Barren Womb – Chemical Tardigrade: Album Review

Diese Bärtierchen (Tardigrade) sind ja recht possierliche kleine Asseln. Aber die tumbe Art der Fortbewegung sollte keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass die millimetergroßen Häutungstierchen auch ein bisschen ekelig sind. So wie der Hardcore induzierte Garagen-Rock des Trondheimer Duos Barren Womb auch stolz seine Räude herzeigt. Wahrscheinlich haben Barren Womb vor, sich und die geneigte Hörerschaft mittels Chemie in den Zustand eines Bärtierchens zu versetzen. Also rein in die Gehirnwäsche durch Lärm und Krach.

Barren Womb musizieren seit 2011 als Garagen Rock Formation, will sagen als Duo aus Schlagwerk und Klampfe. Das machen auch andere Outfits und ich bin dieser Art rudimentärer Sound keineswegs abgeneigt, solange der Schub stimmt. Das tut er bei Barren Womb definitiv, allerdings fesselt mich deren derbe Interpretation von Lärm eher weniger. Das ist eindeutig auch Geschmackssache, hat aber gleichfalls Ursachen in Soundentscheidungen und Songstrukturen. Darauf kommen wir bei den Album-Details zurück.

„Chemical Tardigrade“ ist bereits das 5. Album des Duos, aber das erste das mir zu Gehör kommt. Das mag vor allem daran liegen, dass die Vertriebsstrukturen im Underground doch eher überschaubar sind und die einheimische norwegische Szene es nicht immer aus der skandinavischen Bubble herausschafft. Ich blättere mich also durch den Bandcamp-Katalog, klicke hier und da rein, bemerke Schwierigkeiten EPs von Alben zu unterscheiden, weil beide ähnlich lang und ähnlich bestückt sind, aber mache mir auch über Definitionen weniger Gedanken.

Musikalisch aber waren Barren Womb noch nie so heavy wie anno 2024. Da scheint sich einiger Pandemiefrust aufgestaut zuhaben. Vielleicht aber hat das Duo auch lange genug den herkömmlichen Garagen Rock mit Punk Spirit zelebriert und beschlossen den Einsatz in Sachen Kantigkeit und Härte zu erhöhen. Ich kann nun nicht behaupten, das würde mich vom Hocker reißen. Gleichwohl wäre ich beim Gig dabei. Diese Musik gehört auf die Bretter und sollte für Tobanfälle sorgen.

Hardcore Garage Rock aus Trondheim

Immerhin gibt’s auch hierzulande Hardcorlastiges und Garagenrock zu hören. Ich erwähne nur die deutlich melodiöseren „Pighounds“. Oder Beehover, die durchaus mit Barren Womb vergleichbar sind. Im direkten Vergleich mit Oslos „Quarter Wolf“, die scheinbar eher ein hobbymusizierendes Spaßoutfit sind, kommen Barren Womb“ wesentlich derber daher, noisiger und krasser. Verglichen mit dem Heavy Metal Duo Mantar nun aber wirken Barren Womb eher harmlos.

Auf „Chemical Tardigrade“ werden elf Songs geboten, die sehr heavy und verzerrt auf die Zwölf zielen und meisten auch treffen. „McLembas“ ist ein schweres Brett von einem Opener und geht mit einem derben Uptempo Riff und mächtig viel Wut direkt an die Gurgel. Das gefällt schon sehr. Anschließend geht es mit „Bug out Bag“ groovy weiter. Mehrstimmige Shouts und Hysterie kommen flott auf den Punkt. Aber auch nicht wieder weg. Dafür sind schlappe 4 Minuten dann doch etwas zu monoton.

„Campfire Chemist“ geht dann reduzierter los und bewegt sich in typischeren Garage Punk Gefilden. Auch hier wird das Riff in die Ewigkeit geritten und 4 ½ Minuten sind mir trotz Tempowechseln und Stopps einfach zu lange. Das anschließende „Bachelor of Puppets“ bezieht sich wohl lustig launig auf Metallicas Opus Magnus. Vor allem aber macht der Text klar, worum es den Bachelors geht: Heute abend erstmal zuknallen, dann den Mist der Erkenntnis aus dem „dritten Auge“ wischen und für ordentlich Desaster sorgen. Das ist eine typische Street Punk Agenda, aber nicht immer meine Art von Humor. Und wieder ist mir der Song zu monoton oder zu lang.

Illiterati aller Länder vereinigt euch

Das ist insofern relativ, weil das Uptempo-Gerocke bei „Keep it R’lyhe“ extrem gut gefällt. Auch der meodische Refrain weiß mich zu überzeugen. Das Atemlose einer Hardcore-Hymne geht flott über die Rillen. Hernach weiß „D-Beatles“ mit Powercrust-Keule zu punkten. Da bin ich dabei, auch wenn ich keine Beatles heraushöre. Die Lard-artige Monotonie der „Illiterati“ hingegen weiß ich zu schätzen und das fette schwere Riff stünde auch Herrn Biafra gut zu Gehör als Gerüst seiner Predigten. Tatsächlich hatte ich wohl gerade das Lieblingsviertel des Albums hinter mir.

„Blackout Yoga“ überzeugt mich zwar im Energielevel, aber nicht als Komposition. „Squat Walker“ ist insofern eine stimmig ausgewählte Video-Single als dass es den aktuellen Sound von Barren Womb auf „Chemical Targate“ mit dem bisherigen Bandschaffen verbindet. Solider Song. Die beiden abschließenden Krachknüppel „High Fructose Napalm Syrup“ und „Dung Lung“ sind in ihrer Extremität und ihrem Geschrei wütend genug um das Album stimmig abzurunden. Soviel dazu.

Es ist keineswegs so, dass ich den hardcorelastigen Garage Rock des Trondheimer Duos Barren Womb nicht zu schätzen wüsste. Die Jungs wissen wie man Energie transportiert und Aggressionen abbaut. Dafür Hut ab. Ich bin mir sicher Barren Womb und ihr Album „Chemical Tardigrade“ finden ihr Publikum. Mir persönlich ist das alles zu klobig und nicht originell genug. Das Hauruck Rocken bleibt zu häufig im Genreüblichen stecken. Da hilft‘s auch nicht, das nur zu zweit musiziert wird. Ach ja, auf Tour ab März 2024.

Album-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Barren Womb – Chemical Tardigrade
Genre: Hardcore, Garage Rock
Länge: 37 Minuten, 11 Songs, N, 2024
Interpret: Barren Womb
Label: Rucking North Pole, Blues for the Red Sun
Vertrieb: Stickman Records
Format: Digital, Vinyl
VÖ: 16.02.2024

Barren Womb bei Bandcamp
Barren womb auf Instagram