Snowpiercer: Rasend auf das Ende zu

Quer durch den Schnee im #Winterwunderland mit dem Schneekreuzer „Snowpiercer“ von 2014. die Adaption einer dystopischen Graphic Novel vom Koreanischen Meisterregisseur Joon-Hoo Bong war einer der besten Filme, die 2014 ins Kino kamen und einer der bildstärksten modernen Actioner mit einer Wahnsinnsbesetzung. Ein endlos langer Zug fräst sich durch die froststarre Welt, an Bord die letzten Überlebenden der Menschheit. Wir steigen auf.

Klimawandel ist ein Problem. Die Menschheit pumpt ein vermeintliches Wundermittel in die Atmosphäre. Die Folgen katastrophal. Eine neue Eiszeit macht den Planeten de facto unbewohnbar. Der überschaubare Rest der Menschheit hat sich in einen Zug geflüchtet, der ein eigenes, bewegliches Ökosystem ist. Die Passagiere sind streng nach gesellschaftlichem Status auf die Waggons verteilt. Während die Eliten an der Zugspitze prunkvoll aus dem Vollen schöpfen, darbt die Mehrheit am Zugende. Die Bedingungen gleichen Elendsvierteln oder Konzentrationslagern; und das seit fast achtzehn Jahren.

Es rumort am Zugende, Revolution liegt in der Luft. Curtis (Chris Evans) will einen Aufstand wagen. Scheinbar gibt es im vorderen Zugteil Verbündete. Immer wieder werden Nachrichten in den glibberigen Proteinriegeln, die hier Grundnahrung sind, geschmuggelt. Gilliam (John Hurt), der Elder Statesman der Gemeinschaft, hält die Zeit noch nicht für reif. Curtis wiederum ist entschlossen, die Maschine zu erobern und der Diktatur des Zugerfinders Wilford zu beenden. Die Mithilfe des drogensüchtigen Ingenieurs Namgong Minsoo (Kang-Ho Song) ist leider notwendig. Er muss die Waggontüren öffnen. Doch der Weg nach vorne ist gut bewacht.

Vom Comic zum Film

„Snowpiercer“ basiert auf der französischen Graphic Novel „Le Transperceneige“ (hierzulande bei Jacoby & Stewart verlegt). Regisseur Joon-Hoo Bong („Parasite“, „Memories of Murder“) adaptiert die Comicvorlage als finstere, klamme Zukunftsvision. Das Leben am Zugende ist archaisch und grausam. Der Weg zur Maschine, stellvertretend für sozialen Aufstieg, ist von Brutalität und Hinterhältigen Überraschungen gesäumt. Je weiter sich die Revoluzzer nach vorne Kämpfen, desto dekadenter leben die Privilegierten in ihren Waggons und Abteilen.

„Snowpiercer“ ein extrem gestylter Actioner. Dabei fehlt es nicht an psychologischer Tiefe und fassbarer Symbolhaftigkeit. gekonnt wird zwischen archaischen Keilereien und dramatischen Szenen gewechselt. Absurderweise gab es zum Filmstart ein derbes Tohuwabohu, weil Koproduzent Harvey Weinstein, der inzwischen wegen anderer Vorfälle rechtskräftig verurteilt wurde, den Film für zu kompliziert für das US-Publikum hielt. er wollte etwa 20 Minuten herauskürzen. In den USA ist dann noch ein Director’s Cut erschienen. Bei uns ist „Snowpiercer“ ohnehin in voller Länge in die Kinos gekommen.

Der Stil des Schneemobils

Das „Snowpiercer“ optisch seinerzeit so herausragend aussah, war nicht nur der großartigen internationalen Besetzung geschuldet, sondern dem grandiosen filmischen Konzept. Dafür gab es auch ein Budget, das die sehenswerte Realisierung möglich machte. Auf der Leinwand wirkten die computeranimierten Außenkulissen noch ein bisschen schwächer als die Innenaufnahmen, auf dem heimischen Bildschirm ist davon nichts mehr zu bemerken.

In Sachen Home-Entertainment lassen Bildqualität und Sound der Blu-ray kaum Wünsche offen. Die deutsche Stimme des Translators ist etwas zu leise und hätte auch Untertitel vertragen. Bonusmaterial ist überschaubar, weil Regisseur Bong bekannt dafür ist, wenig Überflüssiges zu Filmen. Ein extra Doku-Team war wohl nicht mehr im Budget enthalten. So gibt es weder entfallene noch alternative Szenen. Die kurzen Einblicke hinter die Kulissen sind aber durchaus beeindruckend. Der Modelbauaufwand die gezeigten Waggons auch tatsächlich zu bauen und auf hydraulische Federn zu stellen, zahlt sich im Film wie gesehen aus.

Eine stimmige Filmvision

Filmmacher Joon-Hoo Bong, der ohnehin als der Spielberg Asiens gilt, vermag es westliche Sehgewohnheiten mit asiatischer Filmästhetik zu verquicken. Das zeigte später auch der überraschende Totalerfolg des Dramas „Parasite“, der mit vier Oscars ausgezeichnet wurde, darunter als fremdsprachige Einreichung auch bester Film. Zurück zu „Snowpiercer“: Der Film – wie auch der Comic – ist mehr als bloße Endzeitparabel. die Geschichte ist bis in die Details durchdacht und stimmig. Immer wieder fallen Kernbegriffe wie „geschlossenes Ökosystem“ und „Erhalt des Gleichgewichtes“, „vorbestimmter Platz in der Gesellschaft“ und „heilsbringender Wohltäter“.

So sieht eine totalitäre Gesellschaft aus. Im Zug finden sich klassische revolutionäre Motive, Abbilder der aktuellen Weltgesellschaften und eine Kritik des Verhältnisses von Industrie – zu Entwicklungsländern. Die Machtverhältnisse werden dabei personifiziert und auf engem Raum gegen einander gestellt. Garstig spielt Tilda Swinton die Rolle der Wilford-Ministerin Mason. Deren Hauptaufgabe ist der Kontakt zum „Abschaum“ am Zugende. Auf Deutsch geht leider eine bissige Thatcher-Kopie flöten.

Sci-Fi-Fans sollten „Snowpiercer“ auf keinen Fall verpassen. doch auch ohne Hang zur Fantastik ist die aufwändige und gefeierte internationale Koproduktion einer der eindrücklichsten Filme dieses Jahrtausends. In seiner futuristischen Vision und Vieldeutigkeit steht „Snowpiercer“ der „Matrix“ in nichts nach.

Film-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Snowpiercer
OT: Snowpiercer
Genre: Sci-Fi, Action, Thriller
Länge: 126 Minuten, ROK/USA/F
Regie: Joon-Hoo Bong
Darsteller:innen: Chris Evans, Tilda Swinton, Jamie Bell
Vorlage: Graphic Novel „Le Transperceneige“ (Schneekreuzer) von Jaques Lob & Jean-Marc Rochette
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: MFA, Ascot Elite
Kinostart: 03.04.2014
DVD- & BD-VÖ: 25.09.2014