Ein bisschen Paranoia hat noch nie geschadet. Vor allem nachdem bekannt geworden ist, dass Big Brother überall seine Horcher am Puls der Zeit hat. Der verstorbene amerikanische Künstler Mark Lombardi war fasziniert, ja geradezu besessen von Informationen. Vor allem die Verbindungen von Politik und Wirtschaft hatten es ihm angetan. Seine Soziogramme entpuppten sich in gewisser Weise posthum als visionär. Die Doku „Mark Lombardi – Kunst und Konspiration“ widmet sich dem irritierenden Werk Lombardis und ist absolut sehenswert.
Mark Lombardi wurde gerade einmal 49 Jahre alt, bevor er sich im Jahr 2000 das Leben nahm – kurz nach einer wichtigen Ausstellung, die ihn international bekannt machte. Sein Tod bleibt für viele Freunde und Bekannt noch immer rätselhaft. Der biografische Dokumentarfilm von Mareike Wegener wirft einen Blick auf das Schaffen und den Antrieb dieses eigenwilligen Künstlers.
Seinen Informationshunger hat Lombardi wohl zu seinen Studentenzeiten entwickelt, als gerade der Watergate-Skandal aktuell war. Vor allem die Verbindung von (amerikanischer) Politik und Wirtschaft hatten es dem Künstler von da ab angetan. Akribisch sammelte er öffentlich zugängliche Informationen, die er auf Karteikarten übertrug, um daraus dann Soziogramme, also grafisch festgehaltene Beziehungen zwischen Personengruppen, zu erstellen.
Informationshunger
So entstanden auch die bekanntesten Soziogramme Lombardis wie die Beziehung zwischen George Bush Junior und Harken Energy, die finanzielle Vernetzung des Vatikans und das Beziehungsgeflecht der BCCI-Bank (Bank of Credit and Commerce International). Die in Pakistan gegründete Großbank wurde zum Gegenstand von Ermittlungen und hat unter anderem eine Beziehung zu Osama Bin Laden.
Eben diese Verbindung interessierte eine Mitarbeiterin des FBI, als sich Osama Bin Laden als Kopf des Terrornetzwerks Al Quaida entpuppte und ins Visier der amerikanischen Ermittlungsbehörden gerät. Auch heute bleiben die Beziehungsgeflechte, die Mark Lombardi in seinen Zeichnungen in Zusammenhang bringt, verstörend und gleichzeitig von hohem grafischem Reiz, der seine Kunst auch auszeichnet.
Bereits 2008 hat sich die Regisseurin Mareike Wegener mit einem anderen unter zweifelhaften Umständen verstorbenen Künstler beschäftigt: „Al Hansen – The Matchstick Traveller“. Nun kann die Regisseurin neben Interviews auch auf Archivmaterial zurückgreifen, das Lombardi bei der Arbeit zeigt und einiges über das Denken und das Werk selbst aussagt.
Gelegentlich lässt die Qualität der digitalen Aufnahmen etwas zu wünschen übrig, andererseits passt das zu den Archivaufnahmen des Künstlers. Filmisch werden die Interview- und Werksequenzen immer wieder von Aufnahmen aus den Nachrichten oder von der Wall Street vervollständigt und entwickeln so einen Sog, dem sich kaum ein Verschwörungstheoretiker entziehen kann.
Mit „Mark Lombardi – Kunst und Konspiration“ ist Mareike Wegener eine irritierende und beklemmend unterhaltsame Künstlerbiografie gelungen. Vielleicht sollte man sich mal genauer mit dem politisch inspirierten Werk Mark Lombardis beschäftigen.
Film-Wertung: (7 / 10)
Mark Lombardi – Kunst und Konspiration
OT: Mark Lombardy – Death Defying Acts of Art and Conspiracy
Genre: Biographie, Kunst, Dokumentarfilm
Länge: 79 Minuten
Regie: Mareike Wegener
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Realfiction
Kinostart: 31.05.2012
DVD-VÖ: 21.06.2013