Talking `bout my Generation

The Who Mastermind Pete Townshend hat zwar schon 1996 den Vertrag über eine Autobiographie unterschrieben, das Buch erschien aber erst jüngst, auch die deutsche Ausgabe hat nur einige Wochen auf sich warten lassen. Der 1945 geborene Londoner Musiker betont in einem Interview zur Veröffentlichung auch, dass es schlicht und einfach seine Sicht der Dinge ist, die in „Who I Am“ zum Zuge kommt. Der Titel ist also keineswegs als Anspielung auf eventuelle, vielleicht zurückliegende  Bandzwistigkeiten bezogen. Wenn eine der einflussreichsten britischen Rockbands sich schon „die Wer“ nennen, sind Missverständnisse nicht auszuschließen. „Who I Am“ ist eine lesbare, chronologische Abhandlung von Pete Townshends Leben und Werk, dabei gibt’s naturgemäß etliche Rock’n’Roll typische Anekdötchen und ein bisschen Einblick in das Seelenleben des Musikus. Ein etwas braver Lesespaß.

Was will man auch erwarten? In Zeiten des Internets und der ewig umtriebigen Pop- und Boulevardpresse sind die meisten Fakten über Celebrities heutzutage schlicht und ergreifend bekannt. Die extrem lesenswerte englische Musikzeitschrift „Mojo“ beispielsweise kommt in beinahe regelmäßigen Abständen mit ausgiebigen Features und Interviews von und über The Who auf dem Markt und im Netz gibt es – sowohl für die Band The Who als auch für Pete Townshend selbst- hervorragend gepflegte beinahe enzyklopädische Seiten. Mehr als den ultimativen O-Ton kann man von einem Musiker also nicht erwarten, wenn er über sein Leben spricht.

Pete Townshend macht das in einem vergleichsweise sachlichen Erzählton. Der Who-Gitarrist hangelt sich an den Eckdaten und einschneidenden Erlebnissen seiner Biografie entlang, scheut auch das Namedropping nicht (Wie auch, wenn man einfach jeden kennt?) und bleibt, was Hintergründe und Motivation angeht, häufig irgendwie nahe an der Oberfläche und hart an der Grenze zur Verharmlosung, denn über lange Jahre war sein öffentliches Bild durchaus ein anderes, als das des introvertierten Künstlers.

Ein bisschen gibt Townshend dann doch von seiner Persönlichkeit preis, und mangelnde Offenheit kann man dem Autor keinesfalls vorwerfen. So erwähnt er gleich zu Beginn seiner Memoiren, dass er schon immer Tagebuch geführt hat, nach The Who jahrelang in Psychotherapie war, geht auf kindliche Traumata ein und sieht sich selbst als eher schüchternen Menschen, der allerdings immer von dem Drang getrieben wurde etwas Großes zu erschaffen. Häufig genug kann der Workoholic Townshend den Erfolg dann aber nur zum Teil genießen, weil er das Gefühl hat, immer noch nicht ernst genommen zu werden und weiter um Anerkennung heischen zu müssen.

WC-LP-ARG-Pete_TownshendErst mit zunehmendem Alter scheint sich Pete Townshend mit seinem Oevre ausgesöhnt zu haben. Dabei gehört er zu den einflussreichsten Rockmusikern aller Zeiten. Nicht nur aufgrund seiner großartigen Songs und seiner aggressiven Bühnenpräsenz, die im Übrigen laut Townshend selbst ein großes Missverständnis ist, ebenso wie er rein zufällig zu dem legendären Zertrümmern seiner Instrumente gekommen ist. Es ist kein Geheimnis, dass es bandintern bei The Who immer wieder zu Reibereinen und Eskapaden gekommen ist, aber in „Who I Am“ bekommt man den Eindruck, das wäre alles halb so wild gewesen. Mit geklärter Sachlichkeit werden die Probleme nüchtern in wenigen Sätzen abgehandelt, bevor es wieder um den Schaffensdrang geht.

Womit ich wieder bei meiner Eingangsfrage bin, was man realistischer Weise von einer Musikerautobiographie, überhaupt von einer Künstlerautobiographie, erwarten kann? Auch nach der Lektüre von „Who I Am“ bin ich nicht schlauer.

Fazit: Pete Townshends langerwartete Autobiographie „Who I Am“ ist Musikermemoiren typisch ausgefallen: Viele Daten, Fakten und Namen, die weitgehend bekannt sind. Dazu ein bisschen Rock’n’roll Zirkus und ein bisschen eigene, flüssig geschriebene Nabelschau. Für Fans mag das etwas zu wenig sein, für solche, die nur interessiert sind etwas zu sachlich. „Who I Am“ ist durchaus lesenswert, in dieser stilistischen Ausprägung und Detailfülle allerdings zu lang ausgefallen, ohne wirklich etwas Neues zu erzählen.

Buch-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Townshend-Who-i-am

Pete Townshend: „Who I Am“
OT: Who I Am“, 2012

Genre: Biographie, Musik,

Übersetzung: Astrid Finke, Katrin Bielfeld, Jürgen Bürger.

ISBN: 978-3-462-04468-3

Verlag: Kiepenheuer und Witsch KiWi, gebunden, 576 Seiten
VÖ: 29.11.2012
Weiterführend Links:
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