Miss Mellow – Dancing through the Earth: Album Review

„Seit 2019 treibt sich die Band voller Spielfreude in psychedelischen Klangwelten herum“ weiß der Begleittext zu Miss Mellows zweiten Album „Dancing through the Earth“ treffsicher zu informieren. Das mag die geneigte Hörerschaft auch am collagierten Cover ableiten. Und dennoch wissen Miss Mellow auf ihrem aktuellen Album zu überraschen.

Das Album ist bereits vor einigen Wochen erscheinen, aber der Rezensent war überlastet. Zum durchaus beachtlichen, selbstbetitelten Debut „Miss Mellow“ wusste brutstatt.de die wagemutige Fusion diverser Musikstile durchaus zu schätzen; nur die Strukturen der meist langen Lieder erschlossen sich nicht immer. Nun las ich bei einem englischschreibenden Kollegen, dass er es seltsam fände, dass Miss Mellow auf ihrer neuen Scheibe einige ihrer Songs in Abschnitte unterteilt hätten. Wie die Künstler es auch machen, der Kritik ist nichts recht.

Tatsächlich finde ich das Musikzieren des seit 2019 bestehenden Münchener Quartetts sehr stimmig und sehr eigenständig, aber eben auch schwer zu kategorisieren. Ich mag das, und ich meine auch eine musikalische Entwicklung herauszuhören. Allerdings ist das bei der Komplexität der Kompositionen nicht immer klar zu benennen.

Wer die Band bereits kennt, sollte das Album von Beginn an genießen. Wer sich eher von schweren Ende des Rockspecktrums nähert, beginne mit „Kanononen“ und erschließe sich den Rest. Die Progressiven unter den Hörer:innen beginnen mit dem „Blackout“. Und bei allem Funk, Fuzz und Fusion erinnern mich Miss Mellow einerseits an so genannte Jam-Bands. Deren Musizieren entsteht – in der Tradition der Grateful Dead – aus der gemeinsamen Improvisation. Andererseits erinnern mich Miss Mellow auch an die frühen „Konzept-Alben“ von Rush, die fantastische Geschichten erzählen. Von der „Fountain of Lameth“ führt ein kosmischer Pfad zu „Dancing through the Earth“.

Das lebende Kraftwerk

Das Album hat in 46 Minuten fünf Songs zu bieten. Wobei der Titelsong aus vier eigenständig anwählbaren Teilen besteht und „Blackout“ in zwei eigenständige Sektionen unterteilt ist. Der krittelnde Kritiker hätte noch das vorangehende „Prelude“ einbezogen, aber das auch zum Teil, weil ich eingangs darauf herumgeritten bin.
Überhaupt spielen Miss Mellow beinahe irrwitzig kompakt zusammen, und sowohl die Twin-Gitarren-Teile als auch die Rhythmus-Gruppe sind wirklich klasse. Nachzuhören im 12minütigen Abschlusssong „Step the Strive“ bei dem auch Gastgitarrist Junsuke Kondo Akzente zu setzen weiß.

Der Viertelstünder „Dancing through the Earth“ beginnt mit einer rasant groovenden Reise. „Mind Voyage“ geht mit uptempo, einprägsamem Riff und toller Gitarrenharmonie auf Erkundungstour. Die orientalischen Melodiefiguren sind hypnotisch, bevor Teil 2 „Broken Path“ eine wohlverdiente Pause macht und mit elegischen Klängen in klassischen Prog-Territorien baladiert.

„Far Out“ nimmt als dritter Part dann den Tanz der Derwische wieder auf und fegt den Tanzboden ganz weit draußen. Das „Dancing Through The Earth“-Quartett mach dann „Living Power Plant mit funky Tanzgrooves klar und orgelt sich schön entspannt am Dancefloor entlang bis die Gitarren sich duellieren. Den Gesang bei Miss Mellow teilen sich die drei Seiten Saiten-Zauberer übrigens auf.

„So frei. So frei. So frei. So frei. So frei.“

„Kanonen“ reitet auf einen knackigen Groove und überrascht mit deutschem Text. Und dann haut das Riffbrett stonermäßig rein. Und die Gitarren lässen später Thin Lizzy mäßig austrudeln, dass mir fast die Tränen kommen. „Prelude“ kommt als Pianotrack mit fast beatlesartigen Gesangsharmonien daher und leitet in den „Blackout“ über.

Funky Gitarre, hibbeliger Gesang und dann zappeliger Rhythmus und furiose Steigerung aller musikalischen Zutaten hinterher. So geht „Dark Maze“, des Blackouts erster Teil. Da brauchts eine Pause und vielleicht auch eine Reggae Anspielung zum Runterkommen. Bisweilen erinnert die überbordende unberechenbare Spielfreude durchaus an King Gizzard & The Lizzard Wizzard. Den Album-Abschluss macht dann wie bereits erwähnt das 12 minütige, mäandernde „Stop the Strive“ klar und endet mit einen fetten Rock Brett.

Miss Mellow habens drauf und kriegen mit ihren wilden Stilmix auch international Anerkennung. Das mag zum Teil am griechischen Label liegen, aber wohl schätzt mensch anderswo solcherlei progressives Musizieren eher als in der überschaubaren teutonischen Szene. „Dancing through the Earth“ ist ein rundheraus gelungenes und abwechslungsreiches Rockalbum; für eigentlich alle, die offene Ohren haben und sich von langen Liedern nicht abschrecken lassen. Keine Spur von sinnlosem Gegniedel. Gerne auch live und bunt genießen.

Bewertung: 8 von 10.

Miss Mellow – Dancing through the Earth
Genre: Progressive, Funk Rock, Psychedelic
Interpret: Miss Mellow
Label: Sound Effect Records
Format: Vinyl, digital, CD,
Album-VÖ: 23.05.2025

Miss Mellow bei Bandcamp
Sound Effect Records
Instagram von Miss Mellow

Schreibe einen Kommentar