Inzwischen habe ich die Gemeinde Hille in Westfalen tatsächlich auch mal gegoogelt. Immerhin hat das Örtchen, beziehungsweise ein leerstehender Schuppen dort, zur Namensgebung des furiosen Debüts von The Pighounds beigetragen. Aber die Zeiten sind vorbei, passgenau zum Album-Release des Nachfolgers „Phat Pig Phace“ schießt das Dortmunder Duo noch das Video „Hilleboom Close“ raus. Deutlicher kann man kaum sagen: Geht uns nicht auf die Eier. Wir machen schließlich kein alternative Country-Gedöns. Und tatsächlich gab‘s musikalisch lange nicht mehr so hinreißend in die Fresse.
Cover-Welten: Verspielt, ironische Starposen in künstlerischem (?) Schwarz-Weiß in einem ranzigen, kargen Keller geben vielleicht schon Aufschluss, wohin die musikalische Reise auf „Phat Pig Phace“ geht. Nach dem bunt collagierten „Hilleboom“-Cover nun also reduzierter. Es wird rootsiger, aber nicht in Sinne von Graswurzel-Folk oder alternativen Songwriter-Welten, sondern bezogen auf die eigenen Einflüsse und Vorlieben.
Da kommt der Punk durch, die ungezügelte Aggression und die Schmissigkeit jener Alternative Rock Hymnen, die in den Neunzigern so viele Fans härterer Musik auf auf den Tanzboden trieben. Das Dortmunder Duo aus dem Dunstkreis von Daily Thompson hatte im vergangenen Jahr mit dem zweiten Album „Hilleboom“, das bei Noisolution erschien, für eine der Überraschungen in Sachen noisy Garage Rock gesorgt. Angemessen abgefeiert auch auf diesen Seiten mit dieser Rezension. Jetzt wird also nachgelegt.
Der Titel des Albums gibt weiteren Aufschluss „Phat Pig Phace“ also „Fat Pig Face“ statt „Duck Face“. Die Modezeitschrift Glamour titelte bereits 2019 vom Ende der Entenschnute: „Duck Face ist out: jetzt kommt Fish Gape“; oder eben Pig Phace. Eleganter wird die Überleitung zum Opener „Fish Song“ nicht. Also direkt rein in die Songs der Scheibe.
Boomtown geschlossen
„Fish Song“ eröffnet den Reigen der elf Songs mit einen fetten Riff und einem hypnotischen Groove. Distanzierter Gesang, der zum Chorus hin ebenso explodiert wie der Rest des Songs. Das hat Hit-Potential und jede Menge Gitarrengefuzze. Auch „Big Ben“ hat diesen Ohrwurmcharakter, der unter anderen auch die Black Keys einmal ausgemacht hat. Hier wird der Sound reduziert und wie schon beim Debüt fallen mir wieder die frühen Two Gallants ein. Obwohl ich nicht weiß, ob die ebenfalls Pina Colada trinken.
Anschließend macht „Hilleboom Close“ endgültig Schluss mit Kritiker-Zweifeln und der Zurückhaltung, die sich für die beschreibende Zunft gehört. Ich bin am Headbangen und wenn‘s nach mir geht, hat die Scheibe schon gewonnen. „Too many happy people. More and more and more.“ Es fällt auf, das die Produktion knackiger ist, auch wenn ich nicht fassen kann, weshalb. Was für ein Auftakt!
Die Instrumentierung ist eher auf den Punkt und bemüht sich nicht mehr den vermeintlich fehlenden Bandsound zu vervollständigen. Stattdessen werden die Vorteile der Gitarre-und-Schlagzeug-Besetzung herausgearbeitet. Der Gesang nimmt sich ein paar Effekte, die das Klangspektum offener, den Sound zugleich aber auch wesentlich tighter machen. Das musste erstmal hinkriegen.
„Green Lobster Inc“ kennt der geneigte Fan bereits auswendig, weil die Videoauskoppelung schon seit einem halben Jahr am Start ist. Riffiges Song-Monster mit Wave-Einflüssen. „Stone“ ist der längste Song auf dem Album, der sich nach einem Auftakt-Tusch erst einmal ruhig, geradezu gelassen entwickelt und dann einen Metal-Gitarrenlauf antäuscht um in einem hinreißenden Refrain zu landen. Schönes Laut-Leise-Wechselspiel und eine einer meiner Lieblinge. Steinkalt serviert.
„Lalala (Lick it)“ ist eine räudige Punk-Nummer, die ebenfalls vorab ausgekoppelt wurde. Hier haben die Kollegen von Daily Thompson mitgewirkt, deren Live-Album demnächst erscheint. „Lalala (Lick it)“ auszukoppeln ist schon mal eine Ansage, die vielleicht auch ein bisschen andeutet, dass sich „The Pighounds“ von Hype ein bisschen distanzieren wollen. „Wow – or, The Orange Sofa“ brettert in dieselbe Kerbe und ist hypernervöser, überdrehter Punk ohne Schnörkel.
Was ist Phase, Hase?
Die anschließende Pause haben wir Hörer uns verdient. Aber „Jelly Bean“ ist mit seinem scharfen, schneidigen Gitarrenlick und dem feisten Riff wieder ein Ohrwurm, der Spaß macht und zum Mitwackeln animiert. „Shock? Horror!“ trommelwirbelt sich den Weg in den Gehörgang um mit Kreissäge-Vocals einen sonischen Infernal zu entfachen. Außerdem beschließt der Song den Ausflug ins Räudige.
Bleiben noch zwei: „Supernova“ statt „Superhero“ an zweitletzter Albumposition. Der Song klingt vertraut, aber ich komme nicht drauf. Forevermore im Sound der Gitarrenneunziger gefangen. Wenn das kein Hit ist, weiß ich es auch nicht. The Devil may care. Zum Abschluss geht es wieder in fischige Gefilde und damit ist The Pighounds irgendwie ein derart feiner Kreis gelungen, das es unmöglich Zufall sein kann. „Under Water“ ist ein großartiger Abschluss, ein spartanischer Strophengroove wird in einen brazzigen Refrain aufgelöst. Das Prinzip so vieler Nirvana-Hits führt hier zu einer Dortmunder Ausfahrt. Easy come and easy go. Schlussakkord. Danke.
„The Pighounds“ liefern mit ihrem dritten Album „Phat Pig Phase“ amtlich ab. Ich hätte nicht gedacht, dass die Beiden dermaßen nachlegen. „Hilleboom“ war schon klasse, „Phat Pig Phace“ ist nicht unbedingt besser, aber definierter, eigener, aggressiver und schlicht großartig. „Phat Pig Phace“. Ist wie „Hillebooms“ großer Bruder. Der herausgewachsene Junge, der beim Halloween-Laufen keinen Süßkram will, sondern Shots. Zugabe. Zugabe. (…und weil gerade Karneval angefangen hat:) „Da simmer dabei. Dat is prima. Lala la (Lick it).“
Album-Wertung: (9 / 10)
The Pighounds – Phat Pig Phace
Genre: Alternative Rock, Noise, Punk
Länge: 38 Minuten, 11 Songs, D, 2022
Interpret: The Pig Hounds
Label: Noisolution
Vertrieb: Edel
Format: Vinyl, CD, Digital
Album-VÖ: 18.11.2022