Ein ganz schön dickes Brett, das die Norweger von „Goat the Haed“ auf ihrem neuen Album bohren. „Et Lokalsamfunn i Sorg“ definiert den Sound der Band vielleicht nicht um, erschließt aber neue Gefilde für den „zeitgenössischen Höhlenmenschen Death Metal“, den das Quartett nach eigener Aussage seit rund 20 Jahren darbietet. Da befällt den unbedarften Rezensenten schon mal ein Schauer beim Erstkontakt.
Was also soll das hier werden? Erstmal hören oder erstmal checken. Üblicherweise immer erst hören. Das ist schließlich was am Ende zählt. Und das Album gefällt, es hat so seine Stärken und seine Macken, aber lieber eine Scheibe mit Ups and Downs als durchgehend lauwarme Küche.
In der aktuellen Band-Besetzung mache ich Kenneth Kapstadt aus, der auch mal bei Motorpsycho getrommelt hat. Und der Nachname von Gitarrist Ketil L. Sæther kommt mir auch bekannt vor, wobei eine Verwandtschaft zum Motorpsycho-Bassisten Bent nur vermutet und nicht bestätigt werden kann.
Immerhin kommt die Band aus Trondheim, beziehungsweise aus dem Umland. Das ist insofern interessant, weil es sich bei „Et Lokalsamfunn i Sorg“ zumindest teilweise um so etwas wie ein Konzeptalbum handeln mag, das von der Außenseiter-Jugend auf dem norwegischen Dorf erzählen soll. Seinerzeit ereignete sich (im Konzept) etwas Tragisches, daher auch der Titel „Et Lokalsamfunn i Sorg“(eine trauernde Gemeinschaft).
Wobei, Band und Label schreiben lokalsamfunn in einem Wort, beim Vertrieb Stickman wird daraus lokal samfunn und es ist nun auch genug der Wortklauberei. Allerdings muss ich noch altklug anmerken, dass die Songreihenfolge im Download eine andere war als auf dem Album. Sofern Konzept ist das eventuell nicht unerheblich. Ach ja, gesungen beziehungsweise gegrowlt wird auch in Norwegisch, beziehungsweise spezifischer: im Trondheimer Dialekt.
„Tornado und Ölpest“
Zu hören gibt es auf „Et Lokalsamfunn i Sorg“ 12 Songs in 44 Minuten, wobei „Aksept“ als Vorspiel für das aus der Reihe tanzende abschließende „Varra Vanle“ durchgeht. Dargeboten wird orchestraler Doom Metal mit Einsprengseln von Black und Death Metal. Das Ergebnis ist durchaus eigenwillig und gefällt, weil die einzelnen Komponenten zusammen einen Mehrwert an Sound ergeben, der so sehr originell ist. Ich habe nun nicht das vergangene Output der Band komplett durchgecheckt, aber mir war schon so, als wäre es früher straighter metallisch zur Sache gegangen. Wobei ja eine recht lange Schaffenspause zwischen den älteren Sachen bis 2011 und dem vorletzten Album „Stricktly Physical“ (2021) liegt.
Los geht’s in der „Trauergemeinde“ mit dem vorab ausgekoppelten „Svart Sol Psykopomp“, das hymnisch und langsam mit gegrowlten Vocals und opulentem Orgelteppich überzeugt. Auf seine verdrehte Weise hat der Song Hitcharakter. Anschließend geht’s mit „Kjiving“ melodischer und etwas temporeicher weiter. Wäre nicht der kehlige Gesang, man möchte einstimmen. Auch ein flotter Hit, trotz der fiesen Keyboard-Läufe. „Kustos“ holt dann erstmals den echten Doom raus. Das verzögert, verzerrte Gitarrenriff schlurft Richtung Schädelberg und hier scheinen die gegrowlten Vocals erstmals ganz zuhause zu sein.
„Spark og Speining“ (Treten und Drehen) beginnt dann melodisch und getragen, nimmt stampfend Tempo auf und bleibt überraschend melodisch. „Sluk“ lässt einen Hauch von Thin Lizzy Twin Gitarren aufblitzen, die sich hier erstaunlich gut einfügen. „Tornado og Oljesøl“ fegt temporeich über die Nordsee, aber hier offenbart sich auch eine Schwäche das Bandsounds. Es ist mächtig Gedränge auf allen Frequenzen.
Schwarze Sonne
Wenn die Gitarre fett rifft und die Keys auch noch Akkorde reinschmeißen, ist das eine massive Soundwand. Da gehen schon mal Nuancen verloren. Das ist ja grundsätzlich ein Kriterium beziehungsweise Problem von Heavy Metal und Hardcore, dass da einfach immer so viel Druck ist, der die Hörerschaft umrammt. Die schiere Wucht wirft eine:n um. Das ist gewollt, sorgt aber beizeiten auch dafür, dass der Sound breiig wird und einiges nicht zur Geltung kommt. Aber das Energielevel stimmt. „Innrøkt Åkle“ zelebriert dann wieder hymnischen Doom Metal.
„Faansmakt“ bolzt anschließend richtig los und erinnert auf den ersten Eindruck an einen typischen Motörhead Song. Allerdings ist der Gesang dann doch anders. Und hier zeigt sich die ganze Kunst von Sänger Per. Üblicherweise kommen Growls immer irgendwie atonal rüber. Hier hingegen ist Melodie zu hören. Schön, bestialisch schön. „Einn en Hoin“ hat ebenfalls einen feinen „Gesang“ und ein lässiges Vocal-Gitarren-Duett zu bieten. Auf der doomigen Basis macht das schon wieder Laune.
Nachspiel und Abgang
„Auåpnar“ hat zum Abschluss des Albums noch hymnische, melodische Momente zu bieten. Eingangs erwähntes „Aksept“ ist schon als „Postludium und Abgang“ gekennzeichnet und ein Orgelnachspiel wie es zum Abschluss der Liturgie ertönen mag.
Was aber macht dann noch „Varra Vanle“? Es ist das Trinklied nach der Trauerfeier. Wenn die Messe gelesen und sich die Kumpels zur eigentlichen Trauerandacht einfinden. Mit Dosenbier ums Grab stehen und auf die alten Zeiten trinken. Ein letztes Farewell, das irgendwie nicht nur gesanglich an Leatherface erinnert. Frankie Stubbs der auf „The Stormy Petrel“ zur Hymne „Broken“ ansetzt. Schöner kann man ein „zeitgenössisches Höhlenmenschen Death Metal“ Album nicht ausklingen lassen.
Wiedermal zu ausführlich abgetaucht in den Tonträger. Je länger ich drüber schreibe, desto besser wird er. Allerdings lässt sich nicht verleugnen, dass die Songs schon irgendwie alle ähnlich klingen. So wie mir das auch auf dem Okkultokrati-Album „Raspberry Dawn“ gegangen ist. Geiles Zeug, ich mag das sehr, aber insgesamt doch eher wenig Abwechslung auf der Scheibe. So auch hier.
Mit ihrem fünften Longplayer „Et Lokalsamfunn i Sorg“ legen die norwegischen Experimental-Metaller Goat the Head“ ein eindrückliches und eigenwilliges Album hin, das phasenweise richtig großartig ist. Bisweilen ist der Bandsound etwas überfüllt, und einige Songs sind dann auch im schleppenden Midtempo eher ähnlich ausgefallen. Dennoch ein innovativer Vortrag. Mehr davon.
Album-Wertung: (6 / 10)
Goat The Head – Et Lokalsamfunn i Sorg
Genre: Heavy Metal, Doom Metal,
Länge: 12 Tracks, 44 Minuten, N, 2023
Interpret: Goat the Head
Label: Crispin glover Records
Vertrieb: Stickman
Format: Vinyl (incl. CD), digital
Album-VÖ: 24.03.2023
Goat The Head Bandseite
Bandcamp-auftritt von GTH
GTH bei Crispin Glover Records
Goat The Head bei Instagram
Tracklist Et Lokalsamfunn i Sorg
- Svart Sol Psykopomp
- Kjiving (Tå Karro)
- Kustus
- Spark og Speinning
- Sluk
- Tornado og Oljesøl
- Innrøkt Åkle
- Faansmakt
- Einn en Hoinn
- Auåpnar
- Aksept (Postludium og Utgang)
- Varra Vanle