So wünscht mensch sich das als junge Band: Songs aufnehmen, digital im Selbstvertrieb ein Album veröffentlichen, dass einem Record Label so gut gefällt, dass daraufhin ein Vinyl veröffentlicht wird. So geschehen bei den Münchenern Miss Mellow, deren selbstbetiteltes Debüt Album nun im November 2023 beim griechischen Label Sound Effect Records veröffentlicht wurde und seinen Weg zum Rezensenten gefunden hat. Geboten wird Fusion Rock der entspannteren Art – mellow eben.
Mensch mochte meinen im ersten Song des Albums „Miss Mellow“ stecke so etwas wie die Bandphilosophie. Immerhin heißt der Song „Chopsticks“, also „Essstäbchen“ und der Refrain geht „i like it over here, i like it over there“. Wie beim Sushi-Buffet bedient sich das Quartett auch musikalisch bei allem gefällig im Ohr bleibt. So zumindest mein erster Eindruck bis ich zu recherchieren begann und im Artikel der Kollegin von der Süddeutschen las, sie hätte „a rocket over here, a rocket over there“ gehört. Das brachte meine Interpretation dann doch kurz ins Schwanken.
Immerhin hatte es die Band, die es seit 2019 gibt, schon im Februar 2020 zur „Band der Woche“ in der Süddeutschen Zeitung“ gebracht. Scheinbar war der Großteil der Songs, die auf dem Debüt zu hören sind, seinerzeit schon mehr oder minder präsentabel. Und die Band selbst gab an, schon von alten Orgelsounds inspiriert zu sein. Also jetzt nicht Bach- und Kirchenmusikalt, sondern in Poppigen sixties. Ich höre bisweilen auch Glam Rock und Prog-Anleihen heraus, und mehr.
Perkussive Essstächen
Dem Orgel- bzw Keybord-Gedanken folgend, spielen die drei Bandmitglieder, die die Saiteninstrumente bedienten, jeweils auch Synthies und teilen sich den Gesang. Zum Teil wird mehrstimmig harmoniert und Lisa Weigsberger ist als Gastsängerin dabei. Auf dem selbstbetitelten Debüt mit den von der Muse bequalmten Musikern auf dem Cover gibt es in 47 Minuten 6 Songs zu hören. 6:20 markeirt dabei die kürzeste Kompositionseinheit.
Den Auftakt macht wie schon erwähnt „Chopsticks“. Wir mögen es hier und da und finden unser Leben ansonsten bedeutungslos. Nun denn. Zu Reggae-induziertem Rhythmus kann man auch anders texten. Das Mantra sitzt auch wen nach 2:30 Minuten erst soliert wird und es dann wuselig rockend abgeht, um kurz vor Ende wieder eingefangen zu werden. Da sind Jam-Elemente drin, eine gut eingespielte Verspieltheit und der Hang zur musikalischen Bummelei abseits der Wege. Interessanter Auftakt.
Anschließend fragt sich die Band „Who Abides?“ treibt den Funk fast ins Discohafte und kommt mit sehr poppigen Chorus ums Eck. Insgesamt bleibt der Song erstaunlich straight, ist mit 10 Minuten eventuell etwas zu ausufernd ausgefallen.
„Ich brauche ein Update“
Habe ich erwähnt, dass die Gitarre gerne in Santana-Sounds unterwegs ist? Selbst wenn es in Surf-Gitarre abgleitet. Wie bei „Walk the Universe“, als erst der Rock-Rhythmus stolpert und dann der Surfsound einsetzt. Ich finde das nicht sonderlich stimmig, aber ich bin auch nur der Schreiberling. Die dann noch in den Song eingebaute Pause finde ich gleichfalls sperrig. Die Jungs haben sich sicher etwas dabei gedacht, also nicht vom Video-Single-Edit ablenken lassen.
Der Titelsong „Miss Mellow“ geht es sehr poppig, psychedlisch und sixties-lastig an. Nach einer Tempodrosselung bei 2/3 geht es dann auf den Endspurt zu. Da galloppiert der Gaul ordentlich über die Blumenwiese. „Update“ bringt dann eine andere Klangfarbe ins Spiel und auch deutschsprachige Texte. Da höre ich eine stimmige Verbindung aus Krautrock und Neuer Deutscher Welle, die mir erstaunlich modern und zeitgemäß vorkommt. Es geht auch relativ zielstrebig zur Sache, wie das bei Updates so sein sollte. Vielleicht der klarste Song auf dem Album.
Zum Abschluss lassen es Miss Mellow nochmal krachen. Holen die Glam-Rock-Harke raus, und The Sweet auf die Bühne, die nacheiner guten Minute an Uriah Heep übergeben. Dann ergeht sich „Peace in my Mind“ in psychedelischen Soundlandschaften, die erst vier Minuten später wieder zum Rock zurückkehren. Es dann aber zügig und sich steigernd nach Hause spielen.
Insgesamt amalgamieren „Miss Mellow“ deutlich poppiger und mit wesentlich mehr Hang zu Melodie und Gesang als es artverwandte, aktuelle Bands tun. Da fügen sich die Versatzstücke ganz flott und mit poppiger Psychedelic zusammen. Mir persönlich sind die Songstrukturen nicht stringent genug. Der überwiegende Teil der sechs Songs hätte (zumindest auf Konserve) auch genauso gerne in mehrere Einzelstücke unterteilt werden können. So geht in meinen Ohren durch die Tempi-, Rhythmus- und Motivwechsel zuviel Momentum flöten. Wer es abwechslungsreicher und trotzdem melodisch mag, sollte jedoch ein Ohr riskieren.
Album-Wertung: (6 / 10)
Miss Mellow: Miss Mellow
Genre: Fusion Rock, Psychedelic Pop
Länge: 47 Minuten (6 Songs), D, 2023
Interpret: Miss Mellow
Label: Sound Effect Records
Format: Digital, Vinyl
VÖ: 10.11.2023 (digital 02.2023)
Miss Mellow bei Bandcamp
Miss Mellow bei Sound Effect Records
Istagramauftritt Miss Mellow