Seit Panini Comics begonnen hat, Comic-Alben aus dem französischsprachigen Raum zu veröffentlichen, ist nicht nur das Verlagsportfolio um eine schillernde Schattierung reicher, sondern die vornehmlich erwachsenere Leserschaft darf sich auch über das ein oder andere Kleinod des grafischen Erzählens freuen. Mit „Jude“ legen der angesehene belgische Szenarist Jean Dufaux und der Künstler Guillem March eine Story vor, die vom amerikanischen Traum handelt: Vom Tellerwäscher zum Millionär- oder hier besser vom Table Dancer zum Leinwandstar. Dabei hat die Geschichte durchaus einen mysteriösen Touch und eine solide Portion Sex und Crime. Das verkauft sich eigentlich immer.
Jude ist ein ebenso durchtrainierter wie attraktiver Mann, der seinen Lebensunterhalt als Erotikdarsteller in einem Sexclub verdient. Sein Live-Act mit Partnerin Ona ist die Attraktion des Etablissements „Girls in Love“, das als Insidertipp gehandelt wird. Hierhin ist auch die Model-Agentin Madison unterwegs auf der Suche nach frischen Körpern und Gesichtern. Der charismatische Jude überzeugt die Agentin vom ersten Auftreten an, aber nicht nur Madison hat ein Auge auf den Adonis geworfen, sondern auch Sina Song.
Deren regelmäßiger Besuch der Show geht mit gehörigem Rockstargehabe einher. Das ist allerdings auch standesgemäß, ist Sina doch die Tochter des mächtigen Gangsterbosses, der Chinatown kontrolliert. Vater und Tochter schlägt man nichts ab und so wird Jude zum Toyboy der Gangstertochter, während er gleichzeitig versucht, Madisons Karriereangebot für sich zu nutzen. Das führt zu einigen Konflikten, bei denen auch Ona ein Wörtchen mitzureden hat und auch Madisons Auftraggeber sind nicht ohne Einfluss.
Erzählt wird die Story des Schönlings Jude aus Sicht von Madison, die im Auftrag mysteriöser Leute unterwegs ist, um Menschen auszuwählen. Wozu und für wen bleibt zumindest im Auftaktband dieser Reihe noch ziemlich unklar. Das mag man beim ersten Lesen für ein wenig unausgegoren halten, aber Jean Dufaux ist ein renommierter und erfolgreicher Comicautor, beziehungsweise Szenarist wie das im französischsprachigen Comic genannt wird. Viele seiner Werke, die von historischen Abenteuern über Fantastisches bis hin zu realistischen Stories reichen, sind auch hierzulande erschienen. Die meisten davon im Splitter Verlag, der ja auch über Panini vertrieben wird (z.B. „Kreuzzug“, Morena“, „Saga Valta“). „Der Traum“ fügt sich in diese eher abenteurlastigen Serien nicht gerade ein. Was das Storygerüst von „Der Traum“ noch im Verborgenen hält, kann durchaus noch eine spannende, thrillerartige Geschichte werden, für erste diabolische Andeutungen wird bereits gesorgt.
Außergewöhnlich allerdings ist das Artwork von Guillem March. Über den Spanier ist nicht viel bekannt, bevor er 2008 für DC Comic zu arbeiten begann. Seitdem hat er einige Superhelden als Zeichner, Tuscher oder Kolorist in Szene gesetzt. Vor allem das Artwork der Serie „Talon“ um den Rat der Eulen aus dem Batman-Universum stammt aus seiner Feder. Allerdings gibt es im amerikanischen Mainstream-Comic ganz andere grafische Anforderungen als in dieser erotisch- künstlerischen Geschichte „Der Traum“. Die Zeichnungen sind sehr detailliert und weil March auch die Farbgebung erledigt, haben die Charaktere und die Lokalitäten einen sehr kunstvollen Touch, der sich aus dem filigranen Zusammenspiel von Strichschraffuren und pastosem Farbauftrag ergibt. Man beachte vor allem das Spiel mit dem Licht in jener Szene, in der Ona Jude nach der Show zur Rede stellt, oder auch den wahnwitzig detaillierten Schattenfall des Baumes in der Gartensequenz.
Insgesamt wirkt der erste Band von „Der Traum“ als hätten sich da zwei Comic-Künstler gefunden, die zusammen eine künstlerische Vision entwickelt haben. Der Auftakt lässt durchaus noch Luft nach oben, überzeugt aber vor allem optisch. Thematisch geht es dabei nicht nur um platten Sex, sondern die Spielarten von Erotik, den Reiz des Verruchten und um Abhängigkeiten, die sich ergeben, wenn Macht und Geld ins Spiel kommen. Eine amerikanische Stadt bietet sich als Schauplatz für so ein Setting noch immer an, vor allem mit der Aussicht, dass die Traumfabrik Hollywood auch jenen ein Chance bieten könnte, die bisher im Zwielicht agiert haben – so wie Jude.
Comic-wertung: (7 / 10)
Der Traum- Band 1: Jude
OT: The Dream 1 – Jude, Dupuis Verlag, 2018
Genre: Comic, Erotik, Drama, Thriller, Mystery
Autor: Jean Dufaux
Zeichner & Kolorist: Guillem March
Übersetzung: Julika Herzog
Verlag: Panini Comics, Hardcover, 56 Seiten
VÖ: 23.07.2018