Filmfest Hamburg 13: Der Schatten des Körpers des Kameramannes

Der-Schatten-des-Koerpers-des-Kameramanns02_c_Alfred-Behrens-FilmproduktionMan besucht ein Filmfestival ja nicht nur wegen der Filme, die ohnehin demnächst regulär im Kino laufen, sondern wegen der Vielzahl von Veröffentlichungen, die wohl kaum einen Kinostart bekommen werden. Dabei sind durchaus einige Perlen dabei, so wie „Der Schatten des Körpers des Kameramannes„, das brandneue und gerade erst fertig geschnittenen Filmwerk von Alfred Behrens, der zusammen mit Benjamin Dickmann einen wundervollen filmischen Essay über die Erinnerung an einen Freund, das filmische Erzählen an sich und die Literatur als Welt und Vorstellung auf die Leinwand bringt. Einer der Höhepunkte des Filmfest Hamburg in diesem Jahr.

Begonnen als filmische Erinnerung an einen Jugendfreund, der sich viel zu früh das Leben genommen hat, entfaltet sich Alfred Behrens filmische Annäherung sehr schnell als literaturschwangeres, experimentelles und sehr stimmungsvolles Filmepos. Dabei ist der Film selbst ein Prozess, in dessen Verlauf sich nicht nur der Schwerpunkt des Films von der persönlichen Erinnerung weg hin zu einem Ausloten des filmischen Erzählens an sich verschiebt, sondern auch viel Literatur und Musik in den dichten Teppich der essayistischen Erzählung hineingewoben wird.

Das Herz des Films ist die Leerstelle, die das freiwillige Ableben des Jugendfreundes hinterlassen hat. Die Frage nach dem Warum lässt sich ohne Gegenüber nie mehr beantworten und der seltsame Zettel in der Hand des Freundes mit der Aufschrift „verboten“ macht es nicht einfacher, die Erinnerung zu fokussieren. Gemeinsame Zeiten, gemeinsames Erleben, Literatur und Jazz als Eckpfeiler des eigenen Werdens und auch als Flucht aus einer als miefig empfundenen deutschen Befindlichkeit.

Der-Schatten-des-Koerpers-des-Kameramanns01_c_Alfred-Behrens-FilmproduktionSo gesellen sich in den Filmsequenzen, die zum Teil aus Archivaufnahmen bestehen, großteils aber für den Film improvisiert wurden, große literarische Gestalten wie Becketts Murphy, die Beat–Generation zu Jazzgrößen wie Thelonius Monk und modernen Malern wie Pollock, die als Referenzpunkte für das eigene, jugendliche, künstlerische Streben immer wieder mantraartig auf- und abtauchen; zum Teil inszeniert von prominenten Hörspielsprechern wie Christian Brückner und Otto Sander  vervollständigt und zusammengehalten von Alfred Behrend selbst, der tastend nach der schlüssigen Form für dieses „Requiem für einen Freund“ sucht und dabei ganz große Kunst macht.

Das Erstaunliche und Wunderbare an „Der Schatten des Körpers des Kameramannes“, betitelt nach dem Roman “Der Schatten des Körpers des Kutschers“ von Peter Weiss, welcher in der Erzählung zusammenfließt mit dem Schatten der Gutsherrin, ist die große emotionale Kraft dieses im Grunde experimentellen Dokumentarfilms. Da ist so viel Welt und so viel Sehnsucht in den Bildern und den Texten, dass es den Zuschauer auf vielfältige Weise berührt.

Fazit: „Der Schatten des Körpers des Kameramannes“ ist ein großartiger Film, dem man wünschen würde, dass er demnächst einen Verleih findet. Auf dem Filmfest hat man diese Perle, die auch viel mit Hamburg zu tun hat, nicht nur weil Alfred Behrens hier aufgewachsen ist, leider nicht allzu prominent zu positionieren gewusst. Die einzige öffentliche Vorstellung lief deutlich vor der Vorstellung für das Fachpublikum, so dass auch keine Empfehlung mehr möglich war.  Schade eigentlich. Mein Lieblingsfilm des diesjährigen Festivals.

Film-Wertung: 9.5 out of 10 stars (9,5 / 10)
Der Schatten des Körpers des Kameramannes

Genre: Dokumentarfilm, Experimentalfilm,
Länge: 88 Minuten, D., 2013
Regie: Alfred Behrens, Benjamin Dickmann
Kinostart: nicht geplant
Vertrieb: kein Vertrieb
Produktion: a+b Pictures, Alfred Behrens Filmproduktion

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