Der Name „Jack the Ripper“ versteht auch mehr als ein Jahrhundert nach dessen brutalen Morden noch zu faszinieren. Die fünf Morde an Prostituierten, die dem mysteriösen Serienkiller zugeschrieben werden, wurden nie aufgeklärt und geben noch immer Anlass zu Spekulationen. Die großartige BBC-Serie „Ripper Street“, die nun auch auf deutsch im Handel ist, weiß diesen Mythos „Jack the Ripper“ geschickt zu nutzen, und erzählt doch von anderen Schattenwelten im London des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Das Londoner East End ist um das Jahr 1890 noch immer kein angenehmer Ort: dunkle Gassen, verschlagene Gestalten, Huren und Spelunken aller Orten. Außerdem geht noch immer die Furcht vor Jack the Ripper um. Der hatte innerhalb weniger Monate fünf Prostituierte ermordet und war dann ebenso plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Doch die Furcht vor der Rückkehr des Rippers ist allgegenwärtig. Die „H-Division“ der Londoner Polizei unter der Leitung von Inspektor Reid (Matthew MacFayden) versieht genau hier im East End ihren Dienst und versucht Sicherheit herzustellen.
Da kommt der Fund einer toten Prostituierten in einer abgelegenen Seitengasse nicht eben zur rechten Zeit. Reids ehemaliger Vorgesetzter Abberline (Clive Russel) wittert auch sofort ein erneutes Opfer des Rippers, ebenso wie die Klatschpresse. Doch Reid verfolgt eine andere Spur. Der Inspektor braucht dringend Unterstützung in seiner Beweisführung, um eine öffentliche Hysterie abzuwenden. Ausgerechnet den amerikanischen Hurendoktor Homer Jackson, der im Etablissement von Long Susan (MyAnna Buring) die Damen versorgt, will Reid heranziehen, um die Leiche zu untersuchen. Das passt Sergeant Drake (Jerome Flynn) überhaupt nicht. Der handfeste und loyale Polizist kann den Ami nicht ausstehen. Doch Reid will die polizeilichen Ermittlungen wissenschaftlicher gestalten und Jackson scheint – anders als seine Londoner Doktorenkollegen – zu verstehen, wie man Tatorte, Leichen und Indizien zu untersuchen hat. Doch die Gerüchte über einen weiteren Ripper-Mord sind einfach nicht zu stoppen.
Überaus geschickt macht sich Serien-Mastermind Richard Warlow die historischen Tatsachen und Legenden zu Nutze und setzt die Arbeit der H-Division, die tatsächlich existiert hat, wirkungsvoll und hochspannend in Szene. Im weiteren Serienverlauf bekommen es die Ermittler Reid, Drake und Jackson mit anarchischen Attentätern, enttäuschten Armeeoffizieren und randalierenden Pinkerton-Detektiven zu tun. Jede Menge finstere Verbrechen und jede Menge düstere Gestalten.
Das allein ist schon wirkungsvoll und mit viel Zeitkolorit umgesetzt, doch es gibt auch mehrere rote Fäden, die die episodenhafte Krimi- und Ermittlungsdramaturgie aufbrechen und einen übergeordneten Erzählbogen schaffen. Darin spielen selbstredend die drei von der H-Division die Hauptrollen, aber auch die mysteriöse Long Susan hat, wie ihr Begleiter Homer Jackson eine Vergangenheit, die nicht im Verborgenen bleibt.
Edmund Reid flüchtet sich förmlich in die Polizeiarbeit, da seine Tochter vor einigen Jahren bei einem Schiffsunglück verschwunden ist. Während seine Frau versucht, sich mit dem Tod der Tochter abzufinden, glaubt Reid fanatisch daran, dass seine Tochter überlebt haben könnte. Das setzt die Ehe einer harten Zerreißprobe aus. Verständnis findet der Inspektor bei Deborah Goren (Lucy Cohu), der Leiterin des jüdischen Waisenhauses, die er während seiner Ermittlungen trifft. Für genügend Drama ist abseits der Spannung also auch noch gesorgt.
Das große Plus von „Ripper Street“ ist es, das man bei der BBC anscheinend verstanden hat, dass große Serienunterhaltung auch einen entsprechenden Finanzrahmen braucht, damit ein bestmögliches Ergebnis herauskommt. Eine Einstellung, von der man sich hierzulande durchaus einiges abgucken kann. So können die Macher aus dem Vollen schöpfen und eine hervorragende Besetzung auffahren und zusätzlich noch authentische Kostüme und wirkungsvolle zeitgenössische Kulissen aufbieten. So dass „Ripper Street“ auch optisch ein Leckerbissen ist. Der Look ähnelt dem erfolgreichen „Sherlock Holmes“-Film von Regisseur Guy Ritchie und auch der „From Hell“ Verfilmung mit Johnny Depp.
Aber die Qualität einer TV-Serie steht und fällt nun mal mit den Drehbüchern und Serienmacher Richard Warlow ist ein Meister seines Faches: Nicht nur bedient er sich beim Mythos Jack the Ripper, sondern auch Dickens-typische Motive, wie etwa die Banden von Straßenkindern, und der umtriebige, militante und politische Zeitgeist liefern genug Inspiration um tolle Stories zu erzählen, die auch die Epoche an sich nachvollziehbar und wirklichkeitsgetreu widerspiegeln.
Fazit: Die erste Staffel der britischen Thriller-Serie „Ripper Street“ ist ein absolutes Genre-Highlight: Großartig besetzt, aufwändig produziert, spannend inszeniert und vor allem großartig geschrieben. Die Fortsetzung wird mit Spannung erwartet.
Serien-Wertung (9 / 10)
Ripper Street – Staffel 1
OT: Ripper Street Season 1
Genre: TV-Serie, Krimi, Thriller
Länge: 400 Minuten, (8×50 Min. )
Regie: Tom Shankland, Andy Wilson, Colm McCarthy
Idee: Richard Warlow (auch Drehbücher)
Darsteller: Matthew McFayden, Jerome Drake, Adam Rothberg,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Polyband, BBC
DVD- & BD-VÖ: 28.02.2014