Insel der hungrigen Geister: Sandkasten-Spiele

Die australische Filmmacherin Gabrielle Brady hat einen Film darüber gedreht, wie Australien mit seinen Flüchtlingen umgeht. Diese werden (auch und vor allem) in einem Internierungslager auf der gar nicht so idyllischen Weihnachtsinsel untergebracht. Die Schicksale dieser Menschen sind genauso ungewiss wie jene der riesigen Krabben, die hier im Nationalpark leben und jedes Jahr zu einer Wanderung ins Meer aufbrechen. Eine eindringliche und poetische Herangehensweise macht „Die Insel der hungrigen Geister“ sehenswert.

Christmas Island wie die Weihnachtsinsel in der Landessprache heißt, gehört zwar verwaltungstechnisch zu Australien, liegt aber vor Indonesien. Weite Teile der 135 Quadratkilometer großen Insel sind Nationalpark und Naturschutzgebiet. Dennoch liegt hier seit 2001 auch das größte Flüchtlings-Internierungslager Australiens, das Christmas Island Immigration Reception and Processing Centre. Dort – beziehungsweise mit den dort internierten Boat People – arbeitet die Trauma-Psychologin Poh Lin Lee, die im Grunde die Protagonistin von Gabrielle Brodys Films ist.

2015 geriet das Lager, das Ende 2018 von der Regierung vorübergehend stillgelegt wurde, in die Schlagzeilen, weil ein geflohener Asylsuchender tot aufgefunden wurde. In „Die Insel der Hungrigen Geister“ schallt diese Meldung aus dem Autoradio als Poh Lin zur Arbeit fährt und setzt so einen starken politischen Kontext für das Filmgeschehen.

Während die Trauma-Therapeutin ihre Patienten in einem mit Strandsand gefüllten Karton und mit Spielzeugfiguren Szenen nachstellen lässt, die die Patienten gerade belasten, müssen sich die Beschäftigten des Nationalparks darum kümmern, dass die Wanderung der riesigen Weihnachtsinsel-Krabbe zur Küste auch klappt. Es werden Brücken über Straßengräben gebaut, während sich die Umstände für die Asylsuchenden immer weiter verschlechtern.

Von Krabben und Flüchtlingen

Das mag nun etwas plakativ klingen, auch weil die Situation der Internierten nur indirekt über Poh Lins Arbeit thematisiert wird, aber es stellt sich schon während des Schauens die Frage, inwieweit man als Zuschauer den Bilden überhaupt trauen kann? Sicher, nominell ist „Die Insel der Hungrigen Geister“ ein Dokumentarfilm und lief auch auf diversen Festivals. Nicht verwechseln sollte man den Langfilm übrigens mit dem 2017 vorangegangenen Kurzfilm der phasenweise unter dem selben Namen kursiert.

Keine Frage, die Bilder und die Geschichten in „Die Insel der hungrigen Geister“ erzählen eine Wahrheit, aber die Filmarbeiten zogen sich über vier Jahre hin. Die Sequenzen mit der Psychologin mögen nachträglich inszeniert sein, ohne deshalb weniger wahrhaftig zu sein.

Fraglich ist dann aber, ob die Patientensitzungen auch verdichtet wurden oder gar heimlich gefilmt? Gabrielle Brady nennt das im Regie-Statement: Man habe gemeinsam „…darüber reflektiert, was auf dieser abgelegenen Insel passierte als dort niemand genau hinschaute.“ Letztlich kommt die Botschaft des Film an und die Naturbetrachtungen der Krabben und die mythische Verehrung der hungrigen Geister, die dem Film seinen Titel geben, sind eine poetische Anreicherung dieser Filminsel.

Jene hungrigen Geister sind die ersten chinesischen Inselbewohner, die ohne Begräbnis verstarben. Nun wandern sie hungrig herum und werden von den Lebenden mit Opfergaben besänftigt. Der Film plädiert aber vor allem dafür, sich um die Lebenden kümmern und niemanden aus- oder wegzuschließen.

Insel der hungrigen Geister
OT: Island of The Hungry Ghosts
Genre: Doku, Hybrid
Länge: 98 Minuten, AUS, 2018
Regie: Gabrielle Brady
Mitwirkende: Poh Lin Lee, Arthur Floret,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Grandfilm
Kinostart: 17.10.2019

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