Mit dem britischen Drama “London Town” verspricht Studio Hamburg eine interessante DVD-Premiere: Ein Teenager lernt Punk kennen und wird erwachsen. Wenn dann noch Jonathan Rhys Myers den verstorbenen The Clash-Sänger Joe Strummer mimt, konnte das sehenswert ausfallen. Doch leider bleibt „London Town“ Einiges schuldig und man versteht, warum der 2016 erschienene Film jetzt erst auf dem Markt kommt.
Der vierzehnjährige Shay Baker (Daniel Huddlestone) lebt 1979 mit seinem alleinerziehenden Vater (Doghray Scott) und der kleinen Schwester in einem Londoner Vorort. Die Familie kommt gerade so über die Runden, weil Vater Nick, der ein Klaviergeschäft betreibt, abends noch Taxi fahren geht. An Shay bleiben daher neben der Schule noch allerhand andere Tätigkeiten kleben. Egal, ob er Babysitten muss, Essen kochen oder im Laden aushelfen, der Junge hat wenig Freizeit.
Gelegentlich bekommt Shay Post von seiner Mutter, die es nach London gezogen hat, um Sängerin zu werden. Das Tape mit neuer Musik, die in der City gerade angesagt ist, weckt in Shay den Wunsch sich ins Großstadtleben zu stürzen. Vater Nick verbietet das, hat aber einige Tage später Besorgungen in London zu erledigen und er schickt Shay los. Im Zug lernt der Junge die freche Punkerin Vivian kennen, die ihm zeigt, was gerade angesagt ist und ihm The Clash ans Herz legt.
“Career opportunities, the ones that never knock, Every job they offer you is to keep you out the dock” (Career Opportunities, The Clash)
Als Vater Nick einen schweren Arbeitsunfall erleidet, muss Shay die Versorgung der Familie selbst in die Hand nehmen und der 14-jährige beginnt nachts Taxi zu fahren. Eines Abends steigt Joe Strummer in Shays Taxi.
Ich gestehe, ich hatte anderes erwartet: Eine Coming of Age Story mitten in den besten Jahren der Punk-Musik hat etliches an Potential, doch bei „London Town“ handelt es sich im Grunde um die Verfilmung eines Theaterstückes, das „Untitled Joe Strummer Project“ heißt und von den Autorinnen Sonya Gildea und Kirsten Sheridan verfasst wurde.
If they wanna get me making toys. If they wanna get me, well I got no choice.” (“Career Opportunities”, The Clash)
Im Grunde hat Shays Geschichte mit Punk Rock wenig am Hut und zeigt stattdessen die schlechte Wirtschaftslage und die Schwierigkeit, ohne Mutter aufzuwachsen. Das ist thematisch zwar allgemeingültig, wurde jedoch häufig und wesentlich überzeugender dargeboten als in „London Town“. Die Charaktere bleiben allesamt etwas blass und stereotyp.
Vater Nick kommt bei der ganzen Sache als gescheiterter Musiker, der nun alles für seine Kinder gibt noch am besten weg. Abgesehen von Jonathan Rys Myers, der seinen Strummer mit ähnlicher Verve gibt wie einst den King of Rock’n’Roll. Das überrascht nur auf den ersten Blick, da Elvis für Strummer ein großer Einfluss war. In der deutschen Sprachfassung geht dabei leider der wunderbare Slang der Punk-Ikone flöten, aber das ist ja ein allgemeines Synchro-Phänomen.
So richtig Punk ist „London Town“ auf keine Fall, als Drama und/oder Jugendfilm ist Derrick Bortes Film schlicht zu behäbig und uninspiriert. Es gibt eine Sequenz in der Shay seinen Idolen im Proberaum zuhören darf, die vielleicht symptomatische für den Film und dessen Missverständnis ist: Strummer erscheint, die Band schnappt sich die Instrumente und haut „Clash City Rockers“ raus. Rhys Meyers singt authentisch, aber so funktionieren weder jugendliche Sehnsüchte noch Bandproben – und Filme leider auch nicht.
Film-Wertung (4 / 10)
London Town
OT: London Town
Länge: 92 Minuten, UK, 2016
Genre: Drama
Regie: Derrick Borte
Darsteller: Daniel Huddlestone, Dougray Scott, Natasha McElhone, Jonathan Rhys-Myers,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Studio Hamburg
DVD-VÖ. 13.12.2019