Sollte einen auch irgendwie wundern, wenn sich Filmmacher Terry Gilliam nicht mit den existentiellen Fragen des Lebens beschäftigen würde. In „The Zero Theorem“ geht es um nichts Geringeres als den mathematischen Nachweis, ob die Existenz sinnhaft ist, oder eben nicht. Und wie immer bei Terry Gilliam geht es relativ bunt und turbulent zu. Aber auch ziemlich abgehoben.
Der Mathematiker Qohen Leth (Christoph Waltz) arbeitet in einer Zukunftswelt, die von unserer gar nicht so weit entfernt ist, als Computerfachkraft für eine ominöse Firma. Täglich schleppt er sich widerwillig aus der heruntergekommen Kirche, in der er haust und auf einen ominösen Anruf wartet, an seinen Arbeitsplatz, wo er stumpf seinen Dienst tut. Der Vorgesetzte Joby (David Thewlis) ist im Grunde Qohens einziger Sozialkontakt. Und Joby nerven die ständigen Anfragen nach Heimarbeit, die das Computergenie regelmäßig stellt. Außerdem will Qohen unbedingt Management (Matt Damon) treffen, um ihn persönlich zu überzeugen, dass er von zuhause effektiver arbeiten kann.
Auf einer Kostümparty soll Management dann auch anwesend sein und so begibt sich der Außenseiter Qohen in den Rummel. Doch er trifft nur auf die quietschlebendige Bainsley (Mélanie Therry), die ihn nett findet. Kurz danach bekommt Qohen einen neue Aufgabe, die er von zuhause aus erledigen kann: Er soll das Zero Theorem lösen. Unterstützung bekommt er dabei von dem jungen Computergenie Bob (Lucas Hedges), Managements Sohn. Doch trotz psychiatrischer Betreuung durch Dr. Shrink-Rom (genial: Tilda Swinton) und via Internet, verheddert sich Qohen zusehends in Unlösbarkeit seiner metaphysischen Aufgabe. Denn das Zero Theorem zu lösen, würde letztlich bedeuten, die Sinnlosigkeit des Universums zu beweisen.
Für Terry Gilliams Verhältnisse ist „The Zero Theorem“ geradezu ein Schnellschuss: Das kleinste Budget seit Jahrzehnten und wenige Drehtage zwangen Gilliam, spontane Entscheidungen zu treffen, zu improvisieren und bei der Ausstattung Abstriche zu machen. Das merkt man dem Film im Werkvergleich auch durchaus an, aber es stört auch nicht weiter. Wie so häufig in Gilliams Filmen geht es einerseits sehr konkret zur Sache, andererseits bleibt es hochgradig symbolhaft. Dass der glatzköpfige Qohen in einer ausrangierten Kirche lebt und arbeitet und dabei äußerlich einem Nosferatu, der Max Schreck alle Ehren macht, immer ähnlicher wird, ist durchaus gewollt und als Gesellschaftskritik zu verstehen.
Und wenn Gilliam sein jüngstes Wert in Beziehung zu seinem Klassiker „Brazil“ setzt, dann nur in der Funktion als Gegenwartskritik. Die Themen der Orwell’schen Überwachung sind einer Computermania gewichen, die ihre Auswüchse in virtuellen Realitäten und eine durch und durch käufliche Welt wuchern lässt. Hier sind selbst vermeintliche Heilsversprechen nichts anderes als Werbebotschaften. Dagegen rennt der Misanthrop Qohen mit dem heiligen Ernst eines Don Quichote an, auch das ein Motiv, das in Gilliams Filmen lange etabliert ist. Man mag dem Filmmacher vorwerfen, er verharre in einer schönen alten Welt und seine Vaudeville-Szenerien wiederholen sich. Oder aber, man akzeptiert, dass Terry Gilliam einen Standpunkt hat und diesen auch in seinen Werken vehement und konsequent vertritt.
Die Story, die auf einer Kurzgeschichte und einem Drehbuch des Professors Pat Rushkin beruht, hat so ihre Längen, ihre Kinken und auch ihre esoterischen Gemeinplätze. Die grundsätzliche Sinnsuche als kommerzielle Aufgabe eines Großkonzerns zu betreiben, mag freilich auf Gilliams Input beruhen. Und so taucht auch das Motiv von Drachentöter St. Georg wieder auf, allerdings in humorvoller Variante, denn in seiner VR-Suite mutiert Qohen quasi selbst zum roten Drachen. Da spendet nur die virtuelle Strandidylle Trost, zu der eine beschwingte Coverversion von Radioheads „Creep“ zu hören ist.
Terry Gilliams „The Zero Theorem“ ist sicher nicht der beste Film des Regisseurs, hat aber viele wunderbar schräge Szenen und mal wieder eine tolle Besetzung zu bieten. Da nimmt man als Fan auch schon mal metaphysisches Gebrabbel in Kauf.
Film-Wertung: (6 / 10)
The Zero Theorem
Genre: Science-Fiction, Drama
Länge: 106 Minuten, GB / RO, 2013
Regie: Terry Gilliam
Darsteller: Christoph Watz, David Thewlis, Mélanie Thierry
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Concorde
Kinostart: 27.11-2014