Der etwas kryptische Titel des Soul Coughing Songs kam mir in den Sinn, als ich erstmals auf die Musikdoku „Parallax Sounds Chicago“ aufmerksam wurde, die ab dem 30. Januar 2014 in ausgewählten Kinos zu sehen ist. Filmmacher und Künstler Augusto Contento widmet sich der einflussreichen Chicagoer Musikszene Mitte der Neunziger Jahre, ohne die das Phänomen „Post rock“ wohl nie so populär geworden wäre. Dabei geht es dem Film weniger um detaillierte Erfüllung einer Chronistenpflicht als vielmehr darum, die Stimmung, den Sound der Stadt und der Zeit einzufangen. Und das gelingt ziemlich eindrucksvoll.
Der Begriff „Post-Rock“ wurde von dem amerikanischen Musikkritiker Simon Reynolds geprägt, um die musikalische Herangehensweise von Bands zu beschreiben, die Stilgrenzen und Rockstargehabe hinter sich gelassen hatten, um einfach Musik zu machen. Ganz besonders traf das auf die überschaubare aber kreative Musikszene der Stadt Chicago in der Mitte der 1990er Jahre zu. Von der Musikindustrie, die dabei war aus der Grunge-Welle jeden nur erdenklichen Tropfen Profit herauszupressen, wurde Chicago stiefmütterlich ignoriert. Jenseits aller kommerziellen Verwertung fand sich hier eine musikalisches Szene zusammen, zu der unter anderem auch Produzent Steve Albini, der Saxofonist Ken Vandermark, der damalige Punkgitarrist David Grubbs und andere gehörten, die in „Parallax Sounds Chicago“ auch zu Wort kommen, und erfand die Rockmusik neu. Na ja, nicht so ganz, aber der Einfluss des musikalische Ansatzes und auch von Bands wie Tortoise auf die internationale Rockmusikszene ist nicht zu verachten. Tortoise kommen in dem Film von Augusto Contento zwar irgendwie überhaupt nicht vor, aber das stört auch nicht weiter.
Im Grunde ist „Parallax Sounds“ ein meditatives Musikvideo, das gelegentlich, aber regelmäßig von Interviews mit damaligen Protagonisten unterbrochen wird. Es gibt Erinnerungen und Philosophisches zum Thema selbst Musik machen, doch der Schwerpunkt des Films liegt eindeutig in der stimmungsvollen Montage von urbanen Landschaften und grandiosem Sound der damaligen Zeit. Und Contento gelingt es ziemlich schnell, seinen filmischen und musikalischen Sog zu entfachen. Der Soundtrack stammt im Wesentlichen von Ken Vandermark und ist ebenso schön und sperrig wie es städtischen Impressionen sind.
Wer musikalisch in der Richtung Chicagoer Musikszene der Neunziger Jahre weiterforschen will, dem sei der Sampler „Chicago 2018…It’s gonna change“ empfohlen, sofern der noch zu kriegen ist. Im Jahr 2000 hat der Musikjournalist und Jazz-Kenner Wolf Kampmann die Compilation kenntnisreich und mit lesenswerten Liner-Notes versehen zusammengestellt. Alle relevanten und einige visionäre Interpreten sind darauf vertreten und man bekommt einen mehr als soliden Überblick über das, was den Spirit ausgemacht hat.
Fazit: „Parallax Sounds Chicago“ groovt und mäandert über die Leinwand, dass es eine wahre Freude ist. Aufgrund der tollen Komposition von bewegten Bildern und stimmiger Musik sollte unbedingt versuchen, „Parallax Sounds Chicago“ auf einer großen Leinwand zu genießen. Es lohnt sich wirklich. Ein dokumentarischer Einführungskurs in Sachen Postrock ist der Film allerdings nicht.
Film-Wertung: (8 / 10)
Parallax Sounds Chicago
Genre: Musikfilm, Dokumentarfilm
Länge: 96 Minuten, USA 2013
Regie, Script, Kamera: Augusto Contento
Mitwirkende: Steve Albini, David Grubbs, Ken Vandermark,
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Real Fiktion Filmverleih
Kinostart: 30.01.2014
Verleih-Homepage mit Kinoterminen