Julian Schnabel – A Private Portrait: Großes Format

Julian Schnabel hat als Maler, Architekt und Filmregisseur einige erstaunliche Werke abgeliefert. Auf unterschiedlichen Gebieten erfolgreich zu sein, zieht allerdings oft verstärkte Kritik nach sich. Der italienische Filmmacher Pappi Corsicato legt 2017 ein filmisches Portrait des Künstlers vor, das hierzulande 2018 in die Kinos kam. „Julian Schnabel – A Private Portrait“ hat so seine Macken, ist aber auch ein gefälliges Einstiegsangebot um in den internationalen Kunstbetrieb zu schauen.

Julian Schnabel verbringt einflussreiche und prägende Jahre als Teenager in der texanischen Provinz. Erst 1978 kehrt der 1951 geborenen Schnabel als studierter Künstler in seine Heimatstadt New York zurück. Die kontroverse Kunstszene der Stadt nimmt den extrovertierten und exzentrische Maler schnell auf. Andy Warhol, Lou Reed, Jeff Koons und Jean Michel Basquiat gehören zu den Freunden des schnell erfolgreichen Julian Schnabel.

Gelegentlich gilt der Künstler als egomanisch, wird aber zu einem Hauptvertreter des Neoexpressionismus. Ausgerechnet der Tod seines Freundes Basquiat beschert Schnabel 1996 mit dessen Spielfilm-Biografie einen gefeierten Einstand all Filmregisseur. Ein geläufiges Bonmot in der Kunstszene lautet, Schnabels Filme wären beeindruckender als seine Malerei.

Erfolg auf vielen Spielfeldern

Eigentlich war Schnabel nicht als Regisseur des Films vorgesehen. Aber wegen der Szenezugehörigkeit ist sich Schnabel sicher, dem Leben und Andenken seines Freundes auch auf der Leinwand gerecht zu werden. Der Erfolg gibt Schnabel Recht – wie so oft. Es folgen weitere ambitionierte und ausgezeichnete Filme und. Auch als Innenausstatter und Architekt ist Julian Schnabel erfolgreich. Er entwirft unter anderem den verwunschenen Palazzo Chuppi in New York.

Die Doku „Julian Schnabel – A Private Portrait“ reißt Werdegang und Karriere in streng chronologischer Abfolge und mit etlichen Talking Heads aus Familie, prominenten Freunden und Weggefährten ab. Das ist sehr unterhaltsam und kurzweilig. In dieser Hinsicht ist dem italienischen Dokumentarfilmer Pappi Corsicato ein sehenswertes Filmportrait gelungen. Der Zuschauer bekommt Einblick in den überbordenden Schaffensdrang und das wahnwitzigen Selbstvertrauen des Künstlers. Auch die visuelle Darstellung der Kunstwerke beeindruckt.

Ein Hauch von Hofberichterstattung

Wer allerdings den „blinden Glauben, an das was man tut“ als Credo ausruft und dann auch noch als Produzent der eigenen Künstlerbiografie auftritt, darf sich nicht wundern, dass besonders kritische hingeschaut wird. Wer das Genre Dokumentarfilm als investigativen und kritischen Journalismus mit Mitteln des Film versteht, ist in „Julian Schnabel – A Private Portrait“ falsch.

Allerdings auch in mehr als der Hälfte aller gegenwärtiger Dokus. Das Journalisten-Motto, sich nicht mit einer Sache gemein zu machen, wird selten genug angewendet. Aber ein Dokumentarfilm ist auch nicht notwendig Journalismus. Daher kann eine gewisse Distanzlosigkeit auch einen tieferen Einblick in ein Thema erschließen. Schon längst haben sich viele ambitionierte und engagierte Filmemacher dafür entschieden in ihren Dokus Personen und Standpunkte vorzustellen, die sie selbst teilen.

„Julian Schnabel – A Private Portrait“ ist ziemlich unkritisch ausgefallen. Das lässt sich als Hofberichterstattung, als eingebetteter Journalismus, auffassen. So wie ihn diverse Streitkräfte dieser Welt ebenfalls in Kriegszeiten betreiben: Um die eigene Sicht der Dinge zu publizieren, werden nur wohlgesonnenen Journalisten zur Berichterstattung zugelassen.

Unterhaltungswert statt kritischer Distanz

„Julian Schnabel – A Private Portrait“ ist „nur“ eine Künstler-Biografie, die an den entscheidenden Stellen, nicht tief genug bohrt. Beispielsweise wenn Schnabels vierte Film „Miral“ thematisch gar nicht erst vorkommt. Denn es ist die semi-autobiografische Romanverfilmung von Schnabels langjähriger, inzwischen aber geschiedenen Ehefrau. Die Dame ist in dieser Doku auf seltsame Weise abwesend ist. Schnabels Kinder hingegen wirken gelegentlich bemüht, sich ausschließlich positiv über den Vater zu äußern.

Doch das Familienleben geht und ginge das Publikum nichts an, würde es nicht etwas „Privates“ erwarten. Manchmal wirkt es als wäre Dokumentarfilmer Pappi Corsicato („Das schwarze Loch) vor allem der Erfüllungsgehilfe des Impressarios Julian Schnabel, der sich souverän und imposant selbst in Szene setzt.

Am Ende ist „Julian Schnabel – A Private Portrait“ eine ziemlich unterhaltsame Angelegenheit, die einem tatsächlich etwas Kunst und Zeitgeist des Achtzigerjahre New York vermittelt. Wenn dem Regisseur Pappi Corsicato die kritische Distanz fehlt, schult dies vielleicht auch die Sehgewohnheiten des mündigen Publikums – Die Fähigkeit nicht alles zu glauben und zwischen den Bildern zu lesen.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Julian Schnabel – A Private Portrait
OT: Julian Schnabel – A Private Portrait
Genre: Doku, Biografie, Kunst
Länge: 81 Minuten, I, 2017
Regie: Pappi Corsicato
Mitwirkende_ Julian Schnabel, Willem Dafoe, Laurie Anderson
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Weltkino, Leonine
Kinostart: 11.01.2018
DVD-VO: 18.05.2018