Finnisches Blut, schwedisches Herz: Die Straße zur Identität

finnish-blood-swedish-heart-vorschauDas Verhältnis von Finnen und Schweden ist auch heute noch nicht immer ganz einfach. Der  sympathische dokumentarische Road Trip „Finnisches Blut, schwedisches Herz“ begibt sich mit dem Musiker Kai Latvalehto auf Spurensuche nach der eigenen Identität. Mika Ronkainens Film punktet mit  passender Musik, verschmitztem Humor und einer unterhaltsamen Vater Sohn Reise. Zu genießen während der Nodlichter-Filme2015.

„Finnisches Blut, schwedisches Herz“ beginnt wie eine typische Rock-Doku mit einem Auftritt der populären Finnenrockband Aknestik. Allerdings nur, bis Gitarrist Kai aus dem Off gesteht, dass er keinen Bock mehr auf Rock hat. Kai Latvalehto ist zwar Finne, aber seine Kindheit verbrachte er in Göteborg, im Westen Schwedens, weil der Vater dort etwa ein Jahrzehnt lang gearbeitet hat. Und jetzt, wo Kai selbst Vater ist, bemerkt er immer stärker, dass ihm ein wichtiger Teil seiner Identität fehlt. Also macht er sich mit seinem Vater auf eine Autofahrt nach Göteborg um seiner Kindheit nachzuspüren. Unterwegs haben der Vater und der Sohn diverse Begegnungen mit Finnen, die in Schweden leben, und reden über deren Kultur, die Klischees und Vorurteile und  deren Selbstverständnis.

finnish-blood-swedish-heart-1Es mag daran liegen, dass ich zur selben Generation gehöre wie Rockgitarrist Kai, aber es fiel mir ausgesprochen leicht, mich mit seinen Selbstzweifeln und seiner Suche nach der eigenen Identität zu identifizieren. In einem bestimmten Lebensabschnitt wird die Frage “Wer bin ich eigentlich?“ einfach mal wichtig und man beginnt, sich für die Familiengeschichte zu interessieren. Kai überredet seinen alten Vater zu einer Fahrt nach Göteborg und unterwegs kommen sich die beiden auf ihre wortkarge Weise auch näher.

finnish-blood-swedish-heart-4Aber der finnische Dokumentarfilmer Mika Ronkainen („Schreiende Männer“ über den finnischen Männer-Schrei-Chor „Mieskuoro Huutajat“, 2003) trifft mit seiner Reise nach den eigenen Wurzeln auch ein Thema, das weit über die familiäre Konstellation hinausgeht: Das Verhältnis von Schweden und Finnen. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts bildeten Schweden und Finnland einen gemeinsamen Staat und schon Jahrhunderte früher wanderten etliche Finnen aus dem armen Osten in den reicheren schwedischen Landesteil. Heute haben sowohl die Schweden in Finnland als auch die Finnen in Schweden einen Status als offiziell anerkannte nationale Minderheit. Und auch Kais Vater kommt im Zuge der Wirtschaftsmigration nach Göteborg.

„Das Land der Großmutter. Ein Land voller Wald, Felder und Kieswege. Und Onmibusse, die Lebensmittel verkaufen.“ (Kai Latvalehto)

finnish-blood-swedish-heart-3Für Kai bleibt trotz glücklicher Kindheit aus der schwedischen Phase vor allem das Gefühl, ein Außenseiter zu sein. Auch nach der Rückkehr der Familie nach Finnland. Die Stationen von Vater und Sohn beinhalten unter anderem ein  ländlichen Tanzvergnügen, eine Talkrunde einer finnischsprachigen Radioshow, eine Gesprächsgruppe von Finnen, die in Schweden leben, und Besuche der einschlägig bekannten Finnen-Stadtteile in  Stockholm und Göteborg.

finnish-blood-swedish-heart-2Das hat bei aller Ernsthaftigkeit und regelrechtem Ingrimm, den Kai auf der Reise an den Tag legt, auch seine lustigen Momente, und nähert sich dem schwierigen Thema der kulturellen Identität auch auf humorvolle Weise und hat dann doch noch die eine oder andere Überraschung zu bieten. Und das Thema wirtschaftlicher Migration lässt sich weltweit beobachten. Filmisch ist „Finnisches Blut, schwedisches Herz“ ein typisches Road Movie, das nahe an seinen Protagonisten ist, motivisch immer wieder zu den beiden Typen im Auto zurückkehrt, der aufmerksame Zuschauer wird die atmosphärischen Veränderungen bemerken. Angereichert wird die Doku mit musikalischen Darbietungen von Liedern der finnischen Immigranten aus den 1970er Jahren. Die Texte, die zur Arbeiterlyrik tendieren, machen die Situation der Bevölkerungsgruppe klar und die Musik hat mit Suomirock relativ wenig zu tun.

„Finnisches Blut, schwedisches Herz“ ist eine lohnenswerte familiäre Spurensuche und eine ebenso emotionale wie unterhaltsame Reise in die kulturelle Identität der Finnen und der Schweden.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Finnisches-Blut-PlakatFinnisches Blut, schwedisches Herz
OT: Laulu koti-ikävästä
Genre: Dokumentarfilm, Musik,
Länge: 90 Min., dt. UT, Finnland 2012,
Regie & Drehbuch:  Mika Ronkainen
Mitwirkende: Kai Latvalehto, Tauno Latvalehto, Oiva Latvalehto
Musiker: Anna Järvinen, Darya Pakarinen, Love Antell, Markus Fagervall, Mirella Hautala, Månskensorkestern, Hannu Kiviaho, Harri Mänty, Jukka Takalo
Vertrieb: Kulturprojektor,
Kinostart: 23.03.2015

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