Im Vorlauf des brandneuen Marvel Superhelden-Films „Doctor Strange“ Ende Oktober, können sich die Comic-Fans des Magiers auf eine ganze Reihe interessanter Veröffentlichungen bei Panini Comics freuen: Neben der „Offiziellen Vorgeschichte zum Film“, werden auch zwei klassische „Doctor Strange“-Abenteuer auf Deutsch auf den Markt gebracht: „Der Eid“ und „Anfang und Ende“. Zudem gehört der Magier Stephen Strange auch zu den sechzig Serien-Neustarts, die Marvel in der „All New, All Different“ auf die Leser loslässt. Seit langem hat „Doctor Strange“ also endlich wieder eine eigene Soloserie. Und die Neudefinition von Autor Jason Aaron und Zeichner Chris Bachalo ist wirklich gelungen.
Nachdem Stephen Strange gerade dabei ist eine magische Besessenheit zu korrigieren und zufällig (für den Neuleser aber höchst hilfreich) auch über seinen Werdegang nachdenken konnte, bemerkt der Magier auf dem Heimweg nach Greenwich Village, dass New Yorks Straßen ziemlich bevölkert sind von magischen Wesen aus anderen Dimensionen. Strange denkt sich nicht weiter etwas dabei, aber als die junge Bibliothekarin Zelma Stanton mit seltsamem, bissigem Ausschlag am Kopf um Hilfe fragt, beginnt sich der Magier nun doch zu wundern. Denn die Seelenfresser, die sich als Parasiten bei der Bibliothekarin eingenistet haben, sollten definitiv nicht in unserer Dimension sein.
„Die Hirnmaden sind interdimensionale Parasiten“
Während Doctor Strange das überhand nehmende Vorkommen magischer Kreaturen untersucht, ist in anderen Teilen der Galaxis eine Art kosmischer Inquisition auf der Jagd nach Hexern, um alle Magie auszurotten.
Na, das ist doch mal eine Bedrohung für einen Magier: Da kommt eine selbsternannte, mächtige Inquisition daher, so wie einst im Mittelalter die christlichen Geistlichen und führt einen Vernichtungsfeldzug gegen Andersgläubige. Diese Story hat mächtig Potential und Autor Jason Aaron (mehrfach für seine Serie „Southern Bastards“ Eisner-Award nominiert und bei Marvel Comics vor allem für „Wolverine“ zuständig) dosiert die Infos gut und baut damit mächtig Grundspannung auf.
Aber das ist beileibe nicht das, was die neue „Doctor Strange“-Serie ausmacht, denn der Magier ist deutlich geerdeter und schwebt nicht mehr 30 Zentimeter über dem Boden. Wer Magie benutzt, muss dafür einen Preis zahlen und Stephen Strange hat lange über seine Kräfte gehaushaltet. Für den Magier, den das Comic-Magazin „Wizzard“ 2012 unter die Top 100 der Comichelden aller Zeiten wählte, ist das ein neuer und höchst interessanter Aspekt, der mehr Dunkelheit verspricht. Das gleicht Aaron aber sofort wieder aus, indem er dem Magier auch mehr Humor als bislang gewohnt mit auf den Weg gibt.
„Gehen Sie heim. Das ist ein ärztlicher Rat.“
Zudem ist Strange, den Marvel Mastermind Stan Lee und Zeichner Steve Ditko 1963 zum ersten mal auf die Leser losließen, deutlich umgänglicher als man das bislang gewohnt ist, hat einem Magier-Stammtisch ins Leben gerufen und bekommt mit der jungen Bibliothekarin (wahrscheinlich) noch einen weiteren Sidekick als Hausdiener Wong. Wer bislang nur im Marvel-Kinoabenteuer „Doctor Strange“ mit Benedict Cumberbatch Kontakt mit dem Magier hatte, darf sich also auf eine recht unterschiedliche neue Comicserie freuen.
Auch die Magie hat in der neuen „Doctor Strange“-Soloserie eine andere, organischere Qualität. Das ist eigentlich recht naheliegend, aber wenn die magischen Wesen als Parasiten, Flechten und Bakterien in Kontakt mit der Welt treten sorgt das für eine überraschende Frische und hat wenig mit esoterischen Weltanschauungen zu tun.
Doch im Medium Comic wären all diese tollen Einfälle, Details und cleveren Storylinien nichts, wenn sich nicht jemand erbarmen würde, das Ganze zu visualisieren.
Chris Bachalo, der schon bei diversen Titeln mit Jason Aaron zusammengearbeitet hat, sorgt dafür, dass die Pointen auch sitzen und die lästigen Magie-Egel auch mit derben Schmatzgeräuschen von ihren Opfern lassen. Dazu kommt bisweilen ein bisschen Flower-Power-Optik, leicht psychedelische Trips und atmosphärische, farblich abgesetzte Rückblenden und Ausflüge in andere Gefilde. Die Seitengestaltung ist offen und variabel und sorgt für einen flüssigen, aber abwechslungsreichen Lesefluss. Zudem geht den Charakteren, vor allem dem Sorcerer Supreme höchstselbst rein optisch etwas von ihrem heiligen Ernst ab, der im Auftreten Stephen Stranges bislang dazugehörte. Wann sieht man einen Zauberer schon mal in Unterhosen vor Dämonen fliehen.
Egal, ob alte „Doctor Strange“-Fans oder neue Leser, die von Marvel neu ins Rennen geschickte, längst überfällige neue Soloserie von „Doctor Strange“ ist mehr als nur unterhaltsam ausgefallen und hat noch mächtig viel magisches Potential. Die Mischung aus Action, Humor, Magie und Finsternis ist komplett auf den Punkt gebracht. Mehr davon.
Comic-Wertung: (9 / 10)
Doctor Strange 1: Der Preis der Magie
OT: Dr. Strange (2015) 1-5, Marvel Comics, 2015-16
Autor: Jason Aaron
Zeichner: Chris Bachalo, Kevin Nowlan
Übersetzung: Marc-Oliver Frisch
Verlag: Panini Comics, Softcover, 124 Seiten
VÖ: 04.10.2016
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