The Royal Hotel: Das Frischfleisch und das Partydutzend

In jungen Jahren unbeschwert um die Welt zu riesen, ist eine Sehnsucht vieler junger Leute. Dabei helfen so genannte „Work and Travel“-Programme immer wieder über Finanzierungslücken. Das kann auch schon mal unangenehm werden, wie die beiden Rucksacktouristinnen Liv und Hanna in Australien zu spüren bekommen. Der irritierende Thriller „The Royal Hotel“ kommt hierzulande am 11. Januar 2024 in die Kinos.

Hanna (Julia Garner) und Liv (Jessica Henwick) sind zusammen als Backpacker in Australien unterwegs. In Sydney geht den beiden Amerikanerinnen das Geld aus. Auf der Suche nach einem befristeten Job, um die Reisekasse wieder aufzufüllen, schlägt die Vermittlerin einen etwas speziellen Job im australischen Hinterland vor. Dabei sollten die beiden schon mit „einem gewissen Maß an männlicher Aufmerksamkeit zurechtkommen können“. Der Job ist gut bezahlt und die lebenslustige Liv überredet die zögerliche Hanna schließlich. Sie könnten sich ja als Kanadierinnen ausgeben, Die mag jeder.

Als Liv und Hanna dann im Outback ankommen werden sie von der Aborigine-Frau Carol (Ursula Yovich) in einem abgeranzten Pick-up abgeholt und sollen die derzeitigen Barkeeperinnen im „Royal Hotel“ ablösen. Auch die waren hier gelandet um ihre Reise zu finanzieren. Der Barbesitzer Billy (ein großartiger Hugo Weaving) stellt sich als alter Trunkenbold heraus, der nicht nur eine schäbige Zahlungsmoral hat, sondern von den Mädels auch erwartet, dass sie ihre Weiblichkeit zur Umsatzsteigerung einsetzen. Trinkgelder dürfen sie schließlich behalten.

Geld alle auf der Australienreise

Ihre Reize brauchen Liv und Hanna nicht einzusetzen, „The Royal Hotel“ ist der einzige Pub weit und breit. Die Kundschaft besteht aus mehr oder minder hartgesottenen, trinkfreudigen Minenarbeitern. Und die freuen sich über „Frischfleisch“ hinterm Tresen. Während Liv versucht keck und burschikos mit den beiläufigen Sexismus und dem Testosteron in der Luft umzugehen, ist Hanna zutiefst verunsichert. Besonders weil einige der Kerle irritierende und ziemlich aufdringliche Anmach-Spiele spielen.

Die Situation verschärft sich in dem Maße, in dem der Zwist zwischen Billy und seine Frau Carol zunimmt. Sie drängt ihn seine Rechnungen zu bezahlen, weniger zu saufen und steht den Mädchen wenn möglich hilfreich zur Seite. Als Carol irgendwann Billy ins Krankenhaus fahren muss, sind Liv und Hanna im Pub auf sich gestellt.

Das Szenario in „The Royal Hotel“ erinnert an einen typischen Hinterwäldler-Horrorthriller. Tatsächlich sind Erzählung und Kamera immer sehr nahe an den beiden Protagonistinnen. Ihre Befindlichkeiten und die Dynamik der Beziehung auf dieser Reise stehen im Mittelpunkt der Betrachtung. Und zunächst ist die ungewohnte Situation in der australischen Einöde auch nur fremd und vielleicht daher bedrohlich.

Unerwartete Einkommensmöglicheiten

Letztlich gelingt es Regisseurin Kitty Green („The Assistant“) und ihrem Kameramann Michael Latham („Insel der hungrigen Geister“) die Spannung ins kaum Erträgliche zu steigern. Dabei bleibt bis zum Filmende zwielichtig und zwiespältig wieviel der gefühlten Bedrohung tatsächlich ein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen ist. Wobei deutlich fragwürdig ist, ob das offen sexistische, frauenfeindliche Kneipengelaber und alkoholschwangere Imponiergehabe so etwas wie „Kultur“ in Sinne einer UNESCO-Schutzwürdigkeit ist und, ob die Einheimischen darauf stolz sein sollten.

Gerade die Ambivalenz von alltäglichem Horror und „War doch nur ein beschissener Witz“-Misogynie (Frauenfeindlichkeit) macht „The Royal Hotel“ über weite Phasen so intensiv, dass sich das Publikum durchaus wie in einem Horror-Thriller fühlt. Dabei beruht „The Royal Hotel“ auf vermeintlich wahren Begebenheiten.

Tanzstunden im Outback

Der „Dokumentarfilm“ „The Hotel Coolgardie“ von Filmmacher Pete Gleeson zeigt die Erlebnisse zweier finnischer Backpackerinnen, die im australischen Outback als Barkeeperinnen arbeiteten. So die wahre Inspiration für „The Royal Hotel“. Hierzulande war die Doku nicht zu sehen. Der Trailer vermittelt jedoch den Eindruck, dass die Ereignisse quasi direkt begleitet wurden. Da kann sich das Publikum schon fragen, wie die Menschen vor der Kamera agieren und wieviel davon nachträglich inszeniert ist? Das schmälert die Aussage der beiden Filme keineswegs, sollte aber nicht unerwähnt bleiben.

Es scheint als hätte das Script von Kitty Green und Oscar Redding (Van Diems Land) sich weitgehend vom Verlauf der Doku inspirieren lassen. Zur dramaturgischen Verdichtung (und weil es die Aussies ohnehin wissen) werden weder die Lokalität benannt noch die Arbeit der Männer weiter thematisiert. Sie bleiben eine Gruppe eigenwilliger Kerle, die zum Teil trefflich charakterisiert sind. Und eine potentielle Gefahr.

Man(n) mag über die symbolträchtige Geste am Filmende unterschiedlicher Meinung sein können, rein vom Erleichterungsfaktor am Ende einer nervenaufreibenden Geschichte ist das mehr als vertretbar. Es ließe sich an dieser Stelle auch wunderbar über das hinterwäldlerische Australien, toxische Männlichkeit, Wutbürger-Mentalität oder ewiggestriges Verhalten schwadronieren. Und dennoch würden dabei wieder Aspekte fehlen, die in Kitty Greens irritierendem und empfehlenswerten Thrillerdrama wesentlich sind. Die Zeiten ändern sich. Merkst du selber, oder?

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

The Royal Hotel
OT: The Royal Hotel
Genre: Drama,Thriller
Länge: 91 Minuten, ASU, 2023
Regie: Kitty Green
Darsteller:innen: Julia Garner, Hugo Weaving, Daniel Henshell, Jessica Henwick
Vorlage: Doku „Hotel Coolgardie“
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Universal Pictures International
Kinostart: 11.01.2024