The Sound of Cologne: Echt kölnisch Beat

Wo fangen wir denn an, die Musik zu fassen zu kriegen? Je nachdem aus welcher Klang-Ecke das geneigte Publikum kommt, liegt womöglich der Fokus der eigenen bildlichen Neugier. Sofern überhaupt eine Verbildlichung und Geschichte des eigenen Soundtracks gewünscht und gewürdigt wird. Vielen ist es ja egal, was da auf sie einklingt und woher das kommt. „The Sound of Cologne“ ist nicht weniger als eine Geschichte der elektronischen Musik. Maßgeblich dafür war und ist Köln als kultureller Standtort. In den Kinos ab 30. November 2023.

War der Klang zuerst oder der Westdeutsche Rundfunk? Seinerzeit noch Nordwestdeutscher Rundfunk. Jedenfalls war da dieser Klangtüftler und Komponist Herbert Eimert. Der hatte immerhin genug kreativen Freiraum um im Studio für Elektronische Musik des WDR einen Schüler von Olivier Messiaens aus der französischen Hauptstadt wegzulocken.

Von Karl-Heinz Stockhausen, der dann in Köln auch noch zu lehren anfing, wurden wiederum andere Musikbegeisterte angezogen, die an Sounds tüfteln und Klänge anders machen wollten. Aus Can nun wieder speist sich der Krautrock, dessen Hinterlassenschaft Jahrzehnte später direkt jener Szene zur Inspiration wird, die auf dem Tanzboden abfeiert und sich aneignet, was an Monotonie und Rhythmus aus den Underground-Clubs in London und Detroit klingt.

Funkhaus Wallrafplatz

Zugleich und parallel ist da aber immer noch dieser „ernsthafte Musikansatz“ der Neoklassik, die elektronische Klänge in die Kompositionen einbaut, oder sich ganz auf sie verlässt. Der Gegensatz zwischen E- und U-Musik ist ein vom Feuilleton und Bürgertum konstruierter. Komponisten und Musikern erschließt sich Klangraum anders und selten als Gefängnis. Eher immer als Weite, als Traum- und Fluchtraum. Ganz egal in welcher abstrusen Underground-Szene der Beat sich manifestiert.

Und wieder taucht die Metropole am Rhein, die ihr Stadtrecht von den Römern ableitet und im Mittelalter die größte deutsche Stadt war, als Taktgeber auf aus dem ewigen Fluten des germanischen Naturgottes Rhein. Mit Marschmusik allerdings haben 150 Schläge pro Minute nichts am Hut. Tendenz beschleunigend. Oder aber wieder ins Abstrakte. Spielarten der Tanzmusik im Extremen und im Feierbaren.

Gesang der Jünglinge

Und feiern können sie ja traditionell in Köln. Frage kommt auf, ob die Techno-Rivalität zwischen den Karnevalshochburgen Köln und Frankfurt sich aufgeschaukelt gegen die Beatbemühungen aus Hamburg und Berlin? Gleichmaßen gleichgültig da elektronische Tanzmusik so viel sein kann, Trance, House, Gabber, Rave oder dann doch wieder kompakt im minimalistisch stylischen Aufzug.

Regisseurin Kristina Schippling ist von Haus aus Professorin für Psychologie, Kunst und Co. in Regensburg und kommt gar nicht aus Köln. Allerdings ist Szenekenner, Filmproduzent und Kurator Michael P. Aust („Parallax Sounds Chicago“) bei Zusammenstellung, musikhistorischen Überblick und Kontakten mit Zeitzeugen und Musizierenden hilfreich zur Seite. Michael P. Aust hat dabei parallel auch sein eigenes Regiedebüt bearbeitet. Die hinreißende Musikdoku „Can and Me“, die bereits im Frühjahr 2023 in die Kinos kam.

Tanzboden der Jünglinge

Es tauchen in „The Sound of Cologne“ auch weitere, komponierende Austs auf, Rochus und Markus. Mutmaßlich handelt es sich um drei Geschwister, was aber von nebensächlichem Interesse ist. Wichtig ist Kenntnis und Beteiligung an der Kölner Elektronischen Musik. Und die ist vorhanden und das Sujet des sehenswerten Dokumentarfilms geht weit über „Can and Me“ hinaus. Schafft dabei aber auch keine derart starke Nähe zu den vorgestellten Personen, die auch gar nicht gewollt ist. Zusammen sind beide Filme gewissermaßen ein naheliegendes Double Feature im Lichtspielhaus eures Vertrauens, so es denn ein brauchbares Soundsystem hat.

Sicherlich liegt der Fokus in „The Sound of Cologne“ auf der Musik und dem Speziellen des Standortes, aber es gibt auch Bilder, Motive und Sequenzen, welche die Stadt als eigenständigen Organismus inszenieren. Das ist gleichermaßen gelungen, gerät bisweilen vielleicht etwas zu dezent in den Hintergrund.

„The Sound of Cologne“ geht dokumentarisch und filmisch wenig Risiken ein. Um der Musik, den Künstlern, der Stadt und der Geschichte gerecht zu werden, geht‘s hier mehr oder minder chronologisch zu. Darin aber finden sich kenntnisreiche Abhandlungen und analytische Einblicke in höchst unterschiedliche musikalische und kulturelle Sphären. Das ist spannend, sofern überhaupt eine Verbildlichung und Geschichte des eigenen Soundtracks gewünscht und gewürdigt wird. Vielen ist es ja egal, was da auf sie einklingt und woher das kommt.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

The Sound of Cologne
OT: The Sound of Cologne
Genre: Doku, Musik
Länge: 98 Minuten, D, 2022
Regie: Kristina Schippling
Mitwirkende: Irmin Schmidt, Markus Aust, Wolfgang Voigt, Niobe
FSK: ab 0 Jahren, ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Real Fiction Films
Kinostart: 30.11.2023

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