Warten auf’n Bus – Staffel 2: Letzte Ausfahrt Briesow

Als ich „Warten auf’n Bus“ vorgestellt hab, hatte ich empfohlen, am Ende gleich wieder von vorne anzufangen. Musste jetzt nicht mehr tun; gibt ‚ne zweite Staffel. Ist sehr ähnlich, aber doch anders. Mehr Action quasi…und andere Themen. Ist zwar Comedy, ist aber nicht immer lustig. Kann man gucken. Muss man gucken. Jetzt bei Eye See Movies auf DVD und Blu-ray.

Anfang? Wo’s anfängt. Zwei rustikale Endvierziger, Hannes und Ralle, warten Tag für Tag in einer Bushaltestelle in einem Kaff in Brandenburg auf den Bus, beziehungsweise die Busfahrerin, die an der Endhaltestelle ihre Zigarettenpause macht. Dabei kommen diverse aktuelle oder grundlegende Themen zum Vorschein und werden mehr oder minder ausführlich durchgekaut. Ach ja, es wird berlinert, dass du schon mal nachdenkst, ob die Untertitel für Hörgeschädigte vielleicht doch helfen, oder ob’s am Thema liegt, dass du nix kapierst.

Nun aber scheint sich das zu ändern: Johannes „Hannes“ Ackermann (Ronald Zehrfeld) hat sich rausgeputzt für ein Vorstellungsgespräch. Die neue Teslafabrik sucht noch Gärtner für die Dachbegrünung der neuen Fabrikationshalle. Hannes ist mordsmäßig aufgeregt. Ralf „Ralle“ Paschke (Felix Kramer) hat für den Kumpel Nervennahrung dabei: Eine ganze Kühltasche voll Pausenbrot und so weiter. Und ‚ne „Schultüte“ gibt’s auch. Und für alle Fälle auch einen Halben, den Hannes dankbar aufreißt, bevor ihm auffällt, dass es vielleicht ein bisschen früh ist für das erste Bier.

War nur gut gemeint, schließlich weiß Ex-Alki Ralle wie sich das so verhält mit den Trinkgewohnheiten. Aber da kommt auch schon der Bus in Richtung „1. Arbeitsmarkt“. Das Warten hat sich mal gelohnt. Bei all dem Trubel, dem Sombrero und den Luftballon vergisst Hannes die Kühltasche und nun wartet Frührentner Ralle alleine mit Hund Maik, dass der Kollege zurückkommt.

Das kann schon mal existenziell werden, auch und gerade, wenn noch ‚ne Flasche Korn rumsteht, die eigentlich für Hannes einstand gedacht war. Und dann kippt der Ralle auch noch um. Der Auftakt der zweiten Staffel der rbb-Comedy-Serie „Warten auf’n Bus“ beginnt hochdramatisch und nicht wirklich witzig. Fast so als führten die Drehbuchautoren Hannes Hesse-Zitat „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ in Richtung Gedichtende weiter: „Des Lebens ruf an uns wird niemals enden.“ Frage ist und bleibt, ob wir auch antworten, oder ob das Anbölken denn nie aufhört.

Glücklicherweise kommen Hannes und Ralle nach dem zerrüttenden Auftakt wieder in gewohnte Fahrspuren, aber es geht schon turbulenter zu als in der ersten Staffel. Hannes und Kathrin (Jördis Triebel) werden Fluchthelfer für einen Abschiebekandidaten, ein Diskurs übers Wachträumen landet dann doch wieder in der DDR Vergangenheit, eine Beisetzung steht an, Hannes verknallt sich in eine neue studierte Nachbarin und braucht Nachhilfe in Sachen Beziehungsanbahnung, Ralle identifiziert die Sporttouristen als erste Anzeichen der Gentrifizierung auf den Brandenburger Ruderalfluren und zum furiosen Finale provoziert Wachtmeister Britzke (Alexander Schubert) so lange bis Ralle aufsteht.

Ich hab’s schon zur ersten Staffel gesagt und wiederhole mich gerne. „Warten auf ‚n Bus“ ist kein herkömmliches Comedy-Format, eher so eine Freiluft Talkshow in der es genauso oft abstrus und lustig zugeht wie es tragisch und ernsthaft ist. Die Themen sind oft ernst, ihre diskursive Behandlung ist frei flottierender Wahnsinn, der in jeder Sekunde, mit jedem falschen Wort, mit jeder unbedachten Entgegnung ist hinreißend unvorhersehbare Richtungen vorstößt so wie einst die „Enterprise“ unterwegs war um neue Welten zu entdecken.

