X-Men – Inferno: Kein Mutant ist eine Insel

Furioses Finale! Mehr muss man zu Jonathan Hickmans Schlussstreich „X-Men Inferno“ eigentlich nicht sagen. Hickman gehört zu den Starautoren des Comics und liefert mit dem dritten in sich abgeschlossenen X-Men-Epos eine großartige Story ab, eindrucksvoll inszeniert von Caelli, Schitti, Curiel. Also ab auf die Mutantenisel Krakoa.

Den Mutanten der Welt ist mit der Insel Krakoa ein Refugium geschenkt worden. Dort herrscht ein Rat von gewählten Mutanten und bestimmt über die Geschicke der Mutanten der Welt. Professor X und Magneto stehen Seite an Seite und sorgen für Frieden.

Doch der Frieden wird bedroht, weil Mystique die Macht über die Insel ergattern will. Dazu lässt sie die Seherin Destiny wieder auferstehen und schlägt diese für einen Sitz im Rat vor. Das ist insofern tricky, weil Destiny die Zukunft voraussehen kann. Wie also darauf reagieren?

Als sich heraustellte, dass Moira MacTaggert eine Mutantin ist, der mehrere Wiedergeburtszyklen zur Verfügung stehen, haben sich die vermeintlich festgeschriebenen Schicksale der Mutanten gewandelt. Es ist keineswegs mehr sicher, dass die Mutanten im Krieg gegen Menschen und Maschinen unterliegen müssen. Der finale Konflikt rückt näher.

Wer kennt das Abstimmungsergebnis im voraus?

Zugegeben, ich musst mich in das Setting erste einmal einfuchsen. Dazu hat es fast die ersten 50 Seiten, also das erste der vierextradicken US-Hefte gebraucht. Einerseits liegt das an der komplexen Geschichte, andererseits daran, dass Autor Hickmann zu ellenlangen Dialogen neigt. Zumindest in dieser Story.

Es ist immer etwas riskant, eine Superheldengeschichte in mehreren sich beeinflussenden Zeitebenen zu erzählen. Das kann leicht in die Hose gehen. In „X-Men:Inferno“ gelingt der Coup allerdings. Das erinnert nicht von ungefähr an die dystopische und klassische X-Men-Story „Zukunft ist Vergangenheit“ von Chris Claremont (New Mutants: Höllenbiest“) und John Byrne. Diese war auch die Vorlage zum fünften X-Men-Film „Zukunft ist Vergangenheit“ (2014). Mir persönlich hat das Leinwandspektakel gefallen.

Jonathan Hickman ist ein feiner Erzähler, vor allem für Sci-Fi-Stoffe. Ich finde es immer noch schade, das Panini Comics seine epische Saga „East of West“ nicht über den dritten Sammelband hinaus fortgesetzt hat. In den USA lief die Serie bis 2019 über 45 Einzelhefte.

Kinogroße Bilder

Auch optisch hat „X-Men: Inferno“ Einiges zu bieten. Die Zeichnungen von RB Silva, Stefano Caselli, Valerio Schiti sind schlicht großartig und haben Leinwandformat. Actiongepackte Panels wechseln sich mit überbordenden Szenarien ab und konkrete Close-ups mit dynamischen Dialogen. Ein bisschen Fantasy ist in der Inszenierung des Rates auch mit enthalten. Da klingen Elfensitzungen aus „Herr der Ringe“ ebenso an wie verschwörerische Geheimtreffen aus „Game of Thrones“.

Das alles selbstredend vor einem futuristischen Hintergrund, der kosmische Kräfte und fabelhafte technoide Wesen zutage fördert. Lange gab es nicht mehr so fantasievolle Charaktere zu erleben. Und sie sind meisterhaft gezeichnet und toll und variantenreich koloriert.

„X-Men: Inferno“ ist episch und herausragend. Anfangs nötigt die komplexe Geschichte der Leserschaft, die nicht bereits „House of X“ und „Power of X“ gelesen hat, einiges an Konzentration ab, aber der Einsatz lohnt sich. Klasse Story, klasse Artwork. Ein furioser Schlusspunkt von Hickmans X-Men Saga.

Comic-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

X-Men: Inferno
OT: Inferno (2021) 1–4, Marvel Comics, 2021/22
Genre: Comic, Superhelden,
Autor: Jonathan Hickman
Zeichner: RB Silva, Stefano Caselli, Valerio Schiti
Farben: David Curiel
Übersetzung: Alexander Rösch
ISBN: 9783741628894
Verlag: Panini Comics, Softcover, 212 Seiten.
VÖ: 16.08.2022

X-Men: Inferno bei Panini Comics