Die 2011 tragisch verstorbene Sängerin Amy Winehouse hat ein ebenso überschaubares wie einflussreiches musikalisches Werk hinterlassen. Nun kommt am 11. April 2024 ein Film in die Kinos, der eine bewegende Phase im Leben und der Karriere der Amy Winehouse nachzeichnet und der mehrfachen Grammy-Gewinnerin ein filmisches Denkmal setzt. In der Hauptrolle bezirzt mit schnodderigem Akzent und hinreißender Stimme Marisa Abela.
Amy Winehouse (Marisa Abela) wächst in einer Familie auf, die Musik zu schätzen weiß und dem klassischen Crooner-Jazz zugetan ist. Die Abende gemeinsamen Musikzierens bei Amys Vater Mitch (Eddie Marsan) und Tante Cynthia (Leslie Manville) finden regelmäßig ihren Höhepunkt, wenn Amy zu singen anfängt.
Die junge Frau arbeitet unaufhörlich an ihrer Karriere und nimmt 2002 ihr Debutalbum „Frank“ auf. Damit erreicht sie nationalen Erfolg und gelangt mit Album und diversen Singles in die englischen Top 10. Dann lernt die lebenslustige Amy im Pub den charmanten „Bad Boy“ Blake Fielder-Civil (Jack O’Connell) kennen und verliebt sich Hals über Kopf.
„I met him at the candy store
Doch die Beziehung hat auch etwas Toxisches. Blake lässt sich ungerne von Amy gängeln und für ihn gehören Drogen dazu um Spaß zu haben. Amy hingegen will davon nichts wissen, übertreibt es aber mit dem Alkohol. Als Blake wieder zu seiner Ex-Freundin geht, ist Amy am Boden zerstört. Sie verarbeitet ihre Trauer und ihr Leid in neue Songs.
Ihr Vater Mitch ist mit Amys Management zunehmend unzufrieden und nimmt die Belange seiner Tochter nun selbst in die Hand. Mit Produzent Mark Ronson nimmt Amy 2006 das Erfolgsalbum „Back to Black“ auf, das ein weltweiter Erfolg wird und der Musikerin seinerzeit den Rekord von fünf Grammys einbrachte. Mit dem Erfolg und der Popularität kommt auch Blake zurück.
He turned around and smiled at me
Okay, „Back to Black“ ist ein Unterhaltungsfilm, dessen Absicht es ist, einem möglichst zahlreichen Publikum einen Einblick zu vermitteln in das Leben, Lieben, Leiden und Singen einer Ikone der jüngeren Popkultur: Amy Winehouse. Ihre einzigartige Stimme bleiben ebenso unvergessen wie das herausragende Album „Back to Black“. Doch darum geht es bei diesem fiktionalen Porträt nur in nachgeordneter Hinsicht. Und das ist okay so.
Es gibt über Amy Winehouse diverse Bücher. Zu Lebzeiten gab es etliche Skandalgeschichten und nervenzersägenden Presserummel, der die „Soul Diva“ immer wieder extrem belastet hat. Es gibt die skandalträchtige Beziehung zu Blake, die mit ihrem Alkohol- und Drogen-Anteil mehr als nur eine tragische Soap Opera war und es gibt einen Konflikt um die Deutungshoheit über das Leben und die Karriere der Sängerin Amy Winehouse.
You get the picture „Yes, we see“
Das alles wird in dem populären Unterhaltungsformat „Back to Black“ weitgehend oberflächlich betrachtet, wenn überhaupt. Immerhin wird klar, dass Großmutter Cynthia ein maßgeblicher Stileinfluss war und die aufgetürmte Bienenstock-Frisur (Beehive) bei Amy ausprobierte. Auch eindeutig in seinem Urknall ist Blakes „Juke-Box Moment“ mit „Leader of the Pack“ von den Shangri-Las, der Amy den Soul im Pop aufzeigte. Ein Schelm, wer Böses dabei dabei denkt; und: Twisted Sister coverten den Song 1985 mit gehöriger, hard rockender Teenager Rebellion.
Noch dazu gibt es bereits das ausgesprochen umstrittene biografische Buch von Amys Vater Mitch, dessen Rolle in Amy Winehouses Karriere und Leben im Film zumindest recht konfliktscheu dargestellt wird. Und es gibt bereits die 2016 erschienenen und mit dem Oscar für den besten Dokumentarfilm ausgezeichneten Film „Amy“ von Filmmacher Asif Kapadia („Senna“). Der kompiliert im wesentlichen Archivmaterial und ist mir persönlich viel zu unreflektiert voyeuristisch, aber das ist und bleibt Ansichtssache.
That’s when I fell for the leader of the pack“
Folglich ist verloren, wer im Unterhaltungsmedium nach Wahrheit sucht. Das lässt sich für den jüngst erschienenen Musikfilm „Bob Marley: One Love“ ebenso feststellen wie für die launige Elton John Filmbiografie „Rocket Man“ und das überaus beliebte Queen BioPic „Bohemian Rhapsodie“. Allenfalls lässt sich eine künstlerische Wahrheit andeuten wie das in dem Miles Davis Spielfilm „Miles Ahead“ oder in der Kurt Cobain Annäherung „Last Days“ misslungen und in dem Chet Baker Film „Born to be Blue“ gelungen ist.
Was bleibt, sind grobe Eckdaten eines Schaffens und Lebens und möglichst lebendige Impressionen relevanter Situationen und Charakteristika der jeweiligen vorgestellten Kreativen. Es muss ja nicht so expressiv sein wie Kirk Douglas in „Van Gogh“. Insofern liegt Regisseurin Sam Taylor-Johnson mit ihrem Amy Winehouse Film „Back to Black“ unterhaltsam in der Komfortzone der Mainstream-Unterhaltung, so wie das auch der Taylor-Johnsons Lennon-Film „Nowhere Boy“ tat.
Und dennoch hat „Back to Black“ Etliches für sich, was den Film auch sehenswert macht. Zuallererst darf nicht vergessen werden, dass ein solcher Film das Interesse an der Musik und der Person wieder aufleben lässt. Das hat nicht nur kommerzielle Erwägungen, sondern mag die Strahlwirkung haben junge Menschen für bestimmte Musik zu begeistern. Das allein wäre den Gang ins Kino wert.
[„Leader of the Pack“ by The Shangri-Las]
Und dann wären da immer auch die Darbietungen der Musik, die ihren eigenen Charme haben. In „Back to Black“ singt Marisa Abela einen Großteil von Amy Winehouses Repertoire. Immer dann, wenn sie auch singend im Bild zu sehen ist. Sonst kommen die Originalsongs auch mal vom Band. Abela mag vielleicht nicht die beste Winehouse-Stimme haben, doch die Schauspielerin hat sich deren Charakter und Verletzlichkeit zu eigen gemacht. Dazu gehören auch Interpretationen der Songs. Was insofern einen stimmigen Ansatz hat, weil es gute alte Jazz-Tradition ist, populäre Songs auf eigene Weise zu covern.
Und für Menschen, die sich am Sound der Sprache erfreuen können, ist das hinreißende, bisweilen derbe Londoner Cockney ein eigener Rap, der keine Inhalte braucht. Aber ich freue mich auch an säuselndem Schwäbisch und nicht vorhandenen japanischer Sprachmelodie. Egal, zurück ins Schwarz.
„Back to Black“ ist ein Unterhaltungsfilm über die tragisch früh gestorbene Sängerin und Musikerin Amy Winehouse. Davon kann sich niemand kontroverses Filmemachen erwarten. Der Unterhaltunsfaktor ist hoch, sofern man mit dem Leben und Schaffen der Sängerin kaum vertraut ist, was für die avisierte junge Zielgruppe der Fall sein dürfte. Ältere Zuschauer:innen können sich an der Performance von Marisa Abela und dem Ensemble freuen.
Film-Wertung: (6 / 10)
Back to Black
OT: Back to Black
Genre: Filmbiographie, Musik
Länge: 122 Minuten, UK, 2024
Regie: Sam Taylor-Johnson
Darsteller:innen: Marisa Abela, Leslie Manville, Jack O‘Connell
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Studiocanal
Kinostart: 11.04.2024