Cemetary of Splendour: Schlaflabor

Es gibt Filme, die erschließen sich nicht auf den ersten Eindruck. Das kann dennoch sehr faszinierend sein. So mit „Cemetary of Splendour“ aus dem Jahr 2015, der hierzulande Anfang 2016 in die Kinos kam. Regisseur Apichatpong Weerasethakul haut gerne mal Kurzfilme raus, aber die langen Spielfilme sind von großer poetischer Pracht. Quasi ein Friedhof der Pracht. Vorgestellt in den #IdendesMärz.

Das alte Gebäude wird seit kurzem als Krankenhaus genutzt. Auf einer eigenen Station liegen Soldaten, die an einer mysteriösen Schlafkrankheit leiden. Eine ältere, hinkende Frau arbeitet hier als freiwillige Krankenschwester. Jen (Jenjira Pongpas) fühlt sich besonders mit dem jungen Soldaten Itt (Banlop Lomnoi) verbunden. Kein Mensch weiß, woher die Narkolepsie rührt, und das Krankenhaus probiert neue Therapieformen aus. Farbige Lampen und Beatmungsgeräte sollen für besseren Schlaf und bessere Träume sorgen.

Um mit den Soldaten in Kontakt zu treten, bitten Angehörige die junge Frau Keng (Jarinpattra Rueangram) ihre medialen, übersinnlichen Fähigkeiten zu nutzen. Zwischen der Krankenschwester und dem Medium entsteht eine Freundschaft. Keng berichtet von Itts Träumen.

Soldaten für einen 2000 Jahre alten Kaiser

Es geht die Geschichte, auf dem Gelände habe vor 2000 Jahren ein Königspalast gestanden. Vor der Krankenhausnutzung ist Jen hier zur Schule gegangen. Die schlafenden Soldaten wären nun also die Soldaten, die für die damaligen Herrscher kämpfen. Dann erwacht Itt für kurze Zeiträume. Jen zeigt ihm die Stadt und sorgt dafür, dass der junge Soldat wieder zu Kräften kommt. Doch Itt verfällt urplötzlich immer wieder in Schlaf.

In „Cemetary of Splendour“, übersetzt etwa „Friedhof der Herrlichkeit“, geht es anders als in „Onkel Bonmee“ äußerst diesseitig zu. Baggerlärm dringt durch die offenen Fenster und verortet den poetischen thailändischen Film sehr geerdet im Diesseits. Wie kaum ein anderer zeitgenössischer Filmmacher versteht es der thailändische Regisseur Apichatpong Weerasethakul („Tropical Malady“, „Onkel Bonmee erinnert sich an seine früheren Leben“) die Gegenwart mit der Vergangenheit und die Vergänglichkeit mit der Ewigkeit zu verknüpfen.

Geister und Träume der Kindheit

„Cemetary of Splendour“ kommt ohne viel Effektgetöse aus. Wie selbstverständlich treten die Geister, Gottheiten und Stimmen in unsere Welt ein. Für westliche Sehgewohnheiten und Denkstrukturen mag das bisweilen irritierend sein. Zumindest für mich ist es nicht immer leicht, die metaphysische Dimension zu erfassen. Insgesamt bleiben mir in Apichatpong Weerasethakuls Werken immer erhebliche Restzweifel, ob ich überhaupt etwas verstanden habe.

„Cemetary of Splendour“ ist ein ruhiger, fließender, linear erzählter Film. Häufig bleibt die Kamera auf der Krankenstation, auf dem Gelände des Gebäudes oder im Park, ohne dass vordergründig viel passieren würde.
In Cemetary of Splendour“ ist unter der Ruhe einiges los: Die beiden Prinzessinnen aus dem Schrein, zu dem Jen betet, tauchen extra auf, um sich bei ihr für die Gaben zu bedanken und Itt führt seine neue Freundin durch den antiken Königspalast. Die schlafenden Soldaten sollen ihre Geliebten preisgeben, sich zu der geplanten Kücheneinrichtung äußern, oder schlicht sagen, was sie gerne essen wollen. Das ist bisweilen lustig und lässt den Zuschauer:innen viel Raum für Gedanken und Träumereien.

Die Lichtinstallation im Krankensaal ist sehr eindrücklich geraten. Der Filmemacher überträgt die Beleuchtung auch auf nächtliche Stadtimpressionen. Immer wieder unterbrochen (oder angereichert) von Stadt- und Umland-Beobachtungen, die zwar zusammenhanglos wirken, sich aber nahtlos in die ätherische Stimmung einfügen.
So der Blick über den See, an dem die Stadt Khon Kaen im NordostenThailands in der Provinz Isan, liegt.

Ein schlafendes Land

Apichatpong Weerasethakul wuchs hier auf. Es scheint ein wesentliches Anliegen seines achten Langfilms zu sein, die Geister der eigenen Kindheit zu suchen. „Cemetary of Splendor“ ist dabei aber keineswegs introvertiert und nicht zu einer filmischen Nabelschau des Regisseurs geworden, sondern auch eine Metapher für den Zustand Thailands.

Seit 2014 herrscht eine Militärdiktatur. Seit Jahren befindet sich das Land in politischer Stagnation. Die schlafenden Soldaten sind ein naheliegendes Bild dafür. Ihr Traumkampf für längst vergangene Herrscher deutet eine historische Dimension an, die immer noch nachwirkt. Diese Lesart von „Cemetary of Splendor“ ist bei weitem nicht die einzige, aber Apichatpong Weerasethakul zeigt auch ein paralysiertes Land.

Der thailändische Filmmacher Apichatpong Weerasethakul liefert mit „Cemetary of Splendor“ einen reichhaltigen, ruhigen und unaufgeregt poetischen Film ab. Für “Onkel Bonmee erinnert sich an seine früheren Leben” gewann der thailändische Filmmacher Apichatpong Weerasethakul in Cannes die Goldene Palme. Auch in „Cemetary of Splendour“, seinen neuesten Film spielt der Einfluss vergangenen Geister eine wichtige Rolle. Quasi im Schlaflabor träumen sich die Geister zurück ins Leben.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Cemetary of Splendour
OT: Rak ti Khon Kaen
Genre: Drama,
Länge: 122 Minuten,
Regie: Apichatpong Weerasethakul
Darsteller:innen: Jenjira Pongpas, Banlop Lomnoi,
FSK: ohne Altersbeschränkung, Ab 0 Jahren
Vertrieb: Rapid Eye Movies
Kinostart: 14.01.2016
DVD-VÖ: 26.07.2019