Ghibliothek: Totoro lässt grüßen

Weltweit werden japanische Zeichentrickfilme häufig mit dem Wirken eines Animationsstudios gleichgesetzt. Das Studio Ghibli ist für einige der zauberhaftesten Zeichentrickfilme verantwortlich und wird von Fans für das beste Animationsstudio der Welt gehalten. Die beiden englischen Film-Nerds Michael Leader und Jake Cunningham haben eine lesenswerte Werkschau des einflussreichen Studio Ghibli geschrieben. Diese ist im Oktober 2022 bei Panini auch auf Deutsch erschienen.

Dieses Buchprojekt fing mit einer harmlosen Unterhaltung an, bei der Film- und Animationsfan Michael Leader feststellte, das sein Kollege Jake Cunningham bislang keine Bekanntschaft mit japanischen Animationsfilmen gemacht hat. Systematisch haben die beiden sich die Filme des weltberühmten japanischen Animtaionsstudios Ghibli vorgenommen.

Leader und Cunningham haben die Filme geschaut und dann in einem Podcast darüber geredet. Aus dieser Serie ist nun ein buh entstanden, das in Großbritannien bereits 2021 erschienen ist. Aufgrund der Neugier und des Erfolgs legten die beiden 2022 noch eine „Anime-bibliothek“ nach, in der wichtige Anime-Filme vorgestellt werden, die nicht vom Studio Ghjibli produziert wurden. Hierzulande sind beide Bücher zeitgleich bei Panini erschienen. (Hier geht’s zur Rezension der „Anime-Bibliothek„)

Chihiros Reise ins Zauberland

Die beiden Autoren erweisen sich als tolle Reisebegleiter bei diesem filmischen Ausflug in die fantastischen Welten des Studio Ghibli. Hier stehen japanische Sagenfiguren nebenfuturistischen Umweltkämpferinnen und Tierische Fabeln neben biografischen Erzählungen und international gefeierten Leinwanderfolgen.

Gegründet wurde das Animationsstudio von Toshio Suzuki, Hayao Myazaki, der zuvor bereits für etliche bekannte Anime-Serie (u.a. auch Heidi) bekannt war. Sowie von Myazakis Mentor Isao Takahato, der als eigenwillig galt. Bis zur eigenen Produktionsfirma dauerte es eine Weile, aber die Projekte waren allesamt sehr ehrgeizig. Andersals in der westlichen Kultur haben Comics beziehungsweise Animationen in Japan nicht das Image Bildergeschichten für Kinder zu sein. Daher wurden auch anspruchsvolle, erwachsene Themen im Zeichentrick umgesetzt.

Das Königreich der Träume und des Irrsinns

Anders wäre eine Geschichte von zwei Kindern, die im Krieg zu Überleben versuchen „Das letzte Glühwürmchen“ kaum erklärbar gewesen. Sicherlich gibt es immer auch den Verweis auf „Animal Farm“ der 1954 entstand und die Historie der Sowjetunion als Fabel auf einem Bauernhof erzählt. Aber Animal Farm ist eine absolute Ausnahmeerscheinung in Sachen Zeichentrick-Film. Hayao Myazaki wird oft genug der Disney Japans genannt, und damit zugleich geehrt und verkannt.

Zurück zur Ghibliothek. Die Aufgaben-Teilung der beiden Autoren ist Klar und stimmig. Michael Leader, der zu Beginn des Projektes bereits ein Ghibli-Experte ist, liefert die Hintergründe zu Entstehung und Historie der einzelnen Filme, die chronologisch vorgestellt werden. Anschließend sorgt Jake Cunningham für eine klassische Filmkritik.

Wichtig ist dabei auch der Blick auf die Filme in der Rückschau, die eine ganz andere Einordnung in den film- und Studio-Kanon zulässt, als ein Review direkt zur Veröffentlichung. Aber das kommt den Texte und dem Buch nur zu Gute. Und schließlich bleibt ein guter Film, ein guter Film.

Was ein bisschen in den Hintergrund rückt, sind die klassischen Inhaltsangaben zu den Filmen. Die Leserschaft muss sich schon in die Texte begeben, um herauszufinden, worum es überhaupt geht. Aber dazu gibt es ja umfangreiche Recherchemöglichkeiten und ohnehin ist die „Ghibliothek“ weniger dazu gedacht, dass jemand das buch von vorne bis hinten durch liest und sich dann auf die Filme stürzt.

„Arriety – Die wundersame Welt der Borger“

Vielmehr ist die „Ghibliothek“ ein Kompendium, ein Nachschlagewerk, das allen Filmfans genügend Ansatzpunkte bietet, um sich die jeweiligen Werke zu erschließen. Jeweils zu den Filmen ist auch umfangreiches Artwork abgebildet, so dass Leser:innen einen Eindruck des Stils und der Optik des Films bekommen.

Lange Jahre waren Animes, wie auch Mangas – also japanische Comics – hierzulande und in der westlichen Kultur generell ein Nischenthema und eher schwierig zu bekommen. Inzwischen hat sich das auch dank der Streaming-Dienste und Spartensender im TV geändert und eigentlich alle der vorgestellten Filme sollten hierzulande erhältlich sein.

Grundsätzlich stellt sich dann ja immer die Frage, ob Zuschauer:innen das japanische Original mit Untertiteln schauen, oder die Synchronfassung. Bei Zeichentrickfilmen ist das nicht ganz so erheblich. Viele ältere Animes – gerade Serien – sind allerdings aus Budget-Gründen nur mäßig übersetzt. Für die Ghibli-Filme gilt das glücklicherweise nicht.

Es gibt über die „Ghibliothek“ nichtrs weiter zu sagen, außer dass die beiden Kollegen einen tollen Job gemacht haben und es anschließend an die Film-Vorstellungen noch einen Haufen weiterführende Literatur gibt. Und den Verweis auf die Dokus über die Macher. Unter anderem auch „Kingdom of Dreams and Madness“. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass viele Ghibli-Filme auch in Editionen mit üppigem Bonusmaterial und Storyboards für das Home-Entertainment erscheinen sind (z.B. „Ponyo“). Wer da intensiver einsteigen will, hat eine Menge zu tun.

Freunde und Freundin des bewegten gezeichneten Bildes kommen um dieses Buch kaum herum. Wie die Autoren betonen, finden sowohl Neulinge als auch Experten hier umfassendes Material und viele Infos zu den jeweiligen Filmen und zum Studio selbst. Wem das nicht reicht, der findet im Anhang eine ausführliche Literaturliste. Das Schaffen des Studio Ghibli ist vielschichtig und faszinierend. Die Texte sind kompetent und gut lesbar. Die Ghibliothek ist eine absolute Empfehlung.

Ghibliothek- Der inoffizielle Guide zu den Filmen von Studio Ghibli
OT: Ghibliotheque, Welbeck non-fiction/ little dot studios ltd.,2021
Genre: Sachbuch, Film, Animation, Zeichentrick
Autoren: Michael Leader, Jake Cunningham
Übersetzung: Katrin Aust
ISBN: 978-3-8332-4262-5
Verlag: Panini
VÖ: 25.10.2022

Ghibliothek bei Panini Comics

P.S. Bei brutstatt.de werden in den kommenden Wochen noch ca. 50 Animes, Anime-Serien und Zeichentrick-Filme vorgestellt, die als Rezensionen im Archiv lagern, aktuell aber andernorts nicht verfügbar sind. Zeit die Chose mal wieder online zu stellen.