An ein würdevolles Abtreten aus dem Musikgeschäft hatte man zu Gründungszeiten von Deutschlands erfolgreichster Rockband wohl keinen Gedanken verschwendet. Wer hätte auch gedacht, dass die Erfolgsgeschichte der Scorpions ein halbes Jahrhundert andauern würde. 2010 gab man offiziell den Abschied bekannt- von dem die Band mitterweile gerade ihr Comeback feiert – und ging noch einmal ausgiebig auf Welttournee. Die Filmmacherin Katja von Garnier begleitet die Abschiedstour und entlockt den Musikern dabei die eine oder andere Anekdote. „Forever and a Day“ ist ein höchst unterhaltsamer Ausflug in 50 Jahre Rockgeschichte.
Wenn man nun mit deutscher Gründlichkeit die Bandhistorie der Scorpions beleuchtet, kann man sich schon fragen, ob 1965 tatsächlich als Gründungsjahr der Band aus Sarstedt bei Hannover gelten darf. Immerhin firmierte die Band, die Gitarrist Rudolf Schenker damals mitbegründetet, noch unter dem Namen „Nameless“ und nannte sich erst ein Jahr später „Scorpions“. Mit dem Wehrdienst war dann auch erstmal Schluss mit der Band. Wiederaufnahme oder Neuanfang mit Sänger Klaus Meine erst 1969. Und eigentlich beginnt die Story erst zu diesem Zeitpunkt, denn Meine ist für den Sound und die Wiedererkennung der Band ebenso prägend wie Rudolf Schenkers Powerchords und sein Songwriting; und seit ‚78 auch Matthias Jabs Gitarrenkünste.
Womöglich haben aber eben solche Nörgeleien und Kleinkrämerallüren die Band seinerzeit bewogen auf Englisch zu singen und sich aktiv von allem zu distanzieren, was als typisch deutsch galt. Immerhin verschaffte auch das Arbeitsamt der Band die eine oder andre abstruse Auftrittsmöglichkeit, wie Rudolf Schenker zu berichten weiß, denn die Musiker waren dort als arbeitssuchend geführt. Nach Rock’n’Roll klingt das allerdings nicht gerade. Und es hat auch lange gedauert, bis die Band auch in ihrer Heimat Deutschland den verdienten Status bekommen hat. In Japan schon längst Megastars, in den USA gefeierter Live-Act und in Deutschland noch immer ein Geheimtipp gitarrengieriger Langhaariger. Aber das ist Geschichte und spätestens mit dem 1982 Album „Blackout“, dem legendären Helnwein-cover und dem Megahit „No One Like You“ der im US-Radio ohne Ende durchgenudelt wurde, sind die Scorpions in Rockolymp angekommen.
Die Rock-Doku „Forever and A Day“ packt die Bandgeschichte in den Rahmen der laufenden weltweiten Abschiedstournee, die die Scorpions bis 2012 veranstaltet haben. Regisseurin Katja von Garnier („Bandits“, „Abgeschminkt“, Ostwind“) und ihr Team finden einen guten Draht zu den Bandmitgliedern, die aktuell von Schlagzeuger James Kottak und Bassist Pavel Maciwoda komplettiert werden. Selbstredend kommen aber im Wesentlichen die drei alten Hasen und Aushängeschilder der Band zu Wort.
Dokumentarisch stellt sich immer die Frage, wie man das Archivmaterial mit Qualitäten und vor allen seinen Formaten in den Gesamtfilm einbindet. „Forever and a Day“ belässt glücklicherweise die alten Formate. Bezüglich der englisch sprechenden Bandmitglieder und Wegbegleiter hat man sich entschieden, keine Untertitel einzusetzen, sondern eine deutsche Tonspur als Voice Over zu verwenden. Das mag anfangs irritieren, tut dem Film aber keinen Abbruch. Und wer so lange erfolgreich im Geschäft ist hat einfach eine Menge zu erzählen.
Der Blick auf die Bühne macht deutlich, wodurch die Rocker aus der Nähe von Hannover ihren Erfolg erarbeitet haben und ist mitreißend von den Kameras eingefangen. Allerdings bleiben die Konzerteindrücke schnipselhaft und werden immer wieder unterbrochen, um die Fülle an Archiv und Interview-Material unterzubekommen. Das ist ein bisschen schade, aber kein Beinbruch, schließlich gibt es etliche Live-Dokumente der Scorpions. Dafür gibt es ziemlich persönliche Einblicke und man kommt den Menschen in der Band nahe. Das werden nicht nur Fans zu würdigen wissen. Und so wie es aussieht bleiben uns die Scorpions noch ewig und drei Tage erhalten, frisch mit Jubiläumsalbum und Tourankündigung zum 50.
Auch wenn man „Wind of Change“ inzwischen vielleicht nicht mehr hören mag, weil die „Hymne der Wende“ längst ein Eigenleben entwickelt hat, den Zeitgeist hat der Scorpions-Song getroffen und die zehn ausverkauften Konzerte in Sankt Petersburg, 1988 noch Leningrad, sind ein Meilenstein in der Geschichte der Rockmusik. Das zeigt auch die feine Doku. Und das von einer Band, die bei einem Wettbewerb einen Plattenvertrag gewonnen hat, aber disqualifiziert wurde, weil sie zu laut war. Aber so ist das, wenn man wie ein Hurrikan rockt.
Film-Wertung: (8 / 10)
Forever And A Day
Genre: Musik, Dokumentarfilm,
Länge: 100 Minuten, D, 2015
Regie: Katja von Garnier
Mitwirkende: Klaus Meine, Rudolf Schenker, Matthias Jabs, Dieter Dierks
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Tempest, 3 Rosen GmbH
Kinostart: 236.03.2015