Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick!

Wer versucht, ernste Themen mit einer gehörigen Portion Humor aufzuarbeiten, setzt sich zwangsweise in die Nesseln. Der Schmerz kann durchaus heilsam sein, Brennnesseln sagt man schließlich nach, sie würden bei Gicht und Rheuma helfen. In gewisser Weise ist die deutsche Tragikomödie „Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick!“ ebenso eine Abreibung für die internationalen Hilfsorganisationen in Krisengebieten wie ein Plädoyer für die Menschlichkeit. Freilich etwas bizarr vorgetragen. Also, auf in den Nachkriegs-Kosovo, kurz vor der Millenniums-Wende.

Im Jahr 1999 endet der kriegerische Konflikt zwischen Serben und der jugoslawischen Armee einerseits und der Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) andererseits, durch ein Bombardement der Nato. Der Kosovo, der bis Dato ein serbische Provinz war, sollte unabhängig werden, vor allem weil die Bevölkerung hier im Wesentlichen aus albanisch-stämmigen Muslimen besteht, anders als im christlich geprägten Serbien.

Nach dem offiziellen Ende der Kämpfe sorgt die internationale KFOR-Truppe für Ordnung und Waffenruhe und die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, englisch OSCE abgekürzt) will bei dem Wiederaufbau einer demokratischen Gesellschaft helfen. Im Kosovo werden mit internationalen Hilfsgeldern Projekte in Gang gebracht, Strukturen aufgebaut und Zusammenarbeiten angebahnt.

Die deutsche Journalistin Anna (Karin Hanczewski) soll im Kosovo demokratische und frei Medien aufbauen. In Prishtina angekommen stellt sich schnell heraus, dass die Funktionäre sich in Gefloskel verlieren, viele internationale Helfer ihr eigenes Süppchen kochen und die UCK als kommende Macht genauso viel Dreck am Stecken hat, wie die verhassten Serben anderswo angehäuft haben. Von Waffenruhe kann hier gar keine Rede sein.

Anna ist auf die Hilfe ihres bosnischen Fahrers Plaka (Carlo Ljubek) angewiesen, um überhaupt etwas bewegen zu können. Doch Plaka ist eigentlich nach Prishtina gekommen, um hier Geschäfte und einen schnellen Dollar zu machen. Plötzlich findet er sich als Moderator eines liberalen, multiethnischen, politischen Piratensenders wieder, der sich nur Feinde macht. Besonders der UCK-Chef Radca (Boris Milivojevich) und sein Killer Gazmend (Tommy Sowards) fühlen sich gehörig auf den Schlips getreten.

„Kill Me Today, Tomorrow I’m sick!“ ist in der deutschen Filmlandschaft eine beachtliche Einzelerscheinung. Nicht nur, weil es hier gnadenlos politisch inkorrekt zugeht, sondern auch, weil sich der Film traut, das babylonische Stimmengewirr einer multiethnischen Gesellschaft und einer internationalen Hilfsorganisation auch tatsächlich abzubilden, anstatt alles in schnell nachvollziehbarem deutsch laufen zu lassen. Hier wird im Wesentlichen englisch gesprochen und untertitelt.

Auch inhaltlich macht „Kill Me Today“ keine Kompromisse. Erzählt wird der Film aus der Perspektive des kosovarischen Killers, der extra für diesen Befreiungskrieg aus seinem US-amerikanischen Exil gekommen ist. Gazmends zynische Menschenverachtung ist keine leere Attitüde, sondern wird durchaus krass in Szene gesetzt. Auch an anderer Stelle geht es drastisch zu, etwa als Anna am Nationalfeiertag Zeugin einer Hinrichtung auf der Straße wird.

Anschließend wird ihr Bericht von den Vorgesetzten zwar nicht angezweifelt, aber die Herren machen klar, dass es weitere glaubwürdige Augenzeugen bräuchte; glaubwürdig heißt in diesem Zusammenhang internationale Besucher, keine Einheimischen, denen könne man sowieso nichts glauben. So bleibt alles beim Alten, Stagnation macht sich breit und Anna beschließt zu handeln.

Absurdität von Krieg mit humoristischen Mitteln zu brechen ist ein schwieriges Unterfangen. „Kill Me Today“ schlägt sich dabei ganz gut, aber auch explizit. Bereits andere Filme widmeten sich den Kriegen, Kriegsverbrechen und Folgen, die sich aus der Auflösung Jugoslawiens ergeben haben, letztlich haben alle ihre Berechtigung. Mit Larisa Kondracis „Whistleblower – In gefährlicher Mission“ beispielsweise teilt „Kill Me Today“ die thematische Auseinandersetzung mit der Zwangsprostitution, mit „A Perfect Day“ (2015) die desillusionierte Perspektive internationaler Hilfsbemühungen.

Die satirisch-zynische Überspitzung im Film der beiden Regisseure Joachim Schroeder und Tobias Streck schlägt bisweilen bewusst und provozierend über die Stränge und mutet den Protagonisten und den Zuschauern Einiges zu. Aber auch angesichts der Untätigkeit und Ignoranz der OSZE-Leute bleibt einem bisweilen das Lachen im Hals stecken.

Dann aber wieder kommt „Kill Me today“ so komödiantisch leicht daher, dass es surreal wird. Die Romanze zwischen Anna und Plaka wirkt auch mal plakativ, viele der Charaktere sind schematisch und stereotyp angelegt, was bis zu einem gewissen Grad der ironischen Überspitzung geschuldet ist, aber deutlich überreizt wird, und der Soundtrack gefällt sich mit punkrockiger Attitüde, die kurz davor ist Gypsy-Punk zu sein um ein Balkan-Klischee zu zitieren. Aber auch in dieser Zerrissenheit ist „Kill Me Today“ eine Reibung, ein Statement zum Zustand der Welt.

Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick“ setzt auf eine zynischen, abstrusen und adrenalinhaltigen filmischen Mix. Mit kleinem Budget und entfesseltem Drehbuch ziehen die Macher ihre Vision gnadenlos durch und kümmert sich wenig um Erwartungshaltungen. Das ist gut so, selbst wenn nicht alles überzeugt. Vor allem aber erwachsen daraus tolle Darstellerleistungen.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick!
OT: Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick!
Genre: Tragikomödie, Satire,
Länge: 130 Minuten, D, 2018
Regie: Joachim Schroeder, Tobias Streck,
Darsteller: Karin Hanczewski, Carlo Ljubek
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Absolut Medien,
Kinostart: 13.02.2020
DVD-VÖ: 10.07.2020

Ein Kommentar

Isabel Kocsis 2020/07/18

Es wäre noch festzuhalten, dass die Kosovo-Albaner eingewandert sind. Im Kosovo fand über recht lange Zeit ein Bevölkerungsaustausch (Mehrheit/Minderheit) statt. Ein traditionell serbisches Gebiet wurde islamisiert. Darüber sollte man nach diesem Film auch nachdenken.