Wie man ein einflussreiches Filmstudio effektiv verärgert und dabei gleichzeitig einen Meilenstein des Genrefilms hinlegt, hat der japanische Regisseur Seijun Suzuki in den 1960ern gleich zweimal durchexerziert. Nach „Tokyo Drifter“ auch mit „Branded To Kill“, worauf er dann auch gefeuert wurde. Der Film floppte auch an der Kinokasse, hat sich aber als stilbildend gezeigt und auch nach Jahrzehnten kaum etwas von seinem heißlaufenden Tour de Force eingebüßt. Jetzt ist „Branded To Kill“ erstmals in High Definition erschienen.
Der Yakusa-Killer Goro Hanada (Jo Shishido) ist einer der besten seines Faches und gilt in der Hierarchie als Nummer drei. Um einem Freund zu helfen, machen die beiden einen scheinbar harmlosen Job zusammen, der aber beinahe in die Hose geht. Währenddessen hat Hanadas Frau Mami (Mariko Ogawa) eine Affäre mit dessen Vorgesetzten. Das hält die exzessive Frau allerdings nicht davon ab, nach seiner Rückkehr ausgiebig über den Gatten herzufallen. Eines Tages trifft Goro auf die mysteriöse Schönheit Misako (Anne Mari), die eine schwermütige Todessehnsucht hat. Außerdem hat Misako einen Auftrag für Goro, er soll den Killer Nummer Eins umbringen. Da wittert der Auftragsmörder auch gleich Karrierechancen. Doch das Attentat schlägt fehlt, Killer Nummer eins überlebt und das Syndikat macht nun Jagd auf Goro.
Heute gilt „Branded To Kill“ von Regisseur Seyjun Suzuki als Klassiker des Actionkinos, der schnörkellos und mit großem Stilbewusstsein die Grenze zwischen Genrefilm und Kinokunst auslotet. Das war freilich nicht immer so. Für die japanischen Nikkatsu Studios hat Suzuki 42 Filme gedreht, durchschnittlich vier Produktionen im Jahr, und „Branded To Kill“ markiert das Ende dieses Arbeitsverhältnisses. Nach dem opulenten aber kommerziell erfolglosen „Tokyo Drifter“ (OT: „Tokyo nagaremono“, deutscher Titel: „Abrechnung in Tokio“, 1966) legte das Studio dem Regisseur nahe, seine künstlerischen Ausflüge doch zu unterlassen und wieder den Zuschauergeschmack zu bedienen.
Außerdem beschnitt man Suzukis Budget, worauf dieser sich gezwungen sah, in schwarz-weiß zu drehen. Doch Sejun Suzuki trieb das damalige Action-Genre mit „Branded To Kill“ ebenso auf die Spitze wie ad absurdum. Mit einigen anderen Nikkatsu-Regisseuren als heimliches Autorenkollektiv sorgte man ohne Storyboards, aber mit kongenialem Setdesign für eine szenische Quintessenz des Actionfilms, angereichert mit psychedelischen Effekten und einem von Jazz getriebenen Soundtrack. Wie viele japanische Gangsterfilme der Sechziger stehen dabei der europäische Film Noir und vor allem die James Bond Filme Pate. Das ist auch bei „Koroshi No Rakuin“ unschwer zu erkennen.
Und, was die meisten Fans von Japanfilmen am brennendsten interessieren wird: Die neue Abtastung der Masterbänder im HD-Standard hat sich durchaus gelohnt. Der Film liegt immer noch ausschließlich im Original mit deutschen Untertiteln vor. Was vor allem bei asiatischen Filmen nach durchaus zu bevorzugen ist, wenn man mich fragt. Die Bildqualität hat gegenüber der DVD-Veröffentlichung von 2007 deutlich zugenommen und macht „Branded to Kill“ zu einem Hochgenuss. Außerdem sind wie schon bei der DVD Interviews mit dem Regisseur, dem Hauptdarsteller und mit dem Set Designer als Bonusmaterial enthalten. Alle Gespräche stammen aus dem Jahr 2006. Sehr lesenswert ist auch das Booklet mit den Liner Notes von Tom Mes, der die amerikanische Filmseite MidnightEye.cvom mitbegründet hat, die sich kompetent mit japanischem Kino beschäftigt. Also für die Wiederveröffentlichung in verbesserter Filmqualität schon mal: Daumen hoch!
Die Handlung des stylischen Sixties-Actioners ist, wie man sich schon denken kann, komplett zu vernachlässigen und dient nur als Gerüst, um die wunderbar choreografierten Szenen wie an einer Perlenkette aufzureihen. So sehr sich Suzuki damit den Studiokonventionen und dem Yakuza-Film verweigert, so fiebrig sind die auf die Spitze getriebenen Szenen und die wunderlichen Charaktere. In seiner künstlerischen Konsequenz kann man das beinahe als Farce auffassen. Goro Hanadas beinahe fetischhafte Vorliebe für den Geruch von gekochtem Reis ist ebenso absurd wie die Mystifizierung der unbekannten Schönen und im Grunde auch die Durchnummerierung der Syndikatskiller.
Nach „Branded to Kill“ wurde Suzuki gefeuert und verklagte daraufhin die Nikkatsu Studios. Das hinderte ihn zwar zunächst am Arbeiten, aber nach einer Einigung wurden „Branded to Kill“ und „Lied der Gewalt“ (OT: Kenka erenji“) dem Nationalmuseum für Moderne Kunst in Tokio geschenkt. Der Fall sorgte in der Filmbranche international für Aufsehen. Ein internationales Publikum bekam „Koroshi No Rakuin“ erst in den 1980er Jahren zu Gesicht und war begeistert. Jim Jarmuschs „Ghost Dog“ bezieht sich recht eindeutig auf „Branded To Kill“ und bei einer passenden Gelegenheit hat der New Yorker seinem japanischen Kollegen Suzuki „Ghost Dog“ auch vorgeführt, wie dieser in einem Interview erzählt. Zu spätem Ruhm kam auch die Filmmusik von „Koroshi No Rakuin“, die erst zum DVD-Release 2007 als Album veröffentlicht wurde, rund vierzig Jahre nach der Kinopremiere. Und Nauzomi Yamamotos Score ist schlicht mitreißend. Das erreicht zwar nicht die Klasse und das Kultpotential von Lalo Schifrins „Bullit“ oder Miles Davis „Fahrstuhl zum Schafott“ aber ist schon herausragend.
„Branded To Kill“ fasziniert auch heute noch mit seiner konsequent durchgestylten Action, seinem Tempo und seiner choreografisch grandios eingesetzen Musik. Das sieht gerade in schwarz-weiß noch eleganter aus und kommt in der neuen Bildqualität erst so richtig zur Geltung.
Film-Wertung: (9 / 10)
Branded To Kill
OT: Koroshi No Rakuin
Genre: Thriller, Action,
Länge: 91 Minuten, Japan 1967, OmU
Regie: Seyjun Suzuki
Darsteller: Jo Shishido, Anne Mari, Mariko Ogawa
FSK: Ab 16 Jahren
Vertrieb: Rapid Eye Movies
Kinostart: in Deutschland kein Kinostart
DVD-VÖ: 30.03.2007
BD-VÖ: 07.11.2014 (erstmals High Definition)