Zum Jahresauftakt 2021 veröffentlicht Panini Comics eine Mini-Serie des Avengers „Hawkeye“. Als Solo-Held ist der Bogenschütze Clint Barton immer für besondere Geschichten gut. In den vergangenen Jahren waren Hawkeyes eigene Abenteuer gründlich verschiedenen zu den bombastischen Avengers-Herausforderungen. So auch in „Held im freien Fall“. Clint Barton will seine Stadt von einem arroganten Schurken befreien. Eine lässige Serie von Autor Matthew Rosenberg und Zeichner Otto Schmidt.
Superschurke Hood versammelt seine Leute, um einen Coup vorzubereiten, und Clint Barton alias Hawkeye hat nichts Besseres zu tun, als bei dem Meeting aufzutauchen, sich mit dem Schurken anzulegen und ihn dingfest zu machen. Die Ernüchterung folgt tags darauf im Gerichtssaal:
Während die kleinen Fische zu minderen Strafen verknackt werden, muss Hood, der in Zivil Peter Robbins heißt, gar nicht erst erscheinen und wird laufen gelassen. Vielleicht war das zu erwarten in einer Stadt, in der der Kingpin, Wilson Fisk, es zum Bürgermeister gebracht hat.
Doch Clint kann die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Zu sehr ist ihm der neureiche arrogante Robbins, der nur zufällig an einen magischen Mantel à la Doc Strange gekommen ist, ein Dorn im Auge. Doch dann taucht wie aus dem Nichts Ronin auf, benimmt sich ziemlich kriminell und bringt Hawkeye in eine missliche Lage. Immerhin hat Clint das Ronin-Kostüm auch einmal getragen. Kein Wunder also, dass die Superheldenkollegen bei Barton nachfragen.
Allen voran Winter Soldier und Falcon, mit denen Hawkeye eh so seine Probleme hat. Aber, wenn man als Avenger eigentlich keine Superkräfte hat, kann man zu den Kollegen schon mal eine gesunde Rivalität entwickeln. Doch auch Spider-Man und Daredevil klopfen bei Clint an, so dass dieser kaum Gelegenheit hat, seine Beziehungsprobleme mit Night Nurse, Linda Carter, mal ernsthaft anzugehen.
Streunender Einzelkämpfer
In „Hawkeye: Held im freien Fall“ geht es turbulent und actionreich zu. Doch hier wird keine explosive, epische Avengers-Action geboten, sondern es geht eine Nummer handfester zu. Zwar verfügt Schurke und Gegenspieler Hood über Magie, aber gegen Hawkeye bevorzugt er scheinbar solide Keilereinen. Das Artwork von Otto Schmidt, der bereits „Green Arrow“, den Bogenschützer der Marvel-Konkurrenz DC Comics, zu Papier brachte, ist kraftvoll und dynamisch. Seine Charaktere haben etwas leicht cartoonesques, sein Strich ist leicht, das erinnert etwas an Alphonas „Ms.Marvel“, vielmehr aber an Sanford Greenes „Power Man und Iron Fist“. Der Seitenaufbau ist lesefreundlich, allerdings bin ich kein großer Freund von farbig unterlegten Gedankenblasen – und Hawkeye denkt ziemlich viel auf lila Hintergrund. Die Zeichnungen sind schon schick und die Kolorierung steht dem in Nichts nach.
Und auch die Geschichte von „Punisher“-Autor Matthew Rosenberg kann sich lesen lassen. Dieser Hawkeye ist in seiner Nachbarschaft verortet wie er es bereits in den herausragenden Hawkeye-Megabänden „Mein Leben Als Held“ und „Mein Leben als Waffe“ war. Ich persönlich mag diesen „freundlicher Superheld aus der Nachbarschaft“ Ansatz, der die übernatürlichen Helden wieder zurück in den Alltag und auf den Boden der Tatsachen holt. Insofern ist die stimmungsmäßige Nähe zu den „Heros for Hire“ und zu Daredevil schon mal grundsympathisch.
Dass der Held bei seiner einsamen Mission selbst in Verdacht und auf scheinbare Abwege gerät, gibt der Geschichte etwas Tragisches, das an den Punisher erinnert, aber auch einen knackigen Kontrast zur locker-flockigen Erzählhaltung dieser Geschichte bietet. Hawkeye plaudert eben gerne mal aus dem Nähkästchen oder besser aus dem Köcher für die Spezial-Pfeile. Und mit fortschreitender Geschichte kommen einige unerwartete und schräge Wendungen zu Tage. Das ist schon sehr unterhaltsam zu lesen.
Mit „Hawkeye: Held im freien Fall“ ist endlich mal wieder eine Solo-Serie mit dem Bogenschützen der Avengers am Start. Und dem kreativ-Duo Matthew Rosenberg und Otto Schmidt gelingt ein Treffer ins Schwarze. Gerne mehr davon.
Comic-Wertung: (8 / 10)
Hawkeye: Held im freien Fall
OT: Hawkeye: Free Fall 1-6, Marvel Comics, 2020
Autor: Matthew Rosenberg
Zeichner: Otto Schmidt
Farben: Shannon Andrews Ballisteros, Martin Biro, Alanna Smith
Übersetzung: Matthias Wieland
Vertrieb: Panini Comics, Softcover, 140 Seiten
VÖ: 12.01.2021