1988 hatte der amerikanische Comiczeichner und –Autor Howard Chaykin mit seiner harten und pornografischen Kriminalgeschichte um einen mysteriösen Film einen handfesten Skandal entfacht. Das war auch durchaus beabsichtigt, denn Chaykin, der inzwischen zu den renommierten Comicautoren gehört, wollte gegen die sich ausbreitende Prüderie in der Branche rebellieren. Nun legt Chaykin ein Vierteljahrhundert später die Fortsetzung seines skandalösen Werkes vor und siehe da, die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. Erneut weigern sich Händler und Lieferanten, die Geschichte auszuliefern und zu verkaufen. Und gerade weil es sich um einen Comic handelt und man das hierzulande häufig genug noch für Kinderkram hält: „Black Kiss“ ist definitiv nicht für jugendliche Leser geeignet.
In „Black Kiss“ dreht sich die Story vor allem um den Jazzmusiker Cass Pollak (nachzulesen in der Review), der scheinbar zufällig die nymphomane Beverly trifft, die seine Hilfe braucht, um eines ominösen Sexfilmchens habhaft zu werden. Darauf zu sehen Hollywoods großer Star Charles „Bubba“ Kenton, der quasi alles bestiegen hat, was nicht bei drei auf dem Baum war. Um Bubba herum hat sich eine Art schwarzmagischer Kult gebildet, der auch nach seinem Tod noch der sexuellen Ausschweifung huldigt. Die Mitglieder des Geheimbundes sind häufig gesellschaftliche Persönlichkeiten.
Eigentlich war die Story von „Black Kiss“ zu Ende erzählt. Für die Fortschreibung greift Autor Chaykin auf die Geschichte von Bubba Kenton und Beverly zurück. Mit Bubba und seiner schwarzmagischen Besessenheit, verabreicht durch den Verkehr mit einem Dämon beginnt der Kult. „Black Kiss 2“ erzählt in zwölf abgeschlossenen Episoden, die lose im Verlauf des Jahrhunderts angesiedelt sind, von der Besessenheit und ihrem Weg in der jüngeren Geschichte. Das macht auch vor den Nazis in Paris nicht Halt und teilt gleich zu Beginn einen derben Seitenhieb auf die Filmindustrie aus. Die letzten drei Kapitel spielen dann nach den Ereignissen von „Black Kiss“ und Bevery und ihre Gespielin Dagmar treffen Cass Pollak wieder. Quasi als Bonus wird dann im „XXXmas in July Special“ noch die Vorgeschichte von jener Beverly erzählt, die einst als Eunice auf dem Land aufgewachsen ist und einen ganz besonderen, jahrzehntelangen Rachefeldzug zu bestreiten hat, um ein Kindheitstrauma zu eliminieren.
Wie man es erwartet hatte, geht es in „Black Kiss II“ ausgesprochen pornographisch und explizit zur Sache. Allerdings, und das ist das große Manko der Fortschreibung, fehlt die Story. Was hier an Handlung ausgebreitet wird, lasst sich mit kurzen Worten zusammenfassen, und folgt in jeder Episode demselben Muster: Erst wird gerammelt, dann wird gekillt. Ein übergeordneter Erzählfaden ist nur mit der obstrusen Story des dämonischen Succubus gegeben, der Bubba und Beverly ihre blutige Lüsternheit eingepflanzt hat. Succubus, für alle die‘s nicht wissen, ist ein weiblicher böser Geist, der sich nachts mit Schlafenden paart, ohne dass diese das merken. Incubus nennt man dementsprechend das männliche Gegenstück.
Mir ist das als Story zu wenig und dadurch wirkt „Black Kiss II“ auch deutlich plakativer als die erste Storyline.Auch das Artwork weiß nicht so recht mit dem Vorgänger mitzuhalten. Es fehlen die musikalischen Versatzstücke. Wo ist der Jazz geblieben? Es fehlt die Thrillerspannung. Stattdessen gibt es mit der Titanic, dem frühen Hollywood, New Orleans im Carneval zu Beginn der 1960er recht plakative und auch klischeebehaftete Handlungsorte. Auch die grafischen Seitenaufteilungen, und die Arbeit mit den computergenerierten Hintergrundelementen wirken nicht so recht ausgereift. Beizeiten sogar einfach lieblos zusammengewürfelt.
Es scheint fast, als hätte der Künstler Chaykin sich auf das Wesentliche konzentriert: Den zu erwartenden Skandal. Das geht deutlich zu Lasten von Storytelling und Artwork. Den subversiven Charme von „Black Kiss“ kann die Fortschreibung 25 Jahre später nicht wiederbeleben.
Comic-Wertung: (5 / 10)
Black Kiss Volume 2
OT: Black Kiss Vol. 2, Black Kiss 2 1-6, Black Kiss XXXmas in July Special, 2013.2014,
Genre: Graphic Novel, Crime Noir, Erotik-Thiller
Autor & Zeichner: Howard Chaykin
Übersetzung: Marc-Oliver Frisch
Verlag: Panini Comics, Hardcover, 180 Seiten
VÖ: 25.11.2014
PS: Nicht von den farbgen Einzelcovern der US-Ausgaben irritieren lassen: Auch Black Kiss 2 ist in Schwarzweiß gehalten.