Woodstock in Timbuktu: Rockin‘ in the Free World

WiT_Standbilder 11Traditionell treffen sich die Wüstenstämme der Tuarek, die sich selbst Kel Tamachek nennen, jährlich zu einem mehrtägigen Fest in der Nähe von Timbuktu. Seit 2001 ist an dieses „Gipfeltreffen“ in der Wüste das internationale Musikfestival „Festival au Désert“ gekoppelt. Die Filmmacherin, Fotografin und Künstlerin Desirée von Trotha zeigt in ihrem Dokumentarfilm „Woodstock in Timbuktu“ allerdings nicht nur die Musikveranstaltung sondern die Lebensweise der Kel Tamaschek.

Seit Jahrhunderten ist es bei den Nomadenvölkern der Kel Tamaschek Brauch, sich jährlich zu einer großen Versammlung zu treffen. Bei der mehrtägigen Veranstaltung geht es um Feier und Austausch und um Beratung und gemeinsame Entscheidungsfindung. Zur Jahrtausendwende beschlossen die Kel Tamaschek, zu diesem Treffen auch ein internationales Musikfestival zu veranstalten, um der Welt ihren Lebensstil und die damit verbundenen Probleme zu präsentieren. Das Festival au Désert wurde in den folgenden Jahren zum Sehnsuchtsort von Musikfans aus aller Welt. Allerdings befindet sich der Norden Malis seit einiger Zeit offiziell im Bürgerkrieg, was auch bewirkt,  dass das Festival 2012 quasi ohne ausländische Gäste stattfand. Für 2013 hat man den Austragungsort verlegt. Die Zukunft der Kulturveranstaltung bleibt ungewiss.

WiT_Standbilder 02Desirée von Trotha lebt sein fast zwei Jahrzehnten regelmäßig lange Zeiten im Jahr bei den Kel Tamaschek und hat 2011 das „Festival au Désert“ zum Anlass für einen Dokumentarfilm genommen. Darin geht es auch um Musik, vor allem um Musik als Möglichkeit des friedlichen Widerstandes. Doch „Woodstock in Timbuktu“ geht weit darüber hinaus und nimmt die Möglichkeit wahr, zu zeigen, was das jährliche Festival für die Bevölkerung bedeutet. In den letzten Jahren eskalierten die Unabhängigkeitsbestrebungen der fundamentalislamischen Separatisten im Norden Malis. Seit 2012 herrscht offiziell Bürgerkrieg. Dieser betrifft auch die Kel Tamaschek, denn schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Kämpfe. Die Nomaden sind zwar ebenfalls Muslime, vertreten aber einen toleranten, weltoffenen Islam und die Rolle der Frau in der Stammeskultur ist deutlich emanzipiert.

WiT_Standbilder 29Der nomadische Lebensstil und die Stammeskultur der Kel Tamaschek werden mit viel Inneneinsicht und aufklärerischem Geist gezeigt. Es kommen Musikerinnen ebenso zu Wort wie muslimische Geistliche und die Führer und Philosophen der Kel Tamaschek. Die Regisseurin tritt auch selbst in Erscheinung: einerseits, da sie für ihren Film auch den Off-Text spricht, andererseits auch in ganz praktischer Funktion als Dolmetscherin bei den Pressekonferenzen des Festivals.

Desirée von Trotha macht aus ihrer Sympathie für die Nomaden keinen Hehl und zeichnet trotzdem kein einseitiges Bild. Der ethnografische Ansatz des Films überlagert in Verlauf der Doku die ursprüngliche titelgebende Musikveranstaltung immer mehr und wer hier eine Art Konzertmitschnitt erwartet, ist definitiv fehl am Platz. Filmisch bleibt „Woodstock in Timbuktu“ bei der klassischen Beobachtung und vermischt Hintergrundinformationen mit Interviews und Musik. Gelegentlich ist der erzählerische Tonfall zu oberschulhaft. Der Film will politisches Bewusstsein schaffen.

Fazit: Eigentlich ist die Doku „Woodstock in Timbuktu“ weniger Musikfilm als ein ethnografisches Portrait der nomadischen Wüstenstämme der Kel Tamachek, wie sich die Tuarek nennen. Ein lebendiger Einblick in eine fremde Kultur, bei der auch Weltmusikfans den Wüstenblues bekommen.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

*WoodstockTimbuktu_Plakat.inddWoodstock in Timbuktu
OT: Woodstock in Timbuktu – Die Kunst des Widerstands“
Genre: Dokumentarfilm
Länge: 90 Minuten, D
Regie: Desirée von Trotha
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Brave Hearts /Cindigo Films
Kinostart: 16.05.2013

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