raus und zeigt, dass Deaf Wolf auch melodisch abliefern können. Da kommt die Hörerschaft fast in Tom Petty artige Classic Rock Gefilde. Die kurzen Twin-Gitarren-Läufe sind einnehmend, das Gitarren-Solo gefällt, aber etwas weniger Spielzeit hätte dem Song sicher nicht geschadet. „King Ghidora“ kommt etwas progiger rüber, hat viel mit doomigen Stoner Rock zu tun. Das ist schon beachtlich heavy und phatt gerifft, aber ehrlich gesagt, überzeugt mich das Growlen nicht. Das kommt etwas zu gewollt rüber und gehört nicht zu den Stärken der Band.

„See you in Hell“ hat dann wieder mehr Schmiss und wurde von Deaf Wolf als Video/Single ausgekoppelt. Die Rhythmik stampft wieder in wuchtiger Josh Homme Manier und ist einfach nur hinreißend straight und catchy.„Silence is Golden“ ist alles andere als still, sondern haut wuchtige Drumsounds raus, über die dann ein Gitarrenriff für Ordnung sorgt. Das erinnert an selige „The Almighty“ Zeiten, bis dann das Break mit dem Refrain ansetzt. Hört sich fast nach Theremin im Hintergrund an: dieses B-Movie Gesäusel, wenn UFOS ins Bild rutschen. Zwischen Jack Arnold Movie Sounds, Ed Wood Trash und Radioheads Elegien. Auf jeden Fall eine hinreißende Komposition mit vielen tollen Elementen ohne den Groove aus dem Ohren zu verlieren. Love it.

„The Sound of the Rain“

„Survivor“ hat einen Mastodon-Gig überlebt und wer das Riff mag, kommt auf seine Kosten. Der Gesang nun wieder taucht aus klassischen Achtziger Heavy Rock auf und sorgt für ganz andere Assoziationen. So auch das solo. Der Moshpart ist dann doch eher moderner. „Good Times“ hat dann wieder diesen hymnischen Powerpop Appeal, der sich nicht für harte Gitarrensounds schämt und das Motto des Trios so hinreißend umsetzt. Feiner unauferegter aber trefflicher Gesang und eine Ohrwurm-Hymne. So, meinetwegen wäre das Album hier stimmig und mitreißend zuende…

Es folgen noch drei Songs. Die sind auch gut, aber irgendwie außerhalb des bisherigen Deaf Wolf Sounds. „S.M.T.P:“ startet mit so bluesige Elemente und Shanty-Piraten-Chorus, dann wird Black Metal artig gerifft und wenig überzeugend gegrowlt bis sich ein ruhiges glockenspielartiges Zwischenspiel etabliert. Und wieder Growls und absurd gerufenen Beschwörungsformeln. Nu je.

Das „Beast in Me“ besteht zu einem Großteil aus Wolf; in verschiedenen Gemütslagen und Stimmungen, aber immer Wolf. Zumindest bis zum Aaa-Haaa enden Referain. Wieder hadere ich mit dem Growl und der sludigen, Black-Metal artigen Stonerrockigkeit. Aber wer’s mag wird sicher gut bedient.

„Dirty Looks come with Dirty Tricks“

„The End“ markiert dann den Album-Abschluss mit schleppendem Tempo und anfangs spärlicher Instrumentierung. Da hört man die zurückgelegte Marschstrecke raus und die Ermüdung dieser Strapaze, bis dann das Ziel am Horizont auftaucht. Das Tempo zieht an und es wird mehrstimmig hymnisch und auch ganz schön. Vom letzten Viertel definitiv mein Favorit, aber nicht unbedingt meine Art von Hymne.

Gegen Ende wird’s also etwas diffuser, aber „Not Today Satan“ überzeugt über weite Strecken der Spielzeit mit Frische, Druck und souveränem Zusammenspiel. Die Songs sind durchdacht und stark arrangiert und sorgen trotz gelegentlicher Assoziationen für einen bandeigen Sound. So geht das.

Taub wird vom Genuss des Albums „Not Today, Satan“ niemand. Das Berliner Trio, das bei beständiger Besetzung bis 2023 als Deaf Flow unterwegs war, hat ein Händchen für gute Songs und gute Melodien. Das rockt ziemlich heavy, groovt fast klassisch und gefällt sehr über weite Strecken des erstaunlich hoch fidel selbst produzierten Albums. Die Vorlieben und Einflüsse der Band sind klar zu erkennen und Hingabe und Energielevel stimmen. Einen Extrapunkt und Respekt gibt‘s für s Selbermachen. Nicht nur von einem werbewirksamen Heimwerkermarkt sondern auch von mir.

Album-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Deaf Wolf: Not today, Satan
Genre: Hard Rock, Heavy Rock
Länge: 52 Minuten, 12 Songs, d, 2024
Interpret: Deaf Wolf
Label: Deaf Wolf Records
Vertrieb: Selbstvertrieb
Format: CD, digital
VÖ: 05.04.2024

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