Ansichten am Donnerstag # 49: Schwarze, amerikanische Unterschicht im Doppelpack

2010 im März starteten gleichzeitig zwei Filme in den deutschen Kinos, die vieles gemeinsam haben, aber unterschiedlicher kaum hätten ausfallen können: „Precious – Das Leben ist kostbar“ und „Blind Side – Die große Chance“. Beide haben als Ausgangsbasis für das Drama eines schwarzen Teenagers. Nicht nur für Filmstudenten empfiehlt sich die Doppelvorstellung.

Eigentlich böte es sich an, die beiden erfolgreichen Filme gemeinsam zu besprechen und zu vergleichen, Parallelen und Unterschiede gibt es genug. Andererseits pflegen wir auf diesem Portal die Einzelberichterstattung um dem jeweiligen Film als eigenständiges Werk gerecht zu werden.

Dennoch erstaunt mich die Tatsache, dass beide Filme schon in den USA am gleichen Termin auf die Leinwand gelassen wurden. Entweder greifen dabei Synergieeffekte, die man sich erhofft, weil sich die Zuschauer nach dem einen noch den anderen Film anschauen, oder „Precious“ und „The Blind Side“ existieren in komplett parallelen Universen, mit völlig unterschiedlichen Zielgruppen.

Der wesentliche Unterschied liegt wohl in der Intention der Filmemacher. Geld einspielen wollen beide. Während es in „Blind Side“ eher nebenbei um Michael Oher geht, liegt der Fokus des Dramas auf Hollywood-Star Sandra Bullock. Es wird deutlich, dass man vor allem eine Geschichte erzählen will, die zwar auf wahren Begebenheiten beruht, aber recht konventionell inszeniert ist.

„Precious“ und „The Blind Side“

Anders dagegen in „Precious“. Auch hier wird vor allem eine Geschichte erzählt, doch die Art und Weise ist eine ganz andere, und man merkt, dass die Filmemacher mehr wollen und auch erreichen. Auch wenn es sich um eine Literatur-Verfilmung handelt, ist es die große Stärke des Films, dass er so authentisch wirkt.

Womit sich die Frage stellt, ob Fiktion nicht doch die bessere Realität ist? Ist Wahrheit oder Wahrhaftigkeit das wirklich Entscheidende an einem Kunstwerk? Doch bevor es allzu philosophisch wird, denn an dieser Frage sind schon klügere Köpfe zerbrochen, zurück zum Eingangsvorschlag: Wer die Gelegenheit hat und am Thema Interesse findet, sollte sich dringend beide Filme anschauen. Wenn auch nicht notwendiger Weise direkt nacheinander.Man kann einiges über Amerika lernen und vielleicht auch über die eigene Gesellschaft.

Viel Spaß im Kino.

(ursprünglich veröffentlicht bei Cinetrend.de am, 25.03.2010)