A Quiet Passion – Das Leben der Emily Dickinson

Emily Dickinson gilt heute als eine der bedeutendsten Dichterinnen der USA. Das war nicht immer so und die filmische Biografie des englischen Regisseurs Terence Davies zeigt vor allem die aufopferungsvolle Hingabe Dickinsons an die Sprache. Onegate bringt den Film in einer opulenten Box mit zusätzlicher Doku „My Letter to The World“ im Juni 2023 als Home-Entertainment-Premiere auf den Markt.

Die junge Emily (Emma Bell) schafft es nicht sich auf der Bibelschule für Mädchen einzufügen. So ist sie die einzige, die nicht auf göttliche Erlösung hofft und von der Oberin als Kandidatin für Höllenqualen entlassen wird.

Zurück im Haushalt der Dickinsons erlaubt der gläubige, aber liberale Vater (Keith Carradine) der jungen Emily in den späten Abendstunden zu schreiben. Fortan widmet sie sich der Lyrik. Mutter Dickinson ist kränklich und Emilys Geschwister, Bruder Austin und Schwester Vinnie (Jennifer Ehle), leben ebenfalls lange im elterlichen Haushalt. Als Austin dann die charmante Vryling Buffam (Katherine Bailey) ehelicht, erhält auch die erwachsene Emily (Cynthia Nixon) eine neue Vertraute.

Als Zuschauer: in ist man oder frau schnell mit dem Eindruck konfrontiert, Emily Dickinson wäre sehenden Auges zu einer ältlichen Jungfer geworden. Dabei ist wenig bekannt über die Poetin, die erst spät als eine der originellsten Stimmen der amerikanischen Dichtung anerkannt wurde.

Ich bin niemand. Und du?

Die Doku „My Letter to the World“ die in der DVD-Box ebenfalls enthalten ist, nimmt einige Bezüge und Szenen aus dem Spielfilm, vor allem aber ist es Cynthia Niyxon, die die Gedichte von Emily Dickinson in der Doku vorträgt.

Die Expert:innen in den 77 Minuten sind sich einig, es schon erstaunlich war, wie Dickinson zum Schreiben gekommen ist. Für eine Frau zu ihrer Zeit war das durchaus ungewöhnlich. Vor allem, weil kaum Aussicht auf Veröffentlichung bestand und Anerkennung meistens ausblieb. Unzweifelhaft scheint aber ihre ruhige Hingabe und Selbstaufopferung für die Dichtkunst.

In wie weit Emily tatsächlich eine Beziehung mit ihrer späteren Schwägerin hatte, lässt sich auch heute noch nicht sagen. Der Spielfilm deutet dies aber zu keiner Zeit an. Stattdessen ist die Religion zu allen Phasen in Emily Dickinsons Leben ein steter Reibungspunkt. Sie selbst bleibt immer außerhalb jeder Religionsgemeinschaft und bezeichnet sich selbst als nicht religiös. Und doch ist im presbyterianischen Massachusetts der Glaube ein soziales und gesellschaftliches Ordnungsprinzip.

„Es gibt ein Wort“

Terence Davies, dessen essayistische Stadthymne über Liverpool „Of Time And The City“ von 2008 ich großartig und episch fand, inszeniert ein ruhiges Biopic. Ein Gesellschafts- und Persönlichkeitsbild als theaterhaftes Tableau indem viel parliert wird. Handlung im Sinne von Action fehlt beinahe vollständig. Immer wieder gibt es Gespräche, die scharfzüngigen Diskursen gleichen, durchsetzt mit aus dem Off vorgetragenen Gedichten. Das mag durchaus den damaligen Zeitgeist widerspiegeln, fesselnd zu beobachten ist es indes nicht immer.

Bisweilen bleibt das Drama in einer Haltung stecken, die die Welt an sich abprallen lässt. Etwa wenn Emily ihren Bruder zu seinem Neugeborenen befragt: „Wie ist es Vater zu sein?“ „Väterlich.“ Später dann offenbart Emily in einem Disput mit ihrer Schwester, dass sie immer nur wahrhaftig sein wolle. Das stößt dann schon so manchen Verehrer und Kandidaten vor den Kopf. Und es macht sich auch Unzufriedenheit über die mangelnde Anerkennung breit. „Das klingt verzweifelt.“ „Verbittert. Etwas Anerkennung vor meinem Tod wäre schön.“ Aber daraus wurde dann nichts.

Die Ausstattung dieser Dichterinnen-Biografie kann sich sehen lassen. Das 24-seitige Booklet mit Gedichten, die jeweils auch übersetzt wurden, ist lesenswert und bietet einen Einstieg in das Werk der Emily Dickinson. Die Doku auf der Extra-DVD hat ihre Momente und kenntnisreiche Experten äußern sich zu Leben und Wirkgeschichte von Emily Dickinson. Auch „A Quiet Passion“ hat so seine Momente, und seine sehr stimmigen Darsteller:innen-Leistungen. Allein, es bliebt etwas sperrig hinter den Fassaden von Amhurst. Das ist wohl vor allem für Literatur und Poesieinteressierte interessant.

Film-Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)
Doku-Wertung 6 out of 10 stars (6 / 10)
Editions-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

A Quiet Passion – Das Leben der Emily Dickinson
OT: A Quiet Passion
Genre: Biografie, Drama,
Länge. 120 Minuten, USA /GB, 2016
Regie: Terence Davies
Darsteller:innen: Cynthia Nixon, Keith Carradine, Jennifer Ehle, Emma Bell,
Bonus-Material: Doku „My Letter to the world“ (77 Minuten) + Booklet mit Gedichten und Übersetzungen.
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Onegate
Kinostart: nicht in Deutschland, (Berlinale 2016)
DVD-VÖ: 15.06.2023