Lone Wolf & Cub – Master Edition Band 1

Es gibt wenige Comic-Titel, die es zu Weltruhm gebracht haben und auch außerhalb des Mediums Achtung und Respekt als Literatur und Kunst genießen. Die epische Saga vom umherziehenden Samurai mit dem Kind von Autor Kazuo Koike und Zeichner Gôseki Kojima „Lone Wolf & Cub“ gehört definitiv dazu. Panini Comics bringt die gesamte Serie nun in einer gebundenen Master Edition heraus. Band Eins hat zurecht eine Leseempfehlung ab 16 Jahren.

Warum eine Master-Edition eines mehr als 50 Jahre alten japanischen Comics veröffentlichen? Das mag sich der eine oder andere Leser fragen. Die Antwort besteht aus mehreren Gründen, die ganz unterschiedliche Aspekte beleuchten. Da wäre zunächst der Kult-Comic selbst, der weltweit Fans hinter sich vereint. Dann wäre die Stellung und der Einfluss auf das Medium Comic zu erwähnen. Weiterhin die Zugänglichkeit hierzulande und schließlich die Tatsache, dass ein Meisterwerk endlich mit einer „Master Edition“ gewürdigt wird.

„Lone Wolf & Cub“ wurde 1970 von Autor Kazuo Koike und Zeichner Gôseki Kojima ersonnen. Die Abenteuer eines herrenlosen Samurai, eines Ronin, der auf Rache sinnt, sind historisch in die Edo-Epoche eingeflochten. In Japan, wo Comics – also Mangas – schon immer extrem beliebt waren und auch für erwachsene Leserschaften gedacht, wurde „Lone Wolf & Cub“ schnell ein Publikumserfolg. Es folgten sechs Jahre mit etlichen Geschichten, die in sich abgeschlossen und nicht einmal in chronologisch fortlaufender Reihe erzählt wurden.

Der ewige Ronin auf fast 10.000 Seiten

Letztlich entstanden 28 Sammelbände mit fast 10 000 Seiten. Bereits nach dem ersten Jahrgang wurde über eine Verfilmung geredet, für die Autor Koike später Drehbücher verfasste, und eine TV-Serie entstand ebenfalls aufgrund desenormen Erfolgs. Es dauerte nur einige Jahre, bis die Serie auch in den USA zu Kultstatus gelangte.

Hierzulande hat deutlich länger gedauert, bis die Serie überhaupt verfügbar war. Einige lose Geschichten würden sporadisch in den 1980ern veröffentlicht. Ein erster Versuch einer Gesamt-Edition wurde nach einigen Bänden eingestellt. Erst ab 2003 wurden die 28 Sammelbände bei Planet Manga komplett auf Deutsch veröffentlicht. Jeder Sammelband hat ca. 300 kleinformatige Seiten, wie das für die Mangas typisch ist.

Planet Manga gehört ebenfalls zum Panini Verlag. Nachdem die Sammelbände nicht mehr aufgelegt werden und zum Teil vergriffen sind, lag es nahe, nun eine hochwertige Ausgabe auf den Markt zu bringen. Neben der festen Bindung ist vor allen das größere Seitenformat ein wirklicher Kaufanreiz.

Es mag so wirken, als wäre diese Rezension etwas spät unterwegs, aber das offizielle Veröffentlichungsdatum im Juni täuscht. Tatsächlich gab es Produktions- und Lieferschwierigkeiten und dann dauert es ebenfalls bis das Rezensionsexemplar hier eingegangen ist. Die ca 700 Seiten wollen auch noch gelesen sein. Aber keine Bange, es gibt noch nicht soviel aufzuholen. Band 2 ist im September erschienen und Band 3 für Ende Oktober angekündigt.

Artwork und Erzählstil

Was also macht den Charme der Geschichten aus? Das Setting ist ebenso schlicht wie klassisch. Ein Samurai wird Opfer einer Intrige, bei der seine Frau stirbt und er verstoßen wird. Nun muss er sich um den kindlichen Sohn kümmern. Dabei hat Okami Rache geschworen und zieht nun als Auftragsmörder durchs Land. So lässt sich die Vergeltung umsetzen. Doch der Weg des Samurai ist der Weg der Gewalt.

Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen wurden aus produktionsgründen nicht koloriert. Anfang der 1970er war Farbdruck auf andere Weise noch sehr aufwändig. Außerdem hatte sich die vermeindlich schlichte Optik nicht nur im japanischen Manga etabliert, sondern auch in den cartoons westlicher Tageszeitungen.

Dabei sind jeweils nur die Auftaktseiten der Episoden auch getuscht und schattiert. Ansonsten wird „Lone Wolf & Cub“ stilistisch klar und mangamäßig karg in Strichzeichnungen gehalten. Man mag das dürftig finden, aber es entspricht nicht nur dem Medium und den damaligen Produktionsstandards, es hat auch eine puristische Klasse wie sie etwa alten Schwarz-Weiß-Filmen zu eigen ist. Diese wusste auch mit den Beschränkungen des Mediums meisterlich umzugehen und zeitlose Kunstwerke zu schaffen, die auch heute noch bestehen und wirken.

Im Rahmen dieser schlicht gehaltenen Eckdaten lassen sich trefflich unterschiedlichste Aspekte vereinen. Die Macher haben historische Details und Fakten in die Story eingewoben. Die Erzählung ist eher für erwachsene Leser gedacht, quasi eine frühe Form der Graphic Novel. Dabei vergleichsweise gewalttätig und auch freizügig. Wobei beides nie Selbstzweck ist, sondern immer im Dienst der Geschichte steht und die Gebrochenheit und Getriebenheit der Charaktere zeigt. Aber die Leserschaft sollte nicht außer Acht lassen, dass „Lone Wolf & Cub“ ein Genre-Comic ist. Quasi der Spaghetti-Western unter den Samurai-Untergattungen. Mit all seiner Brutalität, Absurdität, seiner Coolness und seinem schwarzen Humor.

Hochwertige Edition in Buchleinen

Im ersten Sammelband der ziemlich erschwinglichen auf 12 Deluxe-Bände ausgelegten Veröffentlichung merken Leser:innen, dass die Künstler auch mit ihrer Erzählung wachsen. Die ersten sieben Kapitel sind jeweils etwa 30 Seiten lang, was der damaligen Heftstärke entsprochen haben mag, dann werden die Storys länger und damit auch komplexer. Die Figuren werden plastischer und die Zeichnungen düsterer.

Zeichner Gôseki Kojima ist nicht nur ein Meister der cinematischen Bildführung über die Seiten, sondern auch ein kunstvoller Ausgestalter scheinbar schlichter Hintergründe. Schraffuren und Schattierungen mit solcher Konsistenz zu produzieren ist ein handwerkliches Meisterstück, das viel zu oft unbeachtet bleibt. Zum Teil kommen einem da die Linol- und Holzschnitte europäischer Expressionisten in den Sinn. Darüber hinaus ist es immer wieder erstaunlich mit wie wenigen Strichen hier großes Erzählen zelebriert wird.

Es wurde Zeit für eine hochwertige Sammler-Edition dieses wegweisenden und immer noch faszinierenden Mangas. Der Schutzumschlag ist schon schön, aber die schlichten Schwarzen Leinen-Einbände mit der Jade-farbenen Prägung sind äußerst edel. Inhaltlich und grafisch ist der klassische Kult-Manga ohnehin eine Klasse für sich.

Comic-Wertung: 10 out of 10 stars (10 / 10)

Lone Wolf & Cub – Master Edition Band 1
OT: Kozure Okami
Genre: Manga, Comic, Samurai, Historisches
Autor: Kazuo Koike
Zeichner: Gôseki Kojima
Übersetzung: John Schmitt-Weigand
ISBN: 9783741627965
Verlag: Panini Comics, Hardcover, 692 Seiten
VÖ: 26.07.2022

Lone Wolf & Cub in der deutschen Wikipedia

Englischer Wikipedia-Eintrag zu LW&C

Master Edition 1 bei Panini Comics