Miles Morales: Spider-Man 1 – Helden-Tagebuch

Bei Marvel Comics stehen seit einigen Monaten alle Zeichen auf „Neustart“. Bis die ganzen aktuellen Serien hierzulande angekommen sind, wird es wohl noch ein bisschen dauern. Nun kommt ein runderneuerter Miles Morales als Spider-Man zum Zug und der Auftaktband der neuen Serie macht Lust auf mehr. Es verwundert nicht, dass die Abenteuer des netzschwingenden Teenager einige Parallelen zum jungen Peter Parker und auch zur jungen Miss Marvel Kamala Khan aufweist. Wir sollten vielleicht mal ein Blick in Miles Tagebuch werfen.

Denn Miles belegt einen Kurs in „kreativem Schreiben“ und das erste, was der Lehrer verordnet, ist, ein Tagebuch zu schreiben. Selbstverständlich ist das eine persönliche Sache und falls jemand in den Aufzeichnungen eines anderen schnüffeln sollt, fällt er in dem Kurs durch.

Zunächst fremdelt Miles Morales noch mit den Niederschreiben seiner Gedanken und Gefühle, aber sein Stubenkollege Judge schreibt selbst schon länger Tagebuch und erklärt, das sei cool. Sandkasten-Buddy Ganke weiß ohnehin, dass Miles Spider-Man ist. Also warum nicht einen Versuch wagen?

Doch Miles hat zurzeit Einiges auf dem Zettel und die Mehrfachbelastung als Held und Schüler ist anstrengend genug. Dann trifft Miles bei einem Einbruch auf Rhino und legt sich mit dem alten Gauner an, obwohl der versichert, mit der Sache nichts zu tun zu haben und nur seine Nichte zu suchen. Die ist nämlich ebenso verschwunden wie der Cousin von Miles Flamme Barbara. Warum also nicht gemeinsam auf die Suchen nach den Kiddies gehen? Es dauert nicht lange und die beiden Helden stoßen auf eine miese Sache.

Eigentlich hätte Miles Morales als Spider-Man gar keinen Neustart nötig gehabt, da er gerade mit dem Oscar-prämierten Animationsfilm „Spider-Man: Into the Spider-Verse“ in aller Munde ist (hier habe ich die Comic-Vorlage vorgestellt). Marvel hat mit Miles „Neustart“ aber die Chance genutzt und die Comic-Serie ein bisschen gepimpt, also aufgemotzt, und dem jüngeren Publikum angepasst.

Das neue Kreativ-Team aus Autor Saladin Ahmed und Zeichner Javier Garrón legt hier mit den ersten sechs US-Ausgaben von „Miles Morales: Spider-Man“, die in dem Panini-Sammelband enthalten sind, ein starker Auftakt hin. Das erinnert ein bisschen an den furiosen ersten Auftritt der muslimischen Miss Marvel vor ein paar Jahren. Das kommt nicht von ungefähr, hatte die Autorin G. Willow Wilson doch die Abenteuer des jungen Spider-Man als Inspiration für ihre Teenager-Heldin in New Jersey im Kopf. Womit sich der Kreis wieder schließt. Brian M. Bendis („Jessica Jones“, „Age Of Ultron“), der Miles Morales einst „erfand“, darf sich freuen, „seinen“ Helden in solch guten Händen zu wissen.

Im Klartext heißt das, auch Miles Morales kümmert sich vorwiegend um seine Hood, seinen Kiez, seine Nachbarschaft und hat es mit Aufgaben und Gegnern zu tun, die in seinem jungen Alter auch machbar sind. Werden die Bedrohungen mal etwas größer sind die Avengers ja nicht weit weg und New York ist schließlich voll von Superhelden.

Das Artwork von Javier Garrón ist nicht so ganz mein Fall, aber sein Stil ist jugendlich und frisch. Seine Figuren treffen den Nerv der Stories und des Helden. Dabei sind die Alltagsszenen deutlich überzeugender gezeichnet als die Action-Sequenzen, die ein wenig statisch wirken. Das ist allerdings kein Nachteil, da der Auftakt der neuen „Miles Morales: Spider-Man“-Serie eindeutig charaktergetrieben ist und Wert legt auf die private Entwicklung des Helden. Das Paneling wirkt frisch und modern. Figuren laufen aus den zeichenkästen heraus, gelegentlich werden Rahmen weggelassen und die Bildgröße wechselt im Rhythmus der Geschichte, ohne unruhig oder aufgesetzt zu wirken. Auch und gerade beim Comic gilt: Die beste Technik ist jene, die einem zunächst gar nicht auffällt, weil sie hinter der Geschichte verschwindet.

Mit dem Neustart der Serie „Miles Morales: Spider-Man“ gelingt Marvel ein starker Antrittsbesuch beim jungen, afroamerikanischen Spider-Man. Die Storys sind ein etwas sozialkritisch und gefallen in ihrer charmanten und pfiffigen Mischung aus Leichtigkeit und Dramatik. „Miles Morales: Spider-Man ist keineswegs nur für junge Leser zu empfehlen.

Comic-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Miles Morales: Spider-Man 1 –Tagebuch eines jungen Helden
OT: Miles Morales: Spider-Man (2019) 1-6, Marvel Comics, 2019
Genre: Comic, Superhelden,
Autor: Saladin Ahmed
Zeichner: Javier Garrón
Farben: David Curiel
Übersetzung: Michael Strittmatter
Verlag: Panini Comics, Softcover, 140 Seiten,
VÖ: 03.12.2019

Miles Morales: Spider-Man 1 bei Panini Comics