Wenn Britzke den beiden Flitzpiepen vorwirft, sie erinnerten ihn an die beiden alten aus der Muppet Show (Waldorf und Statler heißen die beiden mürrischen Alten) ist das nur die halbe Wahrheit. Gleichzeitig sind Hannes und Ralle quasi postkommunistische Ausprägungen von Becketts Sinnsuchern Vladimir und Estragon, die immer noch auf Godot warten, aber längst wissen, dass niemand jemals kommt, um sie abzuholen. Im Gegenteil: des Lebens Ruf beordert am Ende womöglich noch den Bus ab, wenn die Effizienz der Linie auf dem Prüfstand steht. (Bei der Gelegenheit: Mein Textanfang ist bei Dylan Thomas „Unter dem Milchwald“ entlehnt).

Der rbb (Rundfunk Berlin Brandenburg) hat mit „Warten auf ‚n Bus“ ein einzigartiges Serienformat geschaffen, das mit seiner scheinbaren Schlichtheit begeistert und – um mal abstrusen Werbesprech zu benutzen – auf das Maximum reduziert ist. In der Praxis beutet das, es passiert praktisch nichts. Das Setting ist immer unaufgeregt gleich, das überschaubare Personal ist konstant und fotogen heruntergerockt. Wichtig ist, dass die Besetzung ebenso großartig wie charismatisch wie authentisch ist. Allen voran Ronald Zehrfeld („Dengler“, „Phoenix“) und ist Felix Kramer („Freies Land“) die sich in alter Jugendfreundschaft wie ein Ehepaar verbal battlen, dass es eine wahre Freude ist.

Die Qualität der Texte macht letztlich den großen Suchtfaktor von „Warten auf’n Bus“ aus. Das ist schon fast Theater und so sehr die Unterhaltungen improvisiert wirken, sind sie doch bis ins letzte gescripted. Offiziell wird Oliver Bukowski immer als Drehbuchautor geführt, aber im Bonusmaterial, bei dem auch einer Gesprächsrunde anlässlich der Festival-Premiere der zweiten Staffel gezeigt wird, erwähnt Bukowski explizit, dass eine Gruppe von Autor:innen (Bukowski, Sophie Decker, Dirk Laucke, Anne Rabe, Hannah Zufall) die pointenreichen und dramatisch komischen Drehbücher verfasst. Die Dialoge in „Warten auf’n Bus“ gehören zum großartigsten was im deutschen Film-und Fernsehschaffen aktuell produziert wird.

Regie führt in der zweiten Staffel Fabian Möhrke, der erfolgreich daran arbeitet, das Format nicht mit Action und Schauwerten zu überfrachten. Hier und da wird ein bisschen nachjustiert, um nicht in der Ostalgie-Ecke zu landen. Dann sind auch mal die Müllcontainer gegenüber zu sehen. Überhaupt ist es ein bisschen das Motto der zweiten Staffel aus den Warten herauszukommen. Auch mal aus dem Bushäuschen raus und im Kornfeld nebenan nachdenken oder im nahen Waldstück Schatten suchen. Aber seht selbst. Ich laber‘ eh schon wieder zuviel.

Es ist jetzt nicht so, dass die TV-Serie „Warten auf’n Bus“ eine fortlaufende Handlung hätte oder überkomplexe Figurendichte. Trotzdem: Die zweite Staffel mit den beiden Bushaltestellen-Besetzern Hannes und Ralle hält das Niveau der Serie konstant auf außergwöhnlichem Niveau. Vermeintliche Verortung des Formats in ostdeutschen Befindlichkeiten geht ganz und gar am Thema vorbei. Hier spielt das Leben selbst mit all seinen kleinen Schrecken und großen Freuden.

Serien-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Warten auf’n Bus – Staffel 2
Genre: TV-Serie, Komödie, Drama,
Länge: 210 Minuten (ca 7 x 30), D, 2021 + Bonus-Material (ca 50 Min.)
Regie: Fabian Möhrke
Drehbuch: Oliver Bukowski et al
Darsteller: Ronald Zehrfeld, Jördis Triebel, Felix Kramer,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: rbb media, Senator, eye see movies,
Digital-Release: 13.11.2021
DVD- & BD-VÖ: 14.01.2022

Copyright der Bilder: Senator Production (©SenatorMaorWaisburd)

Episodenguide:

  1. Wieder da
  2. Britzke jagt
  3. Dann wach ich lieber auf
  4. Kopp hoch!
  5. Ick Tarzan, du Jane
  6. Vukano
  7. That’s not a test!

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