Literaturverfilmungen sind alles andere als einfach. Ich rede hier jetzt nicht von Mainstream-Bestsellern, sondern von literarischen Meilensteinen, die ihren Weg in das Medium Film suchen: Vor allem gilt es, der Vorlage irgendwie gerecht zu werden unn dennoch ein eigenes Werk zu schaffen. Glücklicher Weise nimmt sich die BBC-Miniserie „Parade’s End – Der letzte Gentlemen“ dramaturgisch einige Freiheit. Die Umsetzung von Ford Maddox Fords „Parade’s End“ wäre ansonsten allzu ausufernd. So ist das Ergebnis für Serienverhältnisse absolut herausragend geworden.
Im Jahr 1908 heiratet der britische Gentlemen Christopher Tietjens (Benedict Cumberbatch) pflichtschuldig und hochanständig die schöne, schwangere Sylvia Satterthwaite (Rebecca Hall). Er ist sich sicher, dass das Kind nicht von ihm sein kann und so steht die Ehe unter keinem guten Stern. Die intelligente, hübsche aber gelangweilte Sylvia flüchtet sich vor dem extrem verstockten Ehemann in eine Affäre. Und während sie fort ist, lernt Christopher zufällig die junge Suffragette Valentine Wannop (Adelaide Clemens) kennen. Die beiden verlieben sich augenblicklich. Doch für den „letzten Gentlemen“ steht eine Liebelei ebenso außer Frage wie die Scheidung.
Selbstredend nimmt Christopher seine Gattin dann doch vorwurfslos wieder auf. Doch gerade seine konstante Nichtbeachtung quält Silvia mehr als alles andere. Es gelingt ihr nicht eine emotionale Regung aus dem verstockten Tory herauszubekommen, dennoch versucht sie ernsthaft den Gatten zurück zu gewinnen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, meldet sich der Patriot Christopher freiwillig als Soldat und erlebt an der Westfront Fürchterliches. Verwundet kehrt er zurück und realisiert erstmals, dass Welt und die Werte, die er so ernsthaft lebendig erhält, unrettbar von einem neuen Zeitalter verdrängt werden.
Innerhalb kurzer Zeit ist sein Ruf in Londoner Kreisen (völlig zu Unrecht) aufgrund diverser, zum Teil sich widersprechender Gerüchte ruiniert. Christophers blasierte Ignoranz gibt sich damit nicht ab, doch das Geschwätz führt auch zum endgültigen Zerwürfnis mit seinem Vater. An seinem amourösen Dilemma ändert das freilich wenig.
Inzwischen gilt Ford Maddox Fords „Parade’s End“ als ein Jahrhundertroman. Die Adaption des umfangreichen, bisweilen schwierig zu lesenden und weitschweifigen „Parade’s End“ ist alles andere als einfach und Serienautor Tom Stoppard („Shakespeare in Love“, „Brazil“) behilft sich damit Szenen zu „erfinden“, die im Buch, eher den Büchern, nicht vorkommen. Die Adaption rückt die Dreiecksgeschichte zwischen Sylvia, Valentine und Christopher in den Mittelpunkt des Geschehens rückt, darum herum werden etliche schillernde und zugleich so zeittypische Figuren gruppiert. So gelingt es der TV-Adaption, durch diesen lebendigen und vielbevölkerten Kosmos von Nebenfiguren ein hervorragendes Zeitbild der englischen und europäischen Kultur kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges zu erschaffen.
Regisseurin Susannna White („Eine zauberhafte Nanny“) ist eine routinierte und souveräne Erzählerin und durch ihre große Erfahrung in Sachen abgeschlossenen TV-Serien wird „Parade’s End“ zu einem optischen Genuss. Der Einstieg ist aufgrund von Zeitsprüngen und viel szenisch angerissenem Vorspiel zwar etwas fordernd, aber dann zaubert „Parade’s End“ ein Feuerwerk aus großartiger Darstellung, spannender Erzählung und perfekter Ausstattung auf den Fernsehschirm, so dass man sich der Faszination kaum entziehen kann. Das ist zum einen ein Verdienst der großartigen, extrem nuanciert agierenden Darsteller, die allein den Genuss der Serie empfehlenswert machen, zum anderen den subtilen Charakterstudien und pointierten Dialogen des Drehbuchs zu verdanken. Selbstredend ragt Benedict Cumberbath als verstockter Christopher Titjens aus dem hochkarätigen Ensemble dann doch heraus und beweist einmal mehr seine enorme Gabe, auch ohne Worte große Ausdruckskraft zu finden.
„Parade’s End“ war für etliche Grammys und BAFTA Awards in allen wichtigen Kategorien nominiert. Die deutsche Version der Serie macht aus den fünf Teilen der Originalserie nun sechs Episoden (wobei die Gesamtlänge gleich bleibt), aber der Qualität der Serie tut dies keinen Abbruch. Der Fan findet auf der DVD und auf der Blu-ray noch ein „Behind the Scenes“-Feature in dem die Macher und die Schauspieler zu Wort kommen. Auch hier sind 50 informative Minuten zu erwarten.
Fazit: Dass die BBC großartige und aufwändige Serien zu produzieren in der Lage ist, ist längst kein Geheimnis mehr. Die Miniserie „Parade’s End“ nach der großen Roman-Tetraologie des Autors Ford Maddox Ford kann das noch toppen und ist eine kongeniale Umsetzung des inzwischen als Meisterwerk der frühen Moderne gewürdigten Romans. Das Ende eines Zeitalters wird am Schicksal dreier Personen dramatisch hervorragen und höchst anregend verknüpft. Parade’s End ist ein höchst lebendiges Serienjuwel.
Serien-Wertung: (9 / 10)
Parade’s End – Der letzte Gentleman
OT: Parade’s End
Genre: Drama, Serie
Länge: 287 Minuten, GB 2012
Regie: Susanna White
Drehbuch: Tom Stoppard
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Rebecca Hall, Adelaide Clemens,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Polyband / BBC
DVD- & BD-VÖ: 26.07.2013