20 Feet from Stardom: Stimmbänder aus der zweiten Reihe?

09_20_Feet_From_Stardom_vorschauSo unterhaltsam und faszinierend wie „20 Feet To Stardom“ sind Musikdokus selten. Der Film von Morgan Neville stellt jene Stimmen in den Mittelpunkt seines Films, die sonst ungenannt bleiben – die Backgroundsängerinnen. Angesichts solch geballter Frauenpower und Powerfrauen rückt der Begriff des Stars doch erheblich in den Hintergrund. Hier werden Künstlerinnen und grandiose Sängerinnen portraitiert.

Für Sherryl Crow ist die menschliche Stimme noch immer das perfekteste Instrument, das es gibt, und wenn die in „Twenty Feet To Stardom“ vorgestellten Damen zu singen beginnen, versteht man auch warum. Darlene Love und Merry Clayton sind heute selbst Stars und Diven, andere wie Lisa Fischer, Judith Hill, Tata Vega und Claudia Linnear nicht oder noch nicht. Mit ihrem stimmlichen Können hat das wenig zu tun, eher mit den Mechanismen des Pop-Business, mit der eignen Persönlichkeit, der Freude am gemeinsamen Singen und auch mit mangelndem Narzismus um ein Star sein zu wollen.

02_20_Feet_From_Stardom_Darlene_Love_PhotoCredit_WeltkinoDie Biografien der portraitierten Sängerinnen wären allesamt einen eigenen Film wert, doch in „20 Feet To Stardom“ geht es eben darum, wie es sich anfühlt, als Musiker in zweiter Reihe zu stehen, eben nicht im Rampenlicht, sondern am Rand des Spotlight. Und es geht darum, einer musikalischen Profession zu huldigen, die aus der Mode gekommen ist. Heutzutage werden Harmoniegesänge und Chöre zumeist aus Kostengründen durch die Produktionstechnik hinzugefügt. Die großen Tage der Vokalkünstler, die im Studio oder auf der Bühne für die nötige Stimmung sorgen, sind vorbei. Doch dabei geht auch ein wenig von der Seele der Musik verloren, so die nachvollziehbare These der Doku.

10_20_Feet_From_Stardom_Vega_Hill_Clayton_und_andere_PhotoCredit_WeltkinoWas macht eigentlich einen Hit aus? Eine gewisse Eingängigkeit scheint unablässig und häufig sind es nicht die Refrains selbst, sondern die antwortenden Chorelemente, die erfolgreichen Songs ihren Ohrwurmcharakter verleihen und diese zu Charterfolgen machen. Morgan Neville erzählt so auch die Geschichte der Popmusik aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel nach. Dass der Schwerpunkt dabei auf der afroamerikanischen Gesangskultur liegt, die sich aus dem kirchlichen Gospelgesang ableitet, ist zwar musikhistorisch ein wenig verkürzt, aber nachvollziehbar und bringt dem Film einen erzählerischen und emotionalen Fokus, der stimmig und in sich geschlossen ist.

Aus der Rockmusik sind schwarze Backgroundstimmen seit den 1970er Jahren nicht wegzudenken. Mit „Walk on The Wild Side“ von Lou Reed, „Sweet Home Alabama“ von Lynyrd Skynyrd und auch “Gimme Shelter” von den Rolling Stones wird die Bedeutung des Backgroundgesangs für die Rockgeschichte exemplarisch betrachtet. Und selbstverständlich kommen auch einige Stars zu Wort und werden zu „ihren“ Sängerinnen interviewt: Sting, Mick Jagger und Bruce Springsteen wissen, mit welch großartige Künstlerinnen sie zusammenarbeiten.

04_20_Feet_From_Stardom_Lisa_Fischer_PhotoCredit_Graham_WilloughbyDas eigentlich Schöne an „20 Feet To Stardom“ ist jedoch die Art und Weise, wie es Filmmacher Morgan Neville, der seit Jahrzehnten Filme über Musik macht, gelingt, seine Protagonistinnen leuchten zu lassen. Bei all der Unterschiedlichkeit der Biografien behandelt die Kamera die Damen gebührend als das was sie sind – Stars und Künstler. Es zeigen sich großartige, selbstbewusste Persönlichkeiten und charismatische Künstler, auch wenn das Leben einige Rückschläge bereit gehalten hat. Das erinnert in der Art und Weise an die großartige Sportdoku „Muhammad Ali –Der größte Boxer aller Zeiten“ (OT: Facing Ali“), in dem dessen Gegner portraitiert werden. Und so kommen auch in „20 Feet To Stardom“ die Sängerinnen als Künstler und Menschen würdevoll zur Geltung. Dafür kann man auch mal einen Oscar vergeben.

Die Musikdoku „20 Feet to Stardom“ ist ein fesselnder Dokumentarfilm und ein frischer Blickwinkel auf die Popgeschichte. Hier stimmt so ziemlich alles und Morgan Neville ist einer der besten Musikfilme der letzten Jahre geglückt. Leute, geht singen!

Film-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

20+feet+from+stardom_BluRay_2D20 Feet to Stardom
OT: Twenty Feet to Stardom
Genre: Dokumentarfilm, Musik
Regie & Drehbuch: Morgan Neville
Mitwirkende: Tata Vega, Darlene Love, Lisa Fischer, Merry Clayton, Patti Austin
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Weltkino
Kinostart: 24.04.2014
DVD- & BD-VÖ: 09.10.2014

